Cybermobbing: Wenn das Handy zur Waffe wird
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Wenn das Handy zur Waffe wird

Lesedauer: 10 Minuten

Cybermobbing ist für betroffene Jugendliche und deren Angehörige extrem belastend. Doch wie kommt es überhaupt dazu? Wie lässt sich das üble Treiben stoppen? Und welche Rolle spielt die Schule?

Text: Mirjam Oertli
Bilder: Mara Truog / 13 Photo

Private Fotos einer Mitschülerin ungefragt an andere schicken, verletzende Nachrichten im Klassenchat posten, jemanden per Sprachnachricht demütigen: Dass es Kinder und Jugendliche gibt, die im Netz gemein behandelt oder gar gemobbt werden, ist leider Realität.

Zwei von fünf Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren haben schon einmal erlebt, dass Falsches oder Beleidigendes in Chats über sie verbreitet wurde. Das zeigt die James-Studie 2022 der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). James steht für Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz. Auch auf die Frage «Wollte dich schon mal jemand im Internet fertig machen?» antworteten fast 30 Prozent der Studienteilnehmenden mit Ja.

Mehr Zeit im Netz bedeutet mehr Risiko für Cybermobbing.

Gregor Waller, Medienpsychologe

«Der Umgangston ist online rauer geworden», sagt Gregor Waller, Medienpsychologe und Co-Projektleiter der James-Studien. Man sehe dies auch daran, dass die Ja-Antworten auf die erwähnte Frage in den letzten sechs Jahren um fast zehn Prozent gestiegen seien.

Was allerdings nicht heisse, dass es auch mehr Cybermobbing-Fälle gebe. Schliesslich könne auch jemand mit Ja antworten, der einmal im Netz beleidigt worden ist oder Hänseleien erleben musste. Dies gilt jedoch noch nicht als Mobbingfall. «Unsere Untersuchungen zeigen aber klar, dass Jugendliche ihre Geräte heute insgesamt länger nutzen. Mehr Zeit im Netz bedeutet mehr Risiko für Cybermobbing», sagt Waller.

Keine einheitliche Definition von Cybermobbing

Andere Studien nennen konkrete Zahlen zu Cybermobbing. So kommt die «EU Kids Online Schweiz 2019»-Studie» zum Ergebnis, dass ein bis fünf Prozent der befragten 9- bis 16-Jährigen von Cybermobbing betroffen sind. Die Studie ist Teil eines multinationalen Forschungsprogramms, das den Umgang mit dem Internet und den erlebten Risiken von Jugendlichen in zahlreichen europäischen Ländern untersucht.

Diese Zahl, so Studienautor Martin Hermida, sei in den letzten Jahren konstant geblieben und entspreche jenen in anderen Ländern Europas. «Das Bezeichnende an Cybermobbing ist nicht, dass es in der von uns erfassten Schwere extrem oft vorkommt. Sondern dass es, wenn es vorkommt, für Betroffene extrem schlimm ist», sagt Hermida. Die Studie klassifiziert virtuelle Gemeinheiten dann als Cybermobbing, wenn diese mindestens einmal wöchentlich stattfinden. 13 Prozent der befragten Jugendlichen gaben an, dass sie gelegentliches gemeines Verhalten in der digitalen Welt erleben.

Jugendliche, die gemobbt werden, lassen sich aus Scham oft nichts anmerken, obwohl sie enorm leiden.

Wann also ist das «Fick dich!» per Whatsapp, ein «OMG, du hässliche Schlampe» unter dem Insta-Foto oder ein verunstaltetes oder intimes Bild, das weiterverbreitet wird, «nur» gemein? Und wann wird es zum Cybermobbing?

«Wie schlimm etwas empfunden wird, hängt nicht allein von der Häufigkeit der Attacken ab, sondern auch vom individuellen Kontext und subjektiven Empfinden», sagt Martin Hermida. «Es kann auch sein, dass ein Kind nur alle zwei Monate online gemobbt wird, aber trotzdem stark darunter leidet.»

