Wie gelingt eine gute Kommunikation in der Familie?
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Wie gelingt eine gute Kommunikation in der Familie?

Lesedauer: 11 Minuten

Gute Gespräche stärken die Beziehung. Doch im hektischen Familienalltag fehlt oft die Zeit und fällt schnell ein falscher Satz. Wie Eltern lernen, sich auf ihre Kinder einzulassen und die richtigen Worte zu finden.

Text: Susanna Valentin
Bilder: Sophie Stieger / 13 Photo

Laut krachend fällt die Eingangstür ins Schloss. Ein lautes «Haaalloooo!» dröhnt durch den Flur. Dann knallt der Schulthek auf den Fliesenboden. «Räum das bitte weg», ertönt es aus der Küche, was mit einem energischen «Später!» abgetan wird. Solche und ähnliche Situationen, die oftmals zu Streit und Frust im Familienalltag führen, waren zu Zeiten unserer Grosseltern fast undenkbar. «Rückfragen galten in den 1950er-Jahren als frech, Väter erteilten Befehle, fast wie im Militär», beschreibt der emeritierte Soziologieprofessor Ueli Mäder die kommunikative Grundhaltung in der Ära des autoritären Erziehungsstils.

Das Bewusstsein, wie wertvoll eine gute Kommunikation sein kann, hat sich massiv gesteigert.

Priska Senti, Kinder- und Jugendpsychologin

«Gemeinsame Aktivitäten gab es zwar, aber zusammen zu diskutieren und sich über etwas zu verständigen, kam seltener vor.» Erziehung bestand darin, Gehorsam, Sauberkeit, Pünktlichkeit und Unterordnung zu vermitteln. Widerspruch wurde nicht geduldet.

Heute setzen Eltern auf eine bindungsorientierte Erziehung, was mehr Nähe und Verständnis füreinander schafft. «Das Bewusstsein, wie wertvoll eine gute Kommunikation sein kann, hat sich massiv gesteigert», sagt Kinder- und Jugendpsychologin Priska Senti, die in ihrer Praxis in Chur GR meist auf Eltern trifft, die auf einer partnerschaftlichen Ebene erziehen möchten. Gespräche sind an die Stelle starrer Regeln gerückt, worin Senti einen grossen Vorteil für Eltern und Kinder, aber auch für die Gesellschaft als Gesamtes sieht.

Und die emeritierte Psychologieprofessorin Pasqualina Perrig-Chiello betonte in einem Beitrag in diesem Magazin: «Der beratende und partizipative Erziehungsstil – also ein Führungsstil, in dem die Kinder selbst Vorschläge entwickeln dürfen, die gemeinsam diskutiert werden – hat unabhängig vom sozialen Kontext der Familie den weitaus günstigsten Einfluss auf die psychische und emotionale Entwicklung der Kinder.»

Eine grosse Chance also – aber auch ein wachsender Druck auf Väter und Mütter, den eigenen Ansprüchen, «es gut zu machen», gerecht zu werden, gibt Kinder- und Jugendpsychologin Priska Senti zu bedenken.

Die vier grössten Stolpersteine

Wie sieht also eine gelungene Kommunikation in der Familie aus? Wie schafft man es, sich nicht in endlose Diskussionen mit dem Nachwuchs zu verzetteln beziehungsweise überhaupt in ein gutes Gespräch zu finden? Und wann können sich Eltern auch einfach mal zurücklehnen mit der Gewissheit: «Die kindliche Reaktion auf meine Äusserungen und Aufforderungen ist ganz normal und altersgerecht, kein Grund zur Sorge!» Das sind Fragen, denen dieses Dossier auf den Grund gehen möchte.

Fragt man Eltern, welche Kommunikationsstolpersteine ihnen am häufigsten vor die Füsse rollen, kristallisieren sich typische Situationen heraus. Wir haben Erziehungsexpertinnen gebeten, sie einzuordnen.

1. «Warum ist mein Kind zu Hause nur so wild?»

Ein gemütliches Zuhause, sich geborgen fühlen, ein vertrauter Umgang miteinander: Natürlich ist es schön, sich im kleinen Familienkreis wohlzufühlen. In der Realität ist die Stimmung aber oft weniger harmonisch, als sich das Väter und Mütter wünschen.

Kathrin Hersberger Roos, Co-Leiterin der Erziehungsberatungsstelle Biel-Seeland, beobachtet immer wieder, dass die Familie als Setting gesehen wird, in dem man sich fallen lassen kann. «Kinder lassen sich im Schulkontext gegenüber Erwachsenen weniger zu einer emotional gefärbten Äusserung verleiten. Das gilt natürlich auch für Eltern in ihrem Arbeitsumfeld», so die Beraterin.

