Meine 3 Höhepunkte als Schulleiterin
Welche Ereignisse und Begegnungen vergisst eine Schulleiterin auch nach 20 Jahren nicht? Lisa Lehner blickt nach ihrer Pensionierung auf drei bewegende Momente zurück.
Mehr als 20 Jahre durfte ich den wunderbaren und mitunter anspruchsvollen Beruf der Schulleiterin ausüben. Die ersten vier Jahre hatte ich die Gesamtleitung der Stufe Kindergarten/Primarschule Baden inne. Danach übernahm ich für zwei Jahre die Schulleitung im Schulhaus Höchi Dättwil. Weitere neun Jahre führte ich die Schule im Badener Quartier Rütihof, und die letzten fünf Jahre war ich, ebenfalls in Baden, an der Schule Meierhof tätig.
Wenn man mich nach den spannendsten Geschichten aus diesen zwei Jahrzehnten fragen würde, käme ich aus dem Erzählen gar nicht mehr raus. Für diese Kolumne habe ich drei Anekdoten aus der Anfangs- zeit als Gesamtschulleiterin der Stufe KP und der Zeit im Quartier- schulhaus Rütihof herausgepickt.
Manege frei!
Da sassen wir im Jahr 2002 an unseren Pulten, mein Kollege und ich, als neu gewählte Schulleitende der Stufe Kindergarten/Primarschule. Unsere Aufgabe war es, die Leitung des Kindergartens (zuvor durch die Schulpflege betreut) und der Primarschule (zuvor ein Teil des Rek- torats der Oberstufe) neu zu organisieren.
Die Fragestellung lautete: Wie erreichen wir ein neues Wir-Gefühl für die ganze Schule? Die zündende Idee kam mit einem Zirkus, der in der Nähe gastierte.
Baden hatte damals sechs Primarschulhäuser und 16 Kindergärten – eine grosse neue Führungseinheit. Wir überlegten uns, wie wir zwei Schulleitenden, die Lehrpersonen und die Schulkinder gemeinsam ein neues Wir-Gefühl für die grosse Stufe entwickeln könnten. Die zündende Idee kam uns, als ein Zirkus in der Nähe von Baden gastierte.
Wir luden alle Schulkinder mit ihren Lehrpersonen zu einer schulinternen Zirkusvorstellung ein. Der Anblick, als Kinder und Lehrpersonen schulhausweise von allen Richtungen auf das Zirkusgelände strömten, war einzigartig und liess uns spüren, für wen wir unsere grosse Schulleitungsaufgabe motiviert in Angriff nehmen würden.
Als Zirkusdirektor und Zirkusdirektorin verkleidet begrüssten wir zu Beginn der Vorstellung rund 100 Lehrpersonen und 1000 Schulkinder. Das grosse Staunen, das herzhafte Lachen und die strahlenden Kinderaugen zeigten uns, dass wir unserem Ziel näher gekommen und der Einstieg in das neue Wir-Gefühl gelungen war.
Schulraum gesucht
Ab dem Schuljahr 2008/09 war ich Schulleiterin des Standorts Rütihof. Im Schuljahr 2015/16 sollte der Bau eines neuen Schulgebäudes in Angriff genommen werden. Als mit den Vorbereitungen vor Ort begon- nen wurde, stellte man fest, dass der Untergrund zu wenig stabil war; es mussten Pfähle in den Boden gerammt werden.
Mitten in den Herbstschulferien erhielt ich einen Anruf: Das Unterrichten in allen Schulräumen des Kindergartens und der Primarschule sei für zwei bis drei Wochen nach den Herbstferien wegen zu hohen Lärmemissionen nicht möglich. Mir blieben genau sieben Tage Zeit, um Ersatzräume zu finden und den Schulunterricht anzupassen: Ich startete Anfragen bei der Stadt, bei Vereinen, Privaten und bei Nachbargemeinden, stellte ein gesamtschulisches Unterrichtsprogramm für 14 Klassen zusammen und versuchte alle Lehrpersonen zu erreichen, was sich als nicht ganz einfach erwies – die meisten waren ja noch in den Ferien.
Jedes Kind soll in seiner Einzigartigkeit jeden Tag mit Freude und Neugier in die Schule kommen können. Diese Vision gab meiner Arbeit stets einen Sinn.
Mit allseits viel Goodwill und Flexibilität konnte der Schulbetrieb schliesslich in diverse Ersatzräume verlegt werden: «Zweckentfremdet» wurden ein Feuerwehrmagazin, eine Waldhütte, ein Gemeinschaftsraum, eine Wohnsiedlung, ein Werkhofraum, ein Bauernhof und zwei Museen.
Für die Eltern und ihre Kinder folgten drei Wochen mit einem abwechslungsreichen Stunden- und Unterrichtsplan in wechselnden Umgebungen. Für die Lehrpersonen erforderte der Unterricht viel Flexibilität und Improvisationstalent. Insgesamt war es eine Zeit, die allen Beteiligten in unvergesslicher Erinnerung bleibt und viele positive Spuren hinterlassen hat.
Natürlich mischen
Jedes Kind soll in seiner Einzigartigkeit jeden Tag mit Freude und Neugier zum Unterricht kommen können. Diese Vision gab meiner Tätigkeit stets den Sinn und mir die dauerhafte Motivation.
Einen grossen Schritt in diese Richtung machte ich mit meinem Schulteam, als wir das altersdurchmischte Lernen – drei Klassen in einer Abteilung – in Rütihof einführten. Für die Kinder ist diese Zusammensetzung sehr natürlich, wird in der Familie so gelebt, und gibt ihnen die Möglichkeit, von den älteren Schulkindern zu lernen oder die Jüngeren beim Lernen zu unterstützen; die sozialen Kompetenzen werden so in hohem Masse gefördert.
Ich bin den Lehrpersonen dankbar, dass sie den neuen Weg mitgegangen sind.
Wenn Kinder aus drei und mehr Jahrgängen in einer Klasse sitzen, muss der Unterricht auf die Heterogenität, also auf die Unterschiedlichkeit der Schulkinder ausgerichtet sein. Teamarbeit mit dem Stufenkollegium ist zwingend nötig. Für die Lehrpersonen war dies eine grosse Herausforderung. Noch heute bin ich den beteiligten Lehrpersonen unendlich dankbar, dass sie bereit waren, den neuen Weg mit mir zu gehen.
- Wenn wir es fertigbringen, ein vertieftes Wir-Gefühl bei Kindern, Lehrpersonen, Schulpersonal und Eltern zu wecken, kann Schule wunderbar gelingen.
- Gelassenheit und Flexibilität sind wichtige Faktoren, damit die Schule lebendig und farbig ist und bleibt.
- Wenn wir meinen, der Unterricht komme zu kurz, weil besondere Anlässe den Schulalltag «stören», lernen die Kinder oft besonders viel fürs Leben.
Auch für die Eltern war die Umstellung auf das altersdurchmischte Lernen nicht immer einfach zu verstehen. Unsicherheiten, Ängste und Zweifel kamen auf, was verständlich war. Um diese zu beseitigen, brauchte es viele Gespräche. Umso wertvoller war es, dass die Gruppe der damals noch jungen Elternmitwirkung hinter uns stand und viel zum Erfolg beigetragen hat.