Dem Publikum kommt eine zentrale Rolle zu: Würde niemand hinschauen, hätten Mobbende keine Resonanz.

Es gibt keine einheitliche Definition von Cybermobbing. Die Schweizerische Kriminalprävention spricht von mehreren Täterinnen oder Tätern, die eine Person via Internet oder Handy über einen längeren Zeitraum absichtlich beleidigen, bedrohen, blossstellen oder belästigen. Nach anderen Definitionen kann die Aggression auch von einer einzelnen Person ausgehen. Viele Beschreibungen lehnen sich an Definitionsmerkmale des traditionellen Mobbings an – wie Machtungleichgewicht, Absicht und Wiederholung. Fraglich bleibt, ob sich diese problemlos auf Cybermobbing übertragen lassen.

Scham, Angst und Wut

«Wenn man Cybermobbing auf Kriterien wie ‹wiederholt› oder ‹längerfristig› reduziert, stehen mir die Haare zu Berge», sagt die Elternberaterin Christelle Schläpfer aus Winterthur. Mit virtuellen Gemeinheiten könne man jemanden innert zehn Tagen kaputt machen. «Da kann man nicht warten, bis sich Vorfälle x-mal wiederholen.» Als Mobbingexpertin begleitet Schläpfer Eltern und Schulen, zeigt in Kursen und Vorträgen, was Mobbing und Cybermobbing auslösen können: «Scham, Angst, Wut und bleibende Wunden.»

Cybermobbing passiert oft, ohne dass Eltern oder Lehrpersonen davon wissen. Kinder und Jugendliche, die online gemein behandelt werden, weihen der «EU Kids Online Schweiz 2019»-Studie zufolge am ehesten einen Freund oder eine Freundin ein. 20 Prozent erzählen es niemandem. Laut der Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing gehört es oft zur «Überlebensstrategie» Betroffener, sich nichts anmerken zu lassen. Anzeichen, die es doch gibt, sind diffus: Niedergeschlagenheit etwa, ein Leistungsabfall oder häufige Absenzen in der Schule, Kopf- oder Magenschmerzen, ein Rückzug in andere Welten oder Wut.

Eltern erleben oft viel Macht- und Hilflosigkeit, wenn ihr Kind gemobbt wird.

Von vielen Lehrpersonen hört Christelle Schläpfer Sätze wie: «Ich bin ja nicht im Klassenchat drin. Wie soll ich etwas merken?» Dieses Argument lässt die ehemalige Gymilehrerin nicht gelten. «Wenn ich feinfühlig bin und meine Schülerinnen und Schüler kenne, merke ich, wenn etwas mit der Klassendynamik nicht stimmt. Wenn beispielsweise ein Kind nicht mehr in Gruppenarbeiten eingebunden ist oder oft ausgelacht wird.»

Die Expertin stellt in Schulungen für Lehrpersonen zudem fest, dass viele ein falsches Bild von Mobbing oder Cybermobbing haben. «Oft wollen sie es lösen wie einen Konflikt zwischen zwei Parteien. Doch damit giesst man Öl ins Feuer.»

Eine perfide Dynamik

Bei Mobbing geht es nicht um Meinungsverschiedenheiten zwischen Person A und Person B. Mobbing beruht auf einer Eigendynamik, die überall und jederzeit entstehen kann. Es ist eine besondere Form von Gewalt, die in verschiedenen Varianten auftreten kann: verbal, physisch und psychisch. Täterinnen und Täter von Cybermobbing verfolgen das Ziel, sich selbst besser zu fühlen, indem sie eine andere Person blossstellen oder abwerten.

Ohne klassisches Mobbing mit Augenrollen und Ausschliessen entsteht selten Cybermobbing.