Simon Könz mit Tochter Marietta, 11: Im Engadin finden sie genug Zeit zum Reden.

Das ist für Eltern mitunter anstrengend – sollte aber nicht nur negativ bewertet werden, findet Hersberger Roos: «Sich zu Hause etwas gehen zu lassen, bedeutet ja auch, die Bindungen als solide zu werten. Das empfinden auch Kinder so, die sich ausserhalb des Elternhauses total angepasst verhalten und zu Hause den angestauten Emotionen freien Lauf lassen.»

Eine Ventilfunktion, die für die Emotionsregulation wichtig sei. Und die auch bedeutet, dass der Kommunikationskodex – nämlich eine freundliche Wortwahl – angekommen ist und zumindest ausserhalb des engsten Familienkreises in der Regel angewendet wird.

2. «Der Alltag frisst uns auf!»

Nicht nur die unterschiedlichen Ausseneinflüsse wirken auf die Kommunikation ein, auch der Stresspegel der einzelnen Familienmitglieder ist hie und da hoch. Ein mehrköpfiges Familienleben ist oft turbulent und die Organisation anspruchsvoll. Je mehr Kinder, desto mehr Freizeittermine fallen an, dazu kommen schulische Anforderungen wie das Lernen auf Prüfungen und Hausaufgaben. Wie schafft es eine Familie, sich darin Kommunikationsinseln zu schaffen?

Die Elternbildnerin Patrizia Luger Holenstein ist mit dieser Frage des Öfteren konfrontiert. Für Kinderschutz Schweiz begleitet sie Mütter, Väter und sonstige Bezugspersonen in «Starke Eltern – Starke Kinder»-Kursen darin, den Erziehungsalltag bewusster und erfüllender zu gestalten. Sie rät, sich nicht so viel vorzunehmen. «Bei der Gestaltung der bleibenden Freizeit ganz bewusst Zeiträume offen zu lassen, hilft nicht nur dabei, den Stresspegel zu senken, sondern auch Kommunikationsmöglichkeiten zu schaffen.»

4 Wörter, die wir aus unserem Wortschatz streichen können
«Immer», «nie», «ständig», «…, aber …»
  • «Immer», «nie», «ständig» … Verallgemeinerungen kommen als Vorwurf an. Abgesehen davon ist etwas sehr selten «immer», «nie» oder «ständig». «Alles andere ist dir immer wichtiger, als Hausaufgaben zu machen.»«Du vergisst immer alles!» Solche Generalisierungen lösen den Verteidigungsmodus aus.
  • «…, aber …» Das schönste Kompliment verliert seinen Glanz, wenn ein «aber» nach­geschoben wird. «Toll, wie du dein Zimmer selbständig aufgeräumt hast, aber deine Tasche liegt immer noch beim Eingang auf dem Boden.» Das Wort «aber» wirkt immer negativ, selbst wenn ihm etwas Positives vorausgeht.

Weitere Tipps für eine konfliktfreie Kommunikation mit Kindern finden Sie hier.

Diese stressfreien Phasen seien entscheidender als die Unternehmung selbst. «Das Setting spielt oft eine untergeordnete Rolle, sofern Zeit vorhanden ist», bestätigt auch Priska Senti. Zeit sei gerade bei getrennt lebenden Eltern noch knapper bemessen. «Dafür nutzen diese die gemeinsame Zeit mit dem Kind oft ein bisschen bewusster als Familienmitglieder, die immer unter demselben Dach leben.»

3. «Mein Kind erzählt mir nichts.»

«Und? Wie war es in der Schule?» – «Gut.» Hand hoch, wer diesen Gesprächsablauf nicht kennt und selbst nicht mehr als einmal hineingestolpert ist.

Ob im Rahmen eines geplanten Familienrates, eines gemeinsamen Sonntagsspaziergangs oder einfach so zwischendurch: Natürlich trägt auch die gewählte Gesprächsform zur gelungenen Kommunikation bei. Oder eben auch nicht. In genanntem Fall lohnt es sich, nach vielversprechenderen Möglichkeiten zu suchen. «Wird auf diese Weise nachgefragt, bleibt das Gespräch kurz und oberflächlich», bringt Psychologin Hersberger Roos das Problem auf den Punkt.

Viel zielführender seien spezifischere Fragen wie: «Du hattest doch heute eine Gruppenarbeit, was habt ihr dort genau behandelt?» Solche Anknüpfungspunkte, die auf die Lebenswelt des Gegenübers Bezug nehmen, stärken zudem die Beziehung. «Sich solche Eckpunkte zu merken, signalisiert auch echtes Interesse am anderen, es zeigt: Du bist mir wichtig.»

