«Mobbing kann zu einem lebenslangen Trauma führen»
Wer gemobbt wird, erlebt Traumatisches. Bei Anzeichen von Mobbing müssen Eltern und Lehrpersonen darum sofort eingreifen, sagt Christelle Schläpfer. Die Mobbing-Expertin stellt im Rahmen des Kosmos Kind-Vortrags «Mobbing – wie Eltern und Schule helfen können» ihr innovatives Mobbing-Schulungsprogramm vor und vermittelt praxisorientierte Tipps, wie Lehrpersonen und Eltern betroffenen Kindern nachhaltig helfen können.
Frau Schläpfer, kleine Streitereien gehören zum Alltag in Klassenzimmern. Wie kann eine Lehrperson erkennen, ob es sich um einen normalen Konflikt oder schon um Mobbing handelt?
Mobbing unterscheidet sich von normalen Konflikten primär durch seine Dynamik. Während es in Konflikten oft darum geht, wer recht hat, wer mehr oder zuerst von etwas hat – also um Umstände, Besitz, Meinungen –, zielt Mobbing darauf ab, eine Person zu verletzen. Dies kann anfangs «ganz harmlos» durch Handlungen wie Auslachen, Nachäffen, Hänseln geschehen und sich dann sehr schnell intensivieren – je nachdem, ob man es zulässt. Im Zentrum des Mobbingprozesses steht immer die gezielte Schädigung einer Person.
Worin liegt die besondere seelische Belastung von Mobbing?
Kinder, die gemobbt werden, fühlen sich nicht zugehörig, sondern abgelehnt und bedroht, was zu Traumata, sozialer Isolation und einer Beeinträchtigung ihrer psychischen Gesundheit führen kann. So ist die Suizidrate bei Erwachsenen, die in ihrer Kindheit gemobbt wurden, deutlich höher als bei jenen, die das nicht erlebt haben.
Gibt es typische Auslöser oder Konstellationen für Mobbingsituationen? Und lassen sich diese präventiv vermeiden?
Mobbing ist eine komplexe Angelegenheit, die nicht auf einen einzigen Auslöser zurückzuführen ist. Und ich betone immer wieder: Das betroffene Kind darf niemals als Auslöser angesehen werden! Selbst wenn sein Verhalten manchmal als herausfordernd oder «anders» empfunden wird, was bei aktiven Opfern oft der Fall ist. Leider erlebe ich häufig, dass so argumentiert wird. Mobbing ist aber niemals gerechtfertigt.
In der Regel sind verschiedene Faktoren im Spiel – wie zum Beispiel die Klassenkonstellation, das frühzeitige oder späte Eingreifen von Lehrpersonen und sogar systemübergreifende Elemente wie zum Beispiel Konflikte zwischen den Eltern im Dorf. Präventiv lässt sich immer sehr viel tun, um Mobbing zu verhindern.
Was raten Sie Eltern eines betroffenen Kindes – den direkten Kontakt mit den Eltern involvierter Kinder suchen oder die Lehrperson um Vermittlung bitten?
Mein Rat ist: kein direkter Kontakt zu den Eltern der beteiligten Kinder! Denn das kann die Situation erheblich verkomplizieren und die Auflösung in der Schule deutlich erschweren. Ich empfehle nicht, die Lehrperson um Vermittlung zu bitten, da Vermittlung normalerweise bei Konflikten eingesetzt wird. Dennoch ist es wichtig, sich an die Lehrperson zu wenden, um Hilfe zu holen. Mobbing ist ein Gruppenphänomen, und daher liegt die Verantwortung für die Lösung des Problems in der Schule. Dies gilt auch dann, wenn das Mobbing auf dem Schulweg stattfindet. Denn es ist notwendig, mit der ganzen Klasse zu arbeiten – weil auch Kinder, die scheinbar nicht beteiligt sind, Möglichmacher sind.
Die Stiftung Elternsein, Herausgeberin des Schweizer ElternMagazins Fritz+Fränzi, hat mit der «Akademie. Für das Kind. Giedion Risch» den exklusiven Vortragszyklus «Kosmos Kind» lanciert. Ausgewiesene Expertinnen und Experten greifen unterschiedliche Aspekte der Kindheit auf und vermitteln diese alltagsnah und verständlich. Abonnentinnen und Abonnenten von Fritz+Fränzi profitieren von vergünstigten Tickets.