Neben Täter und Opfer kommt dem Publikum eine zentrale Rolle zu. Schaute niemand hin, hätten Mobbende keine Resonanz und würden das Interesse bald verlieren. Dabei gehören neben Mitläufern, die teilnehmen oder «applaudieren», auch jene Zuschauenden dazu, die scheinbar unbeteiligt sind. «Auch sie tragen dazu bei, dass es nicht aufhört», sagt Schläpfer. «Durch ihr Schweigen geben sie die Erlaubnis zum Weitermachen.»

Es sind komplexe gruppendynamische Prozesse, die Mobbing und Cybermobbing auszeichnen und die sich teilweise über Jahre hinweg fortsetzen. «So entstehen die meisten Cybermobbing-Fälle aus herkömmlichem Mobbing, das schon in unteren Schulstufen begann und dort nicht sauber gelöst wurde», sagt Schläpfer.

Ausweitung in den digitalen Raum

Dem stimmen Bettina Dénervaud und Pascal Kamber zu. Die beiden Mobbing-Fachpersonen haben 2019 die Fachstelle «Hilfe bei Mobbing» gegründet. Sie ist im Raum Bern und Luzern beheimatet und bietet in der ganzen deutschsprachigen Schweiz Beratung für Eltern, Seminare für Schulen sowie Interventionen vor Ort an.

«Oft wird Cybermobbing isoliert betrachtet», sagt Dénervaud. Doch ohne klassisches Mobbing mit Augenrollen, Ausschliessen und allem, was dazugehört, entstehe selten Cybermobbing. «Von wenigen Ausnahmen abgesehen, etwa wenn Hatespeech Kreise zieht, kennen sich Mobbende und Betroffene.»

Wenn Jugendliche gemobbt werden, schreibt die EU-Plattform Klicksafe.de auf ihrer Website, sei davon auszugehen, dass dies sowohl offline als auch online stattfinde: «Die analoge und die digitale Welt von Kindern und Jugendlichen überschneiden sich nahtlos und müssen daher gemeinsam betrachtet werden.»

Oft lassen sich Mobbing und Cybermobbing nicht trennen. Pascal Kamber gibt ein Beispiel: Werde ein Mobbingopfer auf dem Pausenplatz verprügelt, entstehe davon schnell ein Video, das auf Tiktok verbreitet werde. «Das Digitale wirkt dabei als Katapult, wie ein verlängerter Arm, der das klassische Mobbing schlimmer macht.» Dénervaud kennt eine Familie, die umzog, weil ihr Kind gemobbt wurde. Ein anderes betroffenes Kind habe seiner Mutter mehrmals gesagt, es wäre besser, es wäre nicht mehr da.

Die gesundheitlichen Folgen

Kopfschmerzen, Bauchweh, Schlafstörungen, Nervosität, Appetitlosigkeit: Die Liste möglicher körperlicher Reaktionen auf Cyber­mobbing ist lang. Und lässt sich ergänzen mit zahlreichen psychischen und sozialen Auswirkungen wie Aggressionen, Niedergeschlagenheit, erschüttertem Selbstvertrauen, Leistungsabfall, Schulabsentismus, sozialem Rückzug und Einsamkeit.

Neben einem erhöhten Depressionsrisiko und einem verstärkten Angsterleben wird auch selbstverletzendes und suizidales Verhalten als Folge von Cybermobbing beschrieben.

Kurzfristige Folgen – sich verletzt fühlen oder verängstigt sein – treten dabei akut in der Belastungssituation auf. Andere, teilweise gravierende mentale Gesundheitsprobleme, halten oft dauerhaft an. Besonders emotional belastend ist es gemäss Studien für Betroffene, wenn Attacken sexuelle Aspekte beinhalten.

Häufig überschneidet sich das Profil des Mobbenden mit dem des Opfers. Die Täter sind oft hyperaktiv, narzisstisch und gewaltbereit, leiden unter Depressionen und weisen ein geringes Selbstbewusstsein und Empathievermögen auf.

Während klassisches Mobbing oft früh beginnt – Kamber berät regelmässig Eltern von Kindergartenkindern –, erweitern Smartphones bloss die Möglichkeiten. Wer «nur» offline gemobbt wird, hat wenigstens im geschützten Zuhause Verschnaufpausen. Cybermobbing dagegen bedeutet Dauerbelastung und Dauerstress während 24 Stunden am Tag.

«Oft sagen Eltern: ‹Schalt doch einfach das Gerät aus›», sagt Dénervaud. «Aber das Kind weiss ja, dass die Beleidigungen weiterlaufen. Und irgendwann muss es wieder einschalten. Kann es das nur mit Herzklopfen, bringt ihm Ausschalten nichts.»

Jungs mobben öfter als Mädchen

Der Klassenchat ist laut Kamber ein klassischer Ort, an dem über analoges Mobbing hinaus gemobbt wird. Direkte Nachrichten und soziale Medien sind der «EU Kids Online Schweiz 2019»-Studie zufolge die häufigsten Kanäle für Attacken, im Vergleich weniger bedeutend sind Onlinespiele. Betrachtet man allerdings nur die Antworten der Jungs, zeigt sich, dass Spiele für sie der häufigste Cybermobbing-Schauplatz sind. Auch Pascal Kamber kennt Beispiele: «Die Betroffenen werden als Einzige nicht zum Spiel eingeladen, in Rollenspielen ausgeschlossen oder fertig gemacht.»

Mädchen sind laut Studien dagegen fast doppelt so häufig wie Jungs von sexueller Belästigung sowie beleidigenden und falschen Äusserungen im Netz betroffen. Mobbende seien allerdings häufiger Jungs als Mädchen.

Online sind herabsetzende Nachrichten schnell geschrieben.

Die heftigsten Cybermobbing-Fälle, mit denen Pascal Kamber in letzter Zeit zu tun hatte, drehten sich um Sexting. Er schildert die Geschichte eines jugendlichen Paares, das sich getrennt hatte. Aus Rache oder Enttäuschung verbreitete der junge Mann daraufhin Nacktbilder seiner Ex-Freundin. «Für die Betroffene ist das die Hölle, selbst wenn es zur Anzeige kommt», sagt Dénervaud. «Das Wissen darum, dass ihre Bilder vielleicht noch irgendwo im Netz sind, ist unerträglich und schambehaftet.»

Mobbing als Zeitvertreib

Die eine typische Cybermobbing-Geschichte gibt es nicht. Zu komplex sind die Zusammenhänge, zu individuell die Hintergründe jedes Falles. Neben Demütigungen, Happy Slapping, Ausschluss oder Sexting kommt es vor, dass Gerüchte verbreitet werden, dass gedroht oder verleumdet wird. Zum virtuellen Mobbing gehören zudem Cyberstalking und Identitätsdiebstähle, etwa via ein geknacktes oder gefaktes Social-Media-Profil. Ein besonders perfides Beispiel lieferte vor einigen Jahren ein 14-Jähriger aus Bayern, der nach einer Reihe von Cybermobbing-Attacken online eine Todesanzeige für einen seiner Mitschüler aufgab.

Mobbing muss dort aufgelöst werden, wo es entstanden ist. Das ist meist in der Schulklasse.

Bettina Dénervaud, Fachberaterin Mobbing

Was verleitet Kinder und Jugendliche zu solchen Gemeinheiten? Manchmal sind es schlicht Spass oder Langeweile, die Kinder andere Kinder anfeinden lässt – Mobbing als Methode zum Zeitvertreib also. Ein Grund kann auch der Wunsch nach Macht und Status sein. Manchmal jener nach Rache: Nicht selten kommt es vor, dass Betroffene die Vorzeichen umkehren und selbst mobben. Rund ein Fünftel der Cybermobberinnen und -mobber war gemäss der Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing früher selbst Opfer von Mobbing.

Beim Mobben über das Netz locken zusätzlich die grosse Reichweite und die Einfachheit, mit der sich austeilen lässt. Die Abwesenheit des Gegenübers und die mögliche Anonymität senken die Hemmschwelle. «Ich kann plötzlich Dinge äussern, die ich mich sonst nicht zu sagen traute», sagt Christelle Schläpfer. «Erwachsene wissen ja selbst, wie einfach es ist, online einen spitzen Kommentar zu schreiben.»

Das grössere Publikum und damit der höhere Öffentlichkeitsgrad der Demütigungen: Das macht Cybermobbing gegenüber «analogem» Mobbing noch perfider. Kommt hinzu, dass sich Chatverläufe, Fotos oder Videos verbreiten und lokal speichern lassen. Für Betroffene gibt es keinen «geschützten» Raum, keine Pause und oft keine Möglichkeit, ihr soziales Gefüge zu verlassen. Sie sind der Situation ausgeliefert.

Das Risiko für Depressionen, Selbstverletzungen und auch Suizidalität sei denn auch um ein Vielfaches erhöht, wenn zu Mobbing Cybermobbing hinzukomme, sagt Bettina Dénervaud. Auch das Alter vieler Betroffener, mitten in der Pubertät, trage zur erhöhten Verletzlichkeit bei.

Die schwierige Rolle der Schule

Spätestens seit dem tragischen Tod der 13-jährigen Céline aus Spreitenbach AG sind auch hierzulande die Folgen von Cybermobbing in unserem Bewusstsein. Im August 2017 nahm sich die Schülerin das Leben. Zuvor war sie in sozialen Medien massiv blossgestellt, angefeindet und bedroht worden.

Was können Eltern und Schulen tun, um das virtuelle Fertigmachen zu stoppen? Christelle Schläpfer, Bettina Dénervaud und Pascal Kamber erleben bei Eltern betroffener Kinder viel Macht- und Hilflosigkeit. Doch Eltern, darin sind sich die drei Fachleute einig, können Cybermobbing allein nicht stoppen. «Mobbing muss dort aufgelöst werden, wo es entstanden ist», sagt Dénervaud, «und das ist meist in der Schulklasse.»

Damit es gar nicht erst zu Cybermobbing kommt, ist mehr Aufklärungsarbeit vonnöten.

An den Schulen ziehe man sich allzu oft aus der Pflicht, sagt die Expertin. «Man hofft, dass es von allein besser wird. Doch das tut es nie.» Schlimmstenfalls werde die Schuld beim Opfer gesucht und das Mobbing quasi legitimiert: «Wenn das Mädchen oder der Junge nicht so komisch wäre, gäbe es kein Mobbing.» Die dramatischen Folgen von Mobbing bis ins Erwachsenenalter würden ausgeblendet.

Ein Argument, das Christelle Schläpfer oft hört, lautet: «Das passiert auf dem Schulweg und dieser liegt nicht in unserer Verantwortung.» Doch wo sonst, wenn nicht in der Schule, kann man Mobbing bekämpfen? «Dazu müssten Lehrpersonen aber mit mehr Know-how und Instrumenten ausgestattet werden», sagt die Expertin. Eine Gegenüberstellung, wie sie oft gemacht werde, sei für Betroffene der Horror und nicht zielführend. «Mobber sind nicht kooperativ. Eher streiten sie alles ab. Nachher sagen sie zu ihrem Opfer: ‹Du Petze, wegen dir werde ich bestraft.› Und machen weiter, teilweise noch schlimmer und subtiler.»

Mobbing und Cybermobbing sollten bereits in der pädagogischen Ausbildung stärker thematisiert werden.

Wenn Schläpfer mit einer Schulklasse arbeitet, greift sie auf metaphorische Methoden zurück, sucht etwa über Geschichten oder Filme den Zugang zu Kindern und Jugendlichen. Auch sensibilisiert sie die Schülerinnen und Schüler mit Gruppenarbeiten und Diskussionsrunden für Themen der Sozialkompetenz und Empathie.

Schläpfer, Dénervaud und Kamber nutzen gerne den No Blame Approach gegen Cybermobbing. Der in den 1990er-Jahren in England entwickelte Ansatz funktioniert ohne Anschuldigungen. Denn aus Anschuldigungen und Strafen, so Kamber, entstehe selten Positives. Das bedeute keineswegs, dass man auf eine Anzeige verzichte.

«Sobald Straftaten vermutet werden, sollte man die Polizei beiziehen.» Gleichzeitig müsse man aber dafür sorgen, dass sich die Situation dadurch nicht verschlimmere. Auch deshalb ersetzt eine strafrechtliche Verfolgung nie die sorgfältige pädagogische Begleitung eines Falls.

Prävention lohnt sich

Noch besser wäre es, wenn es nie zum Cybermobbing käme. Dénervaud und Kamber wünschen sich bereits in pädagogischen Ausbildungen einen stärkeren Fokus auf Mobbing und Cybermobbing. Würden Schulleitende, Lehrpersonen und Sozialarbeitende von Beginn an stärker ermächtigt und befähigt, Mobbing zu erkennen und gezielt zu handeln, würde sich der einzelne Fall gar nicht zu Cybermobbing ausweiten, sagt Bettina Dénervaud.

Im Schulalltag braucht es laut Schläpfer drei Dinge: Prävention, Prävention, Prävention. Stattdessen höre sie heute oft: «An unserer Schule gibt es kein Mobbing.» Oder: «Wir haben keine Zeit.» Dabei, so die Expertin, würde sich die Investition lohnen. Trete ein Fall auf, brauche dies viel mehr Zeit. «Und letztlich sollte die Schule ein sicherer Ort sein.»

Infos, Rat & Hilfe

Schulungen, Beratungen und Interventionen zu Mobbing und Cybermobbing bieten der gemeinnützige Verein Zischtig.ch, die Fachstelle Hilfe bei Mobbing und Edufamily an.

Umfassende Informationen zu Cybermobbing sowie zur Rechtslage bietet die Website der Schweizerischen Kriminalprävention.
Hier informieren zwei kostenlose Broschüren über Cybermobbing, sexuelle Übergriffe und Abo-Fallen im Internet und zeigen auf, wie man sich schützen kann.
› PDF-Download für Eltern
› PDF-Download für Jugendliche

Cybermobbing ist ein aktueller Schwerpunkt von Jugend und Medien, der nationalen Plattform des Bundes zur Förderung der Medienkompetenz: www.jugendundmedien.ch/themen/cybermobbing

Im Lehrplan 21 sind Themen wie die Folgen medialer und virtueller Handlungen sowie Chancen und Risiken der Mediennutzung im Kompetenzbereich «Medien und Informatik» aufgeführt. «Oft wird bloss ein Vortrag der Polizei organisiert. Das ist besser als nichts», sagt Pascal Kamber. «Ist damit das Thema abgehakt, wirkt das allerdings nicht nachhaltig.»

Die Fachleute erleben aber auch Schulen, die sich intensiv mit Cybermobbing auseinandersetzen. Oft seien dafür einzelne, sehr engagierte Personen verantwortlich, sagt Kamber. Dass Schulen vermehrt und systematischer mit Projekten und Aktionswochen dranbleiben, sei unerlässlich. «Nur so erhält das Thema Cybermobbing die nötige Aufmerksamkeit. Und nur so erzielt man präventiv Wirkung.»

Mirjam Oertli
ist freie Journalistin und Buchautorin («Wer auf dem Handy kein gratis Internet hat, ist tot!», «Jetzt stellen Sie doch das Kind mal ruhig!»). Sie ist Mutter von zwei Teenagern und einem Primarschulkind und lebt mit ihrer Familie in Luzern.

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