Oft sind es kurze Momente, in denen Kinder etwas spontan erzählen möchten. Diese sollten Eltern nutzen.

Werden störende Ausseneinflüsse wie laute Musik eingedämmt, trägt das zudem dazu bei, eine kommunikationsfreundliche Stimmung zu schaffen. «Sind die Gemüter ruhig und die Gesprächsbeteiligten in Balance, passt eigentlich jeder Rahmen», betont Patrizia Luger Holenstein.

«Ruhige Tätigkeiten wie gemeinsames Basteln können zusätzlich für eine entspannte Grundstimmung sorgen.» Auch bewährt es sich, Routinen einzuführen, um sich austauschen und Gespräche führen zu können. Rituale wie Vorlesen vor dem Zu-Bett-Gehen oder ein gemeinsames Zvieri können insbesondere bei jüngeren Kindern Zeiträume schaffen, in denen die Aufmerksamkeit ungetrübt und keine Ablenkung vorhanden ist.

Deniz, 14, mit Handy: Das Gerät sorgt am Esstisch von Familie Dogu zuweilen für Streit.

Doch was in der einen Familie gut funktioniert, muss in der anderen nicht zwingend passen. Und: Oft sind es kurze Momente, in denen Kinder etwas spontan erzählen möchten. Diese sollten Eltern nutzen und trotz Stress auf die Kinder eingehen, raten Experten.

4. «Jetzt räum endlich deine Jacke auf!»

Wer nach der Heimkehr des Kindes Jacke und Sportbeutel auf dem Boden landen sieht, ist schnell versucht zu ermahnen: «Räum das weg!» Läuft das Kind unverrichteter Dinge davon, beschleunigt sich der Puls.

Kinder- und Jugendpsychologin Priska Senti kennt diesen Kreislauf gut, der hier exemplarisch für manche Alltagssituation steht. Auch, dass er schnell zum Teufelskreis wird. «Oft entfernen sich sowohl Kind als auch Elternteil vom Ort des Geschehens, die Erwartung bleibt jedoch bestehen, während der Frust darüber wächst, dass das Gegenüber die eigenen Bedürfnisse nicht wahrnimmt. Die Situation schaukelt sich hoch, bis es zum Schreien kommt; erst dann wird aufgeräumt. Das ist eine Sackgasse, unbefriedigend für beide Seiten.»

Oft sind es unterschiedliche Bedürfnisse, die in solchen Situationen aufeinanderprallen. «Die Mutter oder der Vater möchte Ordnung und das Kind hat vielleicht einen Bärenhunger oder musste sich in der letzten Unterrichtslektion besonders zusammenreissen, weil der Schultag sehr lang war», analysiert Elternbildnerin Patrizia Luger Holenstein die fiktive Situation. «Oft lohnt es sich, zuerst die Grundbedürfnisse zu stillen und dann auf das eigene Anliegen zurückzukommen. Dann ist das Kind auch wieder aufnahmefähig.»

Der Alltag auf dem Bauernbetrieb von Christoph Freudiger und Yvonne Fürst ist häufig turbulent.

Eigene Reaktionen überdenken

Solche und andere Kommunikationsfallen im eigenen Familienleben zu erkennen, ist ein erster wichtiger Schritt. Sein eigenes Verhalten dabei zu reflektieren und gegebenenfalls anzupassen, ein weiterer: Was trage ich dazu bei, dass wir uns nicht so miteinander auseinandersetzen, wie ich es mir eigentlich wünsche? Was kann ich selbst dazu beitragen, damit es besser wird?

Erziehungsberaterin Kathrin Hersberger Roos kennt typische negative Äusserungen, die Eltern in schwierigen Momenten schnell über die Lippen kommen: «Hast du schon wieder nicht aufgeräumt?» wertet das Kind ab. «Du bist einfach zu faul!» bewertet, ohne nach Motiv und Grund zu fragen. Und zu moralisieren im Sinne von: «Wenn du nicht endlich lernst, deine Sachen ordentlich zu versorgen, wird nie etwas aus dir!», hilft ihrer Ansicht nach ebenso wenig.

Auch wenn Eltern ihr Kind schon fast investigativ ausfragen, werden sie nicht mehr von ihm erfahren.

Kathrin Hersberger Roos, Erziehungsberaterin

Es gibt noch weitere ungünstige Muster, die in die Familienkommunikation einfliessen. «Eltern haben oft das Gefühl, dass sie wissen, was das Kind sagen möchte, weil sie es so gut kennen», so die Erziehungsberaterin. Besser sei es jedoch, nicht vorschnell zu reagieren, den Sohn oder die Tochter ausreden zu lassen und so das Verstehen zu sichern.

