Wie Elternmitarbeit in der Schule gelingt
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Wie Elternmitarbeit in der Schule gelingt

Lesedauer: 4 Minuten

Nicht nur die Eltern haben hohe Erwartungen an die Schule, auch die Schule hat grosse Ansprüche an die Eltern. Vertrauen sich Schule und Eltern gegenseitig und packen gemeinsam an, profitieren alle davon, insbesondere die Schülerinnen und Schüler.

Text: Lisa Lehner
Bild: Adobe Stock

Ich war schwanger mit unserem ersten Kind und weiss noch genau, wie ich meinen Eltern diese wunderbare Neuigkeit mitteilte. Natürlich freuten sich die zukünftigen Grosseltern über das bevorstehende Ereignis. Etwas beiläufig sagte meine Mutter dann jenen Satz, der mich zweifeln liess: «Mein Kind, nun bekommst du das schönste Geschenk, das das Leben für einen bereithält. Mit der Geburt eures Kindes bist du mit ihm verbunden und hast eine Aufgabe, die dich dein Leben lang fordern wird.»

Längst weiss ich, wie recht meine Mutter hatte.

Elternsein ist eine wunderbare und anspruchsvolle Lebensaufgabe. Das Kind macht in den ersten Lebensjahren die grössten Entwicklungsschritte. Dann kommt es ins System Schule. Nun heisst es loslassen und doch weiterhin die Elternpflichten wahrnehmen. Verständlich, dass alle Eltern die bestmögliche Förderung für ihr Kind wünschen.

Elternmitarbeit gelingt nur, wenn sich Schule und Elternhaus auf Augenhöhe begegnen.

Die meisten Eltern sind gerne bereit, Schule und Lehrpersonen bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Tatsächlich weiss man aus der Forschung, dass es für die gesunde Entwicklung eines Kindes von grosser Bedeutung ist, dass Eltern und Lehrpersonen einen regelmässigen Kontakt pflegen und sich bei Schwierigkeiten oder Problemen gegenseitig unterstützen. Dies kann aber nur gelingen, wenn sich Lehrkräfte und Eltern auf Augenhöhe begegnen, wenn sie einander in den unterschiedlichen Rollen als Expertinnen und Experten akzeptieren und bereit sind, voneinander zu lernen.

Persönliche Begegnungen bleiben wichtig

Vor 30 Jahren schuf ich als Lehrerin zahlreiche Möglichkeiten, damit  die Mütter und Väter meiner Schülerinnen und Schüler untereinander und mit mir in Kontakt treten konnten. Die Eltern erhielten Wochen­informationen zu den Lernzielen und zu geplanten Klassenaktivitäten. Es fanden regelmässig Einzelgespräche, Elternabende und Informationsveranstaltungen am Morgen statt. Mir waren auch informelle Angebote wichtig, wie beispielsweise ein monatlicher freiwilliger Elternstamm im Dorfrestaurant, Mitwirkungsmöglichkeiten bei Klassenanlässen oder ein Besuchstag im Klassenlager.

Heute ist es schwieriger geworden, Eltern für Aktivitäten zu gewinnen, da viele im Berufs- und Familienalltag sehr gefordert sind. Ausserdem gibt es neue Möglichkeiten, um mit Eltern in Kontakt zu kommen: regelmässige Treffen über Videocalls, Elternchats und Klassenwebsites. Die Digitalisierung wird in Zukunft den Austausch noch mehr erleichtern, sollte aber die wertvollen persönlichen Begegnungen keinesfalls ersetzen.

Positive Haltung der Eltern gegenüber der Schule fördern

Nun bin ich seit bald 25 Jahren Schulleiterin. Zu meinen vielfältigen Aufgaben zählen der Aufbau und die Förderung der Elternzusammenarbeit:

  • Die Eltern sind grundsätzlich an der Schule willkommen. Ich lege grossen Wert darauf, dass man einander mit Respekt begegnet. Die positive Haltung der Eltern gegenüber der Schule als auch jene der Schule gegenüber den Eltern ist eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
  • Ich bespreche das Thema Elternmitarbeit auf Klassenebene regelmässig mit den Lehrpersonen und vereinbare verbindliche Regeln. Auf die verschiedenen Lebensverhältnisse der Eltern nehmen wir Rücksicht. Wir streben eine gemeinsam getragene Kultur der Elternzusammen­arbeit an.
  • Ich bin verantwortlich dafür, dass die Eltern relevante Schulinformationen rechtzeitig erhalten, jedoch nicht mit Mitteilungen überschwemmt werden.
  • Die Eltern wissen, an wen sie sich bei Fragen wenden können. Sie kennen die Erreichbarkeit von Lehrpersonen, Schulleitung und Schulsekretariat.
  • An der Schule gibt es Möglichkeiten zur Elternmitwirkung.

