Onlinesucht: Im Sog der Medien
Der Psychologe und Suchtexperte Franz Eidenbenz erklärt im Interview, wieso Belohnungsmechanismen und Algorithmen bei Social Media sowie Games gerade Jugendliche so schnell süchtig machen.
Über elf Prozent der Kinder und Jugendlichen gelten bezüglich ihres Online-Konsums als suchtgefährdet. Wo liegen aus Ihrer Sicht die Risiken für die junge Generation?
Digitale Medien sind durch die Smartphones zu Zeitfressern geworden. Die verführerischen Angebote im Gaming- und Social-Media-Bereich werden so programmiert, dass die Nutzerinnen und Nutzer eine möglichst intensive Bindung aufbauen. Durch raffinierte Belohnungsmechanismen kann die Kontrolle über den Konsum schnell verloren gehen. Diesem Kontrollverlust unterliegen vor allem Kinder- und Jugendliche, da die Fähigkeiten zur Selbststeuerung aufgrund neurologischer Voraussetzungen noch nicht voll entwickelt sind.
Eine zusätzliche Gefährdung für Kinder tritt dann ein, wenn es im realen Leben nicht gut läuft – sei es in der Schule, mit den Eltern oder Freunden. Virtuelle Welten bieten dafür passgenau kompensierende Erfolgserlebnisse an. Ein Sog entsteht und das Suchtrisiko nimmt zu – mit der Folge, dass die virtuelle Welt wichtiger wird als alles andere.
Wie erkennen Eltern, dass dieser Sog für ihr Kind zu stark wird? Und was empfehlen Sie?
Warnzeichen sind, wenn der Medienkonsum weiter zunimmt – trotz negativer Auswirkungen auf Schule, reale Freundschaften, andere Freizeitaktivitäten und Familie. Spätestens dann braucht es klare Grenzen und Gespräche, um einen möglichst fairen Ausweg aus der Negativ-Spirale zu finden. Dazu ist vielfach auch fachliche Hilfe von aussen notwendig und eine positive Unterstützung.
Viele Eltern wünschen sich einen entspannten Umgang mit den digitalen Medien. Sie möchten weg von den ewigen Ermahnungen und Streitereien in der Familie. Wie kann der Balance-Akt gelingen?
Für eine gesunde «Digital-Life-Balance» braucht es Regeln und klare Grenzen – am besten bereits, bevor die Geräte verfügbar sind. Kinder und Jugendliche sind mit der Selbststeuerung des Konsums meist überfordert, sodass Konflikte vorprogrammiert sind. Das war schon in früheren Generationen mit anderen Themen so. Das Ziel für eine gesunde Entwicklung ist nicht, keine Konflikte zu haben, sondern einen konstruktiven Umgang damit zu erlernen.
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