Eine Beziehung fürs Leben

Bilder: Kirstin Lewis
Serie: Wie Familie gelingt – Teil 1
Der Bund zwischen Eltern und Kind ist von grösster Bedeutung – über das Baby- und Kleinkindalter hinaus. Entscheidend sind Zeit, Geduld sowie die Bereitschaft, immer wieder zu verstehen zu geben, dass man sein Kind liebt.
Mit der Bindung zwischen Eltern und Kind wird diese Grundlage schon sehr früh gelegt. Erst dann ist es für ein Kind möglich, die Welt zu entdecken und selbstbestimmt einen eigenen Weg zu gehen.

Die Familie ist ein System aus Menschen mit besonderen Rollen, Normen und Anforderungen. In ihr suchen wir Liebe und Abgrenzung, Nähe und Distanz, sie gibt und nimmt Kraft. Wie beeinflusst das Familienleben die Entwicklung ihrer Mitglieder? Welche
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen prägen das Familienleben und wie bestimmen institutionelle Strukturen das Leben in Familien mit? Diesen Fragen gehen wir in einer zehnteiligen Serie nach. Die Texte entstanden in Zusammenarbeit mit dem Institut für
Familienforschung und -beratung der Universität Fribourg unter der Leitung von Dr. Gisela Kilde und Dr. Annette Cina.
Ohne Beziehung kein Lernen
In einem liebevollen Umfeld lernt das Kind, sich über seine Erlebnisse, Hoffnungen, Wünsche und Ängste auszudrücken.
Wen mag ich? Und warum?

Die Eltern-Kind-Beziehung ist der Grundstein jeder Verbindung, die Kinder später eingehen. In dieser Beziehung wird gelernt, was Vertrauen, Liebe und Stabilität bedeuten.
Wie bleibt eine Beziehung stabil?
Die Grundlage jeder Beziehung ist Interesse. Es ist wichtig, dem Kind zu signalisieren: Es interessiert mich, was du tust, denkst und fühlst. Und dies sollte auch interessieren! Denn durch die Erzählungen der Kinder nehmen sie uns mit in ihre Welt, ihre Gedanken und ihre Gefühle. Die Basis für Verstehen ist ein Sich-Einlassen in die Welt des Kindes oder des Jugendlichen. Denn Kinderwelten und Teenagerwelten sind keine Erwachsenenwelten. Durch interessiertes Nachfragen mit dem Ziel, das Kind verstehen zu wollen, können wir ihm immer wieder zeigen, dass es uns wichtig ist. Damit Kinder und Jugendliche Zutrauen fassen können, muss achtsam mit Kritik umgegangen werden. Denn Vertrauen entsteht nur dann, wenn das Kind merkt, dass mit dem, was es erzählt und äussert, auch respektvoll umgegangen wird. Und auch wenn im Teenageralter von den Jugendlichen zeitweise wenig bis gar nichts (mit)geteilt wird: Sich interessiert an ihrem Handeln und Denken zu zeigen, aber auch respektieren zu können, wenn sie sich nicht äussern wollen, kann Türen öffnen.
Beziehungen können nicht wachsen und sich verändern, wenn sie zwischen Tür und Angel gepflegt werden. Austausch und Selbstöffnung brauchen Zeit und Vertrauen. Rituale wie z. B. gemeinsame Essenszeiten, Morgen- oder Abendrituale geben die Möglichkeit, Gemeinsamkeit zu spüren und miteinander zu sprechen. Auch gemeinsame Unternehmungen (als Familie oder mit dem einzelnen Kind) ermöglichen neue Erlebnisse, das gegenseitige Kennenlernen und die Erfahrung, dass trotz unterschiedlichen Gefühlen und Stimmungen die Grundbeziehung nicht tangiert wird. Daher gilt es, immer wieder nach Möglichkeiten zu suchen, die Gelegenheit für ein Gespräch bieten. Das kann auch mal das gemeinsame Anschauen einer Sendung sein, für die sich das Kind interessiert.
Kinder brauchen immer wieder das Gefühl, dass man sie liebt. Dabei reicht es nicht aus, ihnen dies zu sagen – sie müssen es auch spüren. Im Kleinkindalter fällt dies vielen Eltern einfach: Die Kinder werden bei Stress und Unwohlsein aufgenommen, beruhigt, umarmt und geküsst. Dies verändert sich im Laufe der Zeit, das Ausdrücken von Zuneigung nimmt oftmals ab. Aber auch Jugendliche brauchen, dass ihnen gezeigt wird, dass man sie wirklich gerne hat. Die Richtlinie ist: Es muss für beide Seiten stimmen. Wenn es beispielsweise ein Jugendlicher nicht mehr mag, dass er vor seinen Kollegen umarmt wird, ist allenfalls ein herzliches Schulterklopfen zu einem anderen Zeitpunkt eine Alternative. Eltern dürfen sehr kreativ und herzlich sein. Aber auch hier gilt zu beachten, dass das Ausdrücken von Liebe und Zuneigung sowie das Annehmen dieser Gefühle gelernt werden muss. Und wo, wenn nicht in der Familie?
Es kann keine vertrauensvolle Beziehung entstehen, wenn Eltern sich selbst nicht Sorge tragen. Stress, Probleme oder andauernde Konflikte beeinflussen unsere Stimmung und unsere Möglichkeiten, auf unsere Kinder einzugehen. Daher ist es wichtig, die eigenen Grenzen zu spüren und diese nicht andauernd zu überschreiten. Ebenso wichtig sind Offenheit und Ehrlichkeit bezüglich der eigenen Gefühle und des eigenen Befindens. Kinder können mit den Gefühlen der Eltern besser umgehen, wenn sie diese verstehen und einordnen können.
Daher ist es ratsam, Kindern zu erklären, warum man vielleicht etwas gereizter reagiert als sonst – aber auch darauf hinzuweisen, dass dies wieder vorbeigeht und man dann wieder mehr Zeit hat. Es ist normal und gehört zum Leben, dass in Familien nicht immer alles rundläuft. Wichtig ist, in all diesen Turbulenzen das Miteinander nicht zu vergessen. Hinweise, dass eine Beziehung zwischen Eltern und Kindern gut ist, gibt es viele: Wenn die Kinder auf die Eltern zukommen, ihnen verschiedene Gefühle zeigen, ihnen von ihrem Alltag erzählen, sich öffnen, um Rat fragen, dann sind dies Vertrauensbeweise. Und damit können Eltern die wichtige Aufgabe erfüllen, ihre Kinder zu begleiten in all den Schwierigkeiten, die da kommen. Denn Beziehung gibt Zutrauen, Vertrauen und Sicherheit.
Das Wichtigste in Kürze
- Es lohnt sich, in eine liebevolle Beziehung zu investieren. Eine gute Eltern-Kind-Beziehung ist einer der wichtigsten Schutzfaktoren für die gesunde Entwicklung des Kindes.
- Für Erziehung braucht es Beziehung. Erziehung kann nur auf der Basis von Beziehung und Zutrauen gelingen.
- Beziehung kann nur gelingen, wenn die Eltern sich selbst auch Sorge tragen und auf sich achten.
- Für eine gute Beziehung braucht es Zeit, Interesse, Erlebnisse, Austausch, das Zeigen von Gefühlen wie auch Ehrlichkeit.