Auch lange Monologe über das Anliegen oder zu viele Informationen auf einmal würden von der Botschaft ablenken. «Und wenn Eltern ihr Kind schon fast investigativ ausfragen, werden sie auch nicht mehr von ihm erfahren.» Hier gilt die Leitschnur: Mehr desselben lohnt sich nicht. Reagiert der Sohn oder die Tochter nicht auf ein Thema, gilt es, andere Wege einzuschlagen und Fragen zu einem späteren Zeitpunkt zu stellen.

Entwicklung der Kinder in die Kommunikation einbeziehen

Bereitschaft zum Zuhören zeigen, Fragen dosiert stellen, das Kind nicht mit Informationen fluten – diese Eckpunkte sind wichtig für eine gelingende Kommunikation. Dazu kommt: Nicht jedes Kind reagiert auf dieselbe Art wie sein Gspänli oder sein Peer.

«Natürlich ist es wertvoll, zu wissen, auf welcher Entwicklungsstufe sich das Kind gerade bewegt», sagt Psychologin Priska Senti. Wird das Alter des Kindes berücksichtigt, können auch die Kommunikationsmöglichkeiten angepasst werden. «Im Kleinkindalter geschieht vieles nonverbal, über Handlungen und über Berührung, mit zunehmendem Alter werden Erklärungen verstanden, die Empathiefähigkeit reift.»

Wächst das gegenseitige Verständnis, fühlen sich Mütter und Väter sicherer in ihrer Elternrolle.

Priska Senti, Kinder- und Jugendpsychologin

Im Jugendalter stellen sich wieder ganz neue Fragen, auf die Senti in ihrer Churer Gemeinschaftspraxis mit Teenagereltern Antworten sucht. «Natürlich kann das herausfordernd sein, wenn die Tochter oder der Sohn plötzlich Stimmungsschwankungen hat, schnell ausflippt oder gekränkt ist. Die Kommunikation wird anspruchsvoll, oft werden auch die Gefühle der Eltern verletzt, wenn sie auf Ablehnung stossen.»

Eine Phase, die jedoch gerade auch durch das erwachende Autonomiebedürfnis einen ganz speziellen Reiz habe: «Es ist toll, wenn Eltern neugierig bleiben, wie sich ihre Kinder gerade in diesem Alter entwickeln, und sie Offenheit zeigen für deren Ansichten und Meinungen. Teenager möchten ernst genommen werden.»

Die Feinheiten in der Kommunikation sind wichtig

Jugendliche stellen Bewährtes infrage und beschreiten eigene Kommunikationswege, die jedoch auf denjenigen der Familie fussen. Es lohnt sich also, eigene Kommunikationsmuster schon früh genau anzuschauen – und gegebenenfalls zu verändern.

Erziehungsberaterin Kathrin Hersberger Roos beobachtet immer wieder, dass schon kleine Justierungen in der Kommunikationsführung ganz viel verändern können. «Ich sage es hundertmal und meine Tochter hört einfach nicht zu!» ist eine Aussage, die sie oft hört. Dann empfiehlt sie als Erstes, die Aufmerksamkeitslenkung des Kindes zu überprüfen.

Eltern sollten zuerst bei sich selbst hinschauen, auch in der Kommunikation.

Patrizia Luger Holenstein, Elternbildnerin

Ist es nach dem Zufallen der Türe bereits auf der Schwelle zum Zimmer und fokussiert auf das neue Spiel, das es letzte Woche vom Götti geschenkt bekommen hat? Hilft es, seine Schulter kurz anzutippen und so seine Aufmerksamkeit auf mich und mein Anliegen zu ziehen? Ist das Kind überhaupt im selben Raum oder rufe ich ihm meine Bitte vom Wohnzimmer aus zu? – Feinheiten, die es in der Kommunikation zu beachten gilt, damit sie öfters gelingt.

Nicht nur, dass auf diese Weise mehr beim Gegenüber ankommt, sondern auch, dass diese kleinen Schritte die Kommunikation und damit die Beziehung zum Kind positiv beeinflussen, ist für Senti zentral. «Wächst das gegenseitige Verständnis, fühlen sich Mütter und Väter sicherer in ihrer Elternrolle, sie fühlen sich kompetenter und das Elternsein macht mehr Freude. Ausserdem lernen die Kinder von ihnen, deshalb lohnt sich die Investition in eine bewusstere Kommunikation umso mehr.»

