Wie geht die Schule mit Mobbing an Lehrpersonen um?
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Wie geht die Schule mit Mobbing an Lehrpersonen um?

Lesedauer: 4 Minuten

Der Fall des geschassten schwulen Lehrers in Pfäffikon ZH hat für Schlagzeilen gesorgt. Zu Recht, denn das Verhalten der Schulleitung wie der Eltern darf nicht Schule machen. Gefragt ist vielmehr eine Kultur des gegenseitigen Respekts.

Text: Dagmar Rösler
Bild: Adobe Stock

Dieses Frühjahr trug sich in Pfäffikon im Kanton Zürich ein Vorfall zu, der hohe Wellen geschlagen hat. Ein homosexueller Lehrer verlor seine Stelle, nachdem er von wertkonservativen Eltern massiv kritisiert worden war.

Am Anfang dieses Konflikts stand der Sexualkundeunterricht des besagten Lehrers. Obwohl er sich gemäss Medienberichten mit seiner Stufenkollegin über den Inhalt und die Durchführung des entsprechenden Unterrichts absprach und sich während dessen Durchführung stets eine Schulassistenz im Schulzimmer befand, wurde er von einer Elterngruppe massiv angegriffen. Trotz starker Unterstützung vonseiten seiner Kolleginnen und Kollegen und auch einer anderen Elterngruppe knickten die Schul­leitung und die Schulbehörde ein und entliessen den Lehrer.

Diese Geschichte steht für ein Phänomen, welches der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) in seiner Gewalt­studie von 2023 bereits öffentlich gemacht hat. Die besagte Studie deckte auf, dass zwei von drei Lehrpersonen in den vergangenen fünf Jahren Gewalt erlebt hatten.

Die Resultate basierten auf einer repräsentativen Umfrage unter Lehrerinnen und Lehrern aller Stufen aus der Deutschschweiz. Am häufigsten waren sie psychischer Gewalt in Form von Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen oder Einschüchterungen ausgeliefert. Und am häufigsten ging diese von Erziehungsberechtigten aus.

Dieser Fall verunsichert viele

Zurück zum Fall in Pfäffikon, welcher gleich in zweierlei Hinsicht problematisch ist. Erstens erhielt der betroffene Lehrer keine nachhaltige Unterstützung vonseiten der Schulleitung, obwohl er sich gemäss aktuellem Kenntnisstand nichts hatte zuschulden kommen lassen. Zweitens zeigt sich, dass der Lehrer nicht aufgrund seines Unterrichts, sondern aufgrund seiner Homo­sexualität von Eltern diskriminiert und gemobbt wurde.

Roman Heggli, Geschäftsführer von Pink Cross, weiss aus vielen Rückmeldungen, wie sich queere oder homosexuelle Arbeitnehmende in einem homophoben (Arbeits-)Umfeld fühlen, und sagt dazu: «Ein solcher Fall von Diskriminierung hat nicht nur Auswirkungen auf die direkt betroffene Person, sondern auf die gesamte Community – und im Speziellen auf Personen in ähnlichen Situationen. Auch andere queere Lehrpersonen hat dieser Fall verunsichert und sie stellen sich die Frage, ob dies auch ihnen passieren könnte. Umso wichtiger ist es, dass die Gesellschaft sie in solchen Situationen nicht allein lässt, sondern sich gegen Diskriminierung einsetzt und Zivilcourage zeigt!»

Die Berufsethik der Lehrpersonen

Die oben beschriebene Geschichte ist in diesem Ausmass ein Einzelfall. Trotzdem ist sie ein trauriges Exempel – und sie wirft Fragen auf über den Umgang miteinander, die verschiedenen Aufträge und Verantwortlichkeiten von Lehrpersonen, Schulleitungen und Behörden in der Schule.

Die Volksschule ist die letzte Klammer der Gesellschaft. Sie ist ein Ort, an dem Schülerinnen und Schüler aus vielen verschiedenen Ländern, Familienmodellen und Bildungsschichten mit unterschiedlichen politischen Gesinnungen, Begabungen, Religionen und vielfältiger geschlechtlicher Orientierung und ungleichem Aussehen zusammenkommen.