Die Auflistung ist nicht abschliessend. Die vermutlich wichtigste ­Aufgabe für Lehrpersonen und Schulleitung ist der Aufbau von gegenseitigem Vertrauen. Eine solide Vertrauensbasis ist die wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Miteinander. Einerseits sollen die Eltern die Gewissheit haben, dass die Schule ein sicherer Ort für ihr Kind ist. Andererseits müssen sie darauf vertrauen können, dass die Lehrpersonen Fachleute für das Lernen sind und sich jeden Tag für die Förderung ihres Kindes einsetzen.

Elternmitarbeit, praktisch ­umgesetzt

In zwei Schulen durfte ich zusammen mit interessierten Eltern ein Konzept für einen Elternrat erarbeiten. Dieser Prozess war für alle Beteiligten enorm bereichernd.

Meine Erfahrungen bei der Umsetzung von nachhaltiger Eltern­mitarbeit sehen wie folgt aus:

  1. Eine gemeinsame, konkrete Aufgabe fördert die Beziehung zwischen Schule und Eltern.
    Eltern konnten ihr Bedürfnis, die Schule konkret zu unterstützen, endlich verwirklichen. Zugleich lernten sie den «Arbeitsort» ihres Kindes besser kennen. Die Schule schätzte es, dass sie das Interesse der Eltern abholen konnte und bei gewissen Aufgaben und Aktivitäten Unterstützung erfuhr.
  2. Gespräche und Diskussionen zwischen Lehrpersonen und Eltern sind für beide Seiten bereichernd.
    Die Konzeptentwicklung begann damit, dass sich die Eltern Gedanken zu ihren Ansprüchen an eine gute Schule machten und die Ergebnisse zusammen diskutierten. Auch die Lehrpersonen definierten ihre wichtigsten Indikatoren für eine gute Schule. Die Ergebnisse aus beiden Gruppen wurden verglichen, diskutiert und Gemeinsamkeiten festgehalten.
  3. Eltern lernen Grenzen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der Schule kennen.
    In einem nächsten Schritt wurde in der Gruppe der Konzeptentwicklerinnen und -entwickler aufgezeichnet, wie Elternräte unterstützen und mithelfen können.
  4. Bei der Konzeptarbeit entstehen Ideen für ein gutes Miteinander von Schule und Elternhaus.
    In der einen Schule machte sich der Elternrat zur Aufgabe, einen fehlenden Spielplatz für die Mittelstufenkinder in Eigenarbeit mit allen interessierten Eltern aufzubauen und für die Finanzierung zu sorgen. Eine Aufgabe, die sich über mehrere ­Jahre erstreckte und immer wieder zu wunderbaren Aktivitäten zwischen Schülerinnen, Lehrern und Eltern führte.

Das Elternnetz der multikulturellen Quartierschule machte es sich zur Aufgabe, liegen gebliebene Kleider zu reinigen, wo nötig zu flicken, nach Grösse zu sortieren und in beschrifteten Kisten im Keller des Schulhauses zu deponieren. Eine wunderbare Unterstützung für die Klassen, die das Draussenlernen praktizieren: Immer wieder kamen Kinder mit unpassenden Outfits für den Draussenunterricht zur Schule. Die Lehrpersonen können nun unkompliziert ein paar passendere Kleidungsstücke für diese Kinder im Keller holen.

Fazit: Die Schule braucht die Eltern! Ihr Interesse, ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit und ihre positive Einstellung zur Schule begünstigen das Lernklima für die Kinder. Der Schule muss es gelingen, eine vertrauenswürdige Beziehung zu den Eltern aufzubauen, damit unsere Schülerinnen und Schüler die besten Voraussetzungen fürs Lernen haben.

Lisa Lehner VSLCH

Lisa Lehner
ist Vizepräsidentin des Deutschschweizer Schulleiterinnen- und Schulleiterverbands. Sie ist gelernte Primarlehrerin und Schulleiterin. In den 20 Jahren, welche sie in der Leitung der Volksschule Baden tätig war, führte sie neun Jahre lang als Schulleiterin den Kindergarten und die Primarschule in Baden-Rütihof.

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