Wichtige Vorbildrolle der Eltern

Das Bewusstsein für die Kommunikation ist gewachsen, während die Familien in den letzten Jahrzehnten kleiner geworden sind und sich stärker auf die Kernpersonen beziehen. «Das verleiht den Eltern mehr Gewicht, wie und was sie ihren Kindern mitgeben. Auch, was den Umgangston in der Familie betrifft», sagt Soziologe Ueli Mäder.

Gemeinsame Beschäftigungen fördern den Austausch untereinander.

Eine Tatsache, die Patrizia Luger Holenstein auch in den «Starke Eltern – Starke Kinder»-Kursen von Kinderschutz Schweiz mit der «Pyramide der Einflussnahme» aufgreift. «Das Vorbild hat den stärksten Einfluss auf das Verhalten der Kinder. Deshalb sollten Eltern dieses nicht in erster Linie beim Kind verändern wollen, sondern zuerst bei sich selbst hinschauen. Das gilt auch für die Art und Weise der Kommunikation.»

Mit einer wertschätzenden Kommunikation ist schon ganz viel getan.

Wie möchte ich als Mutter, dass mit mir gesprochen wird? Mag ich es als Vater, wenn jemand das Telefongespräch annimmt, während ich mit ihm am Mittagstisch sitze? «Sich über die eigenen Werte und Haltungen im Klaren zu sein, ist wahnsinnig hilfreich im Familienalltag», ist Elternberaterin Luger Holenstein überzeugt. «Diese zu vertreten, ist nicht nur wichtig für die Sache selbst, sie geben dem Kind auch Sicherheit.» Sicherheit und Orientierung, die sich auch in alltäglichen Situationen spiegeln können.

Kommunikation ist mehr als das gesprochene Wort
  • Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick lehrte: Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung.
  • Alles, was nonverbal oder verbal, also ohne oder mit Worten mit­geteilt wird, löst bei der oder dem Angesprochenen eine Wirkung aus. Woraus wiederum eine Reaktion erfolgt – im Idealfall eine angemessene.
  • Die elterliche Reaktion hängt nicht nur vom Verhalten des Kindes, sondern auch vom eigenen Gefühlszustand ab.
  • Kaum bewegen wir uns im selben Raum, gibt unser Verhalten Hinweise darauf, wie wir uns fühlen.
  • In einem Haushalt mit Eltern und Kindern sind es also ganz schön viele Informationen zum Zustand der Befindlichkeit, der Gefühle und Bedürfnisse der unterschiedlichen Personen, die aufeinandertreffen.

Beziehungsstärkende Kommunikation

Die Jacke liegt noch immer auf dem Boden, der Schulranzen hat den dafür vorgesehenen Abstellplatz verfehlt, die Türe zittert noch leicht vom Zuschlagen. Warum verhält sich das Kind so? Weshalb ist es ihm jetzt gerade nicht möglich, den Schulranzen zu versorgen? Warum ist es mir wichtig, darauf zu bestehen?

Werden die eigenen Werte vertreten und ist die Kommunikation wertschätzend, ist schon ganz viel getan. Vielleicht reicht eine Umarmung vor der Aufforderung, vielleicht ein Zvieribrötli, um nachher die Energie dafür zu finden. «Die Bedürfnisse des Gegenübers wahrzunehmen und anzuerkennen, ist schon ein gutes Stück in die Richtung einer positiven, beziehungsstärkenden Kommunikation», sagt Kinderpsychologin Senti. «Das hilft, an dem dranzubleiben, was einem als Elternteil wichtig ist, und gleichzeitig den Beziehungsfaden Stück für Stück weiterzuspinnen.»

Glossar

  • Verbale Kommunikation: Gesprochene Sprache
  • Nonverbale Kommunikation: Mimik und Gestik
  • Paraverbale Kommunikation: Die Art und Weise, wie etwas gesagt wird (zum Beispiel Lautstärke der Stimme, Sprechtempo, Tonfall).
  • Sender bzw. Senderin: Die Person, die eine Botschaft übermittelt.
  • Empfänger bzw. Empfängerin: Die Person, die eine ­Nachricht erhält und sie entschlüsselt.
  • Direkte Kommunikation: Die eigenen Gedanken werden ohne Umschweife mitgeteilt.
  • Indirekte Kommunikation: Die eigentliche Botschaft wird durch Anspielungen, Ironie usw. verschlüsselt und muss vom Gegenüber gedeutet werden.

Susanna Valentin
schätzt das durchlässige Schweizer Bildungssystem und hat es gleich selbst genutzt. Vor vier Jahren liess sich die diplomierte Heil- und Sozialpädagogin zur Fachjournalistin ausbilden.

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