Das professionelle pädagogische Handeln von Lehrper­sonen basiert auf rechtlichen Grundlagen und anerkannten Konventionen. Es hat die Menschenwürde, die Persönlichkeiten aller Beteiligten zu achten und alle mit gleicher Sorgfalt und unter Vermeidung von Diskriminierung zu behandeln.

Erziehungsberechtigte dürfen auf vorgegebene Unterrichtsinhalte keinen Einfluss nehmen.

In einer individualisierten Welt und Gesellschaft braucht dies vonseiten der Lehrerschaft einen hohen Wissensstand, viel Sensibilität, Fingerspitzengefühl und Verständnis gegenüber den jungen Menschen. Angestrebt wird eine Schule, in welcher alle Schülerinnen und Schüler von allen Formen von Rassismus, Vorurteilen, Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Familienstand, sexueller Orientierung, Alter, Religion, politischer Einstellung, sozialem und ökonomischem Status geschützt werden.

Aufgaben von Lehrpersonen

Die Hauptaufgabe von Lehrpersonen ist die gezielte und auf aktuellen wissenschaftlichen und berufspraktischen Erkenntnissen basierende Planung, die Organisation und Durchführung des Unterrichts, die Reflexion von Lehr- und Lernprozessen sowie ihre systematische Bewertung. Dieses professionelle Handeln fusst auf den Inhalten des aktuell gültigen Lehrplans. Die Inhalte und zu vermittelnden Kompetenzen sind für Lehrpersonen verbindlich.

Alle Beteiligten müssen dazu beitragen, dass die Schule ein Ort ist, an dem man angstfrei, respektvoll und tolerant miteinander umgeht.

Ausserdem haben Lehrerinnen und Lehrer auch eine Verantwortung gegenüber den Erziehungsberechtigten wahrzunehmen. Sie verstehen die Förderung der Schülerinnen und Schüler als gemeinsame Aufgabe von Schule, Erziehungsberechtigten und anderen an der Schule beteiligten Fachpersonen. Die systemische Arbeit mit den Erziehungsberechtigten ist eine wichtige Grundlage für den Schulerfolg und das allgemeine Wohl der Kinder und Jugendlichen.

Die Erziehungsberechtigten wiederum sind verantwortlich für die Erziehung ihrer Kinder, deren regelmässigen Schulbesuch und die Erfüllung der Schulpflicht. Auf vorgegebene Unterrichtsinhalte dürfen sie jedoch keinen Einfluss nehmen.

Zusammenarbeit statt Spaltung

Qualitativ hochwertige öffentliche Bildung und Erziehung ist ein Eckpfeiler jeder demokratischen Gesellschaft. Sie ist ein hohes Gut und kann nur funktionieren, wenn die Kultur des gegenseitigen Respekts und der gegenseitigen Wertschätzung von allen getragen wird. Misstrauen, vehemente Einflussnahme, Diskriminierung und gar Mobbing gegenüber Lehrpersonen schwächen die Volksschule in einer bereits angespannten Lage.

Genauso wie man von Lehrpersonen erwarten kann, dass sie mit pädagogischer Professionalität handeln und ihre Schülerinnen und Schüler so annehmen und respektieren, wie sie sind, darf man das in umgekehrter Sicht auch von Erziehungsberechtigten erwarten.

Die allermeisten Eltern achten und wertschätzen die Rolle und Aufgabe der Lehrpersonen ihrer Kinder. Dies zeigt sich im Übrigen deutlich in der jüngsten Berufszufriedenheitsstudie des LCH. Lehrerinnen und Lehrer geben der Zusammenarbeit mit den Eltern eine gute Note. Auf diese konstruktive Kooperation sind Lehrerinnen und Lehrer angewiesen, um in ihrem Beruf langfristig gesund bleiben zu können.

Alle an der Schule Beteiligten haben die Aufgabe, mit Überzeugung dazu beizutragen, dass die Schule ein Ort bleibt, an welchem man in einer angstfreien, respektvollen und toleranten Umgebung leben und arbeiten kann.

Dieser Text enthält Sätze, die aus der kürzlich verabschiedeten und aktualisierten Berufsethik des LCH entnommen sind. Die LCH-Berufsethik beschreibt die Verantwortlichkeiten des beruflichen Handelns und ist ab Herbst 2024 auf www.lch.ch öffentlich einsehbar.

Dagmar Rösler
ist Primarlehrerin in Bellach SO und Präsidentin des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH.

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