Cybermobbing lebt von Zuschauern - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Cybermobbing lebt von Zuschauern

Lesedauer: 2 Minuten

Wenn Kinder und Jugendliche andere fertigmachen, gibt es nicht nur Täter und Opfer, sondern auch Mitläufer. Es liegt an uns Erwachsenen, den Nachwuchs zur Zivilcourage zu ermutigen.

Text: Michael In Albon

Opfer von Cybermobbing zu werden, kann für Kinder und Jugendliche ausserordentlich belastend sein. Mobbing betrifft jedoch nie nur Täter und Opfer, sondern immer auch das erweiterte soziale Umfeld, in dem alle Beteiligten ihre Rolle einnehmen – auch Mitläufer und die «schweigende Mehrheit». Um die negative Dynamik zu brechen, die Mobbing am Laufen hält, sollten Eltern und Lehrpersonen versuchen, diese beiden Gruppen in die Problemlösung miteinzubeziehen. Ziel muss es sein, dem Täter oder der Täterin die aktive oder passive Unterstützung der Gemeinschaft zu entziehen.

Der erste und vielleicht schwierigste Schritt für Erwachsene ist, zu erkennen, was läuft: Wer plagt wen und warum? Welche Gruppendynamik herrscht in einer Klasse oder in einer Clique? Und: Warum schweigen die meisten und mischen sich nicht ein? Ist es Angst, Gleichgültigkeit oder der Wunsch, auf der stärkeren Seite zu stehen? Hier gilt es als Mutter oder Vater anzusetzen: Versuchen Sie zuerst, die Situation in der Familie zu thematisieren. Ein wichtiger Punkt ist, herauszufinden, warum das eigene Kind schweigt oder gar mit der Täterin oder dem Täter sympathisiert. Der Focus-Bericht der JAMES-Studie zum Medienumgang von Jugendlichen vom August 2021 zeigt in diesem Zusammenhang eindrücklich, dass auch leidet, wer bei Cybermobbing «nur» Zuschauer ist: Betroffene Kinder sagten, sie fühlten sich unwohl, bedrückt und traurig, wenn sie mit Hass im Netz konfrontiert würden und mitbekämen, wie jemand anderer fertiggemacht werde.

Das Kind darin bestärken, für andere einzustehen

Versuchen Sie, Ihr Kind auf die Ungerechtigkeit der Situation hinzuweisen und an seine Solidarität zu appellieren: Was wäre, wenn du selbst betroffen wärst? Würdest du dir nicht wünschen, dass man dir hilft? Wenn einem Täter oder einer Täterin die Unterstützung der ­Gruppe entzogen wird, nimmt Mobbing in vielen Fällen schnell ab. Bestärken Sie Ihr Kind also darin, eine eigene Meinung zu haben und für sich und andere einzustehen. Es kann für Ihr Kind ein sinnstiftendes, prägendes Erlebnis sein, sich als Teil einer verbündeten Gruppe gegen ein Unrecht wehren zu können.

Damit Kinder und Jugendliche sich aus der Rolle als Mitläufer oder Zuschauer lösen können, sollten Lehrpersonen und Eltern mit ihnen auch thematisieren, wie sie auf verbale Angriffe der Mobber reagieren können. Es ist beispielsweise nicht ratsam, Beleidigungen zurückzuschleudern, gleichermassen aggressiv zu werden oder zu versuchen, sich gegen absurde Unterstellungen zu verteidigen. Besser ist, der Mobberin oder dem Mobber ernst gemeinte Fragen nach den Gründen für ihre Gefühle zu stellen: Warum reagierst du so heftig auf diese Person, was genau stört dich? Das eröffnet die Möglichkeit, die Diskussion weg vom Opfer und auf die Sachebene zu lenken. Dann werden sich auch eher passive oder ängstliche Jugendliche trauen, in einer Gruppendiskussion Position zu beziehen.

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Michael In Albon
ist Beauftragter Jugendmedienschutz und Experte Medienkompetenz von Swisscom.

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