Sozial gut unterstützte Kinder gehen mit Traumata besser um
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Sozial gut unterstützte Kinder gehen mit Traumata besser um

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Wie zeigen sich traumatische Erlebnisse in der Entwicklung eines Kindes? Im Kosmos-Kind-Vortrag «Traumata bei Kindern: Kann Psychotherapie helfen?» am 26. November gibt Markus Landolt, Chefpsychologe am Kinderspital Zürich, Antworten auf diese Frage. Er erläutert zudem, welche Schutzfaktoren die Resilienz fördern.

Interview: Stefanie Wolff-Heinze
Bild: Adobe Stock

Herr Landolt, Sie behandeln Kinder und Jugendliche, die unter Traumafolgestörungen leiden. Wie äussern sich diese?  

Kinder und Jugendliche können auf Traumata unterschiedlich reagieren. Häufige Symