«Mobbing kann zu einem lebenslangen Trauma führen»
Merken
Drucken

«Mobbing kann zu einem lebenslangen Trauma führen»

Lesedauer: 2 Minuten

Wer gemobbt wird, erlebt Traumatisches. Bei Anzeichen von Mobbing müssen Eltern und Lehrpersonen darum sofort eingreifen, sagt Christelle Schläpfer. Die Mobbing-Expertin stellt im Rahmen des Kosmos Kind-Vortrags «Mobbing – wie Eltern und Schule helfen können» am 27. Februar ihr innovatives Mobbing-Schulungsprogramm vor und vermittelt praxisorientierte Tipps, wie Lehrpersonen und Eltern betroffenen Kindern nachhaltig helfen können.

Interview: Stefanie Wolff-Heinze
Bild: Adobe Stock

Frau Schläpfer, kleine Streitereien gehören zum Alltag in Klassenzimmern. Wie kann eine Lehrperson erkennen, ob es sich um einen normalen Konflikt oder schon um Mobbing handelt? 

Mobbing unterscheidet sich von normalen Konflikten primär durch seine Dynamik. Während es in Konflikten oft darum geht, wer recht hat, wer mehr oder zuerst von etwas hat – also um Umstände, Besitz, Meinungen –, zielt Mobbing darauf ab, eine Person zu verletzen. Dies kann anfangs «ganz harmlos» durch Handlungen wie Auslachen, Nachäffen, Hänseln geschehen und sich dann sehr schnell intensivieren – je nachdem, ob man es zulässt. Im Zentrum des Mobbingprozesses steht immer die gezielte Schädigung einer Person.

Christelle Schläpfer, ehemalige Gymnasiallehrerin, gilt in der Schweiz als führende Expertin im Bereich Mobbing und Cybermobbing. Im Rahmen des Kosmos Kind-Vortrags «Mobbing – wie Eltern und Schule helfen können» am 27. Februar stellt sie ihr innovatives Mobbing-Schulungsprogramm vor. (Bild: zVg)

Worin liegt die besondere seelische Belastung von Mobbing?

Kinder, die gemobbt werden, fühlen sich nicht zugehörig, sondern abgelehnt und bedroht, was zu Traumata, sozialer Isolation und einer Beeinträchtigung ihrer psychischen Gesundheit führen kann. So ist die Suizidrate bei Erwachsenen, die in ihrer Kindheit gemobbt wurden, deutlich höher als bei jenen, die das nicht erlebt haben.

Gibt es typische Auslöser oder Konstellationen für Mobbingsituationen? Und lassen sich diese präventiv vermeiden?

Mobbing ist eine komplexe Angelegenheit, die nicht auf einen einzigen Auslöser zurückzuführen ist. Und ich betone immer wieder: Das betroffene Kind darf niemals als Auslöser angesehen werden! Selbst wenn sein Verhalten manchmal als herausfordernd oder «anders» empfunden wird, was bei aktiven Opfern oft der Fall ist. Leider erlebe ich häufig, dass so argumentiert wird. Mobbing ist aber niemals gerechtfertigt.

In der Regel sind verschiedene Faktoren im Spiel – wie zum Beispiel die Klassenkonstellation, das frühzeitige oder späte Eingreifen von Lehrpersonen und sogar systemübergreifende Elemente wie zum Beispiel Konflikte zwischen den Eltern im Dorf. Präventiv lässt sich immer sehr viel tun, um Mobbing zu verhindern.

Was raten Sie Eltern eines betroffenen Kindes – den direkten Kontakt mit den Eltern involvierter Kinder suchen oder die Lehrperson um Vermittlung bitten?

      

Mein Rat ist: kein direkter Kontakt zu den Eltern der beteiligten Kinder! Denn das kann die Situation erheblich verkomplizieren und die Auflösung in der Schule deutlich erschweren. Ich empfehle nicht, die Lehrperson um Vermittlung zu bitten, da Vermittlung normalerweise bei Konflikten eingesetzt wird. Dennoch ist es wichtig, sich an die Lehrperson zu wenden, um Hilfe zu holen. Mobbing ist ein Gruppenphänomen, und daher liegt die Verantwortung für die Lösung des Problems in der Schule. Dies gilt auch dann, wenn das Mobbing auf dem Schulweg stattfindet. Denn es ist notwendig, mit der ganzen Klasse zu arbeiten – weil auch Kinder, die scheinbar nicht beteiligt sind, Möglichmacher sind.

Mehr zum Thema Mobbing im Vortragszyklus «Kosmos Kind»

Mehr zum Thema erfahren Sie im «Kosmos Kind»-Vortrag «Mobbing – wie Eltern und Schule helfen können» von Christelle Schläpfer am 27. Februar 2024, 18.30 Uhr, in der Stiftung. Für das Kind. Giedion Risch, Falkenstrasse 26, Zürich.

Abonnentinnen und Abonnenten von Fritz+Fränzi erhalten eine Ermässigung von 50 Prozent mit dem Promocode kosmoskind-24.

 

Die Stiftung Elternsein, Herausgeberin des Schweizer ElternMagazins Fritz+Fränzi, hat mit der «Akademie. Für das Kind. Giedion Risch» den exklusiven Vortragszyklus «Kosmos Kind» lanciert. Ausgewiesene Expertinnen und Experten greifen unterschiedliche Aspekte der Kindheit auf und vermitteln diese alltagsnah und verständlich.

Stefanie Wolff-Heinze
ist Kommunikationsverantwortliche bei der «Stiftung.Für das Kind». Die Politologin ist auch Mitglied der Geschäftsleitung.

Alle Artikel von Stefanie Wolff-Heinze

Lesen Sie mehr zum Vortragszyklus «Kosmos Kind»

Wie Eltern einem Kind mit Zwängen und Tics helfen können, weiss Jugendpsychiaterin Susanne Walitzka.
Elternbildung
«Zwänge beeinträchtigen das Familienleben enorm»
Zwänge bei Kindern Jugendlichen: Warum eine frühe Diagnose wichtig ist, erklärt Jugendpsychiaterin Susanne Walitza.
Onlinesucht-Experte Franz Eidenbenz über die Risiken der digitalen Medien für Kinder und Jugendliche.
Video
Gehen Kinder im digitalen Sog verloren?
Die Psychotherapeutin Sabine Brunner zeigt Wege auf, wie Eltern und Kinder trotz Trennung von Mutter und Vater eine Familie bleiben können.
Globi erobert nun endlich auch die Toniebox.
Advertorial
Globi, jetzt auch bei tonies®
Globi erobert nun endlich auch die Toniebox. Ab Juli erzählt er den Kindern Geschichten – natürlich auf Schwyzerdütsch.
Kosmos Kind: Lernen
Elternbildung
Selbstentdeckendes Lernen überfordert Kinder
Was Kinder zum Lernen brauchen und was nicht, erklärt Psychologin Elsbeth Stern im Interview und am 2. Juli im Kosmos Kind-Vortrag.
Video
Was braucht ein Kind, wenn sich die Eltern trennen?
Die Psychotherapeutin Sabine Brunner zeigt Wege auf, wie Eltern und Kinder trotz Trennung von Mutter und Vater eine Familie bleiben können.
Christina Schaefer ist Autismus-Expertin.
Video
Hat mein Kind Autismus?
Autismus. Die Kinderärztin Christina Schaefer spricht im Kosmos Kind-Vortrag über Herausforderungen für betroffene Familien – und Chancen. 
Video
Mein Kind hat immer Angst
Silvia Zanotta ist Expertin für Angststörungen. Im Kosmos-Kind-Vortrag erklärt sie, wie Eltern betroffenen Kindern helfen können.
ADHS Oskar Jenni
Video
ADHS – einfach nur hibbelig oder krank?
ADHS. Welche Herausforderungen und Chancen eine Diagnose für Kinder und Eltern birgt, erklärt der Kinderarzt Oskar Jenni.
2404 beim spielen machen kinder wichtige erfahrungen für ihre entwicklung kosmos kind caroline benz
Elternbildung
Spielen ist ein Spiegel der kindlichen Entwicklung
Beim Spielen sammeln Kinder wichtige Erfahrungen für ihre Entwicklung. Wie Eltern das kindliche Spiel fördern, weiss Pädiaterin Caroline Benz.
2403 Wut Streit Eltern Kind Aggression Annette Cina Kosmos Kind Tipps Elternmagazin Fritz und Fraenzi HG
Elternbildung
Wenn das eigene Kind einem den letzten Nerv raubt
Der Umgang mit der eigenen Wut und der Wut der Kinder ist lernbar! Wie das geht, erklärt die Psychologin Annette Cina.
Entwicklung
Onlinesucht: Im Sog der Medien
Der Suchtexperte Franz Eidenbenz erklärt, wieso Algorithmen bei Social Media gerade Jugendliche so schnell süchtig machen.
Rechenstörung Dyskalkulie
Video
«Dyskalkulie – wie das Gehirn rechnen lernt»
Dyskalkulie. Eine Früherkennung einer Rechenstörung kann vor Frust sowie Versagensängsten schützen, sagt Neuroforscherin Karin Kucian.
Video
Wie viel Schlaf braucht mein Kind?
Wie viel Schlaf benötigt ein Kind? Antworten liefert die Jugendmedizinerin Rabia Liamlahi in ihrem Vortrag.
Autismus
Entwicklung
«Jede Begegnung mit einem autistischen Kind ist eine Chance»
Es gibt keine typische Verhaltensauffälligkeit, die automatisch zu Autismus-Diagnose führt, sagt Autismus-Expertin Christina Schaefer.
Familienleben
«Die Trennung der Eltern kann für Kinder auch eine Chance sein»
Wie man ein Kind in die Neugestaltung der Familie einbindet, ohne es zu überfordern, erklärt Familientherapeutin Sabine Brunner.
Angststörungen und Phobien bei Kindern und Jugendlichen nehmen zu.
Gesundheit
Angststörungen: Was können Eltern tun?
Noch nie litten so viele Kinder und Jugendliche an Angststörungen und Phobien wie heute. Was ist los? Expertin Silvia Zanotti ordnet ein.
Elternbildung
Vortragszyklus Kosmos Kind: Alle Daten und Infos
Kosmos Kind: Expertinnen und Experten erklären wichtige Entwicklungsaspekte von Kindern und Jugendlichen – alltagsnah und verständlich.
Video
Das kindliche Spiel begleiten – was ist sinnvoll?
Oskar Jenni erklärt in seinem Vortrag, warum Kinder spielen und erläutert die verschiedenen Formen des Spieles sowie die Spielbereitschaft von Kindern.
Video
Zu viel oder zu wenig – wieviel Sport tut Kindern gut?
Wie fördert man Bewegungsmuffel und Sportskanonen? Im Interview spannt Susi Kriemler den Bogen von «zu wenig Sport» bis zu «zu viel Sport».
Gesundheit
«Bei der ADHS-Therapie spielt das Umfeld eine zentrale Rolle»
Der Kinder- und Jugendmediziner Oskar Jenni erklärt im Interview, warum es bei ADHS keine «leichte» Diagnose gibt.
Angststörungen Panik bei Kindern und Jugendlichen nehmen zu. Silvia Zanotti ordnet ein.
Entwicklung
«Bei einer Rechenstörung ist Abwarten die falsche Strategie»
Sechs Prozent aller Kinder in der Schweiz haben Probleme mit dem Rechnen. Eine frühe Diagnostik schützt Kinder vor Frust, sagt Neurologin Karin Kucian.
Video
Pädagogische Autorität – eine verstaubte Kategorie?
Roland Reichenbach spricht im Kosmos Kind-Vortrag über Qualität, Möglichkeiten und Grenzen pädagogischer Beziehungsformen.
Bewegung
«Wir müssen Kinder erreichen, die sich nicht von sich aus bewegen»
Bewegung und Sport tut Kindern gut. Sie lernen mit Siegen und Verlieren umzugehen und erleben ein Sozialsystem, das sie formt und begleitet.
Video
Was braucht eine Familie, um glücklich zu sein?
Wie werden wir glücklich? Und wie können wir dafür sorgen, dass unsere Familie glücklich ist? Darüber spricht Psychologe Fabian Grolimund im Gespräch mit Nik Niethammer.
Video
Essstörungen vorbeugen und «heilen»
Essstörungen beginnen oft im Kindesalter, werden aber teilweise erst in der Adoleszenz oder im Erwachsenenalter erkannt und behandelt. Wie man ihnen vorbeugen kann, erzählt Simone Munsch in ihrem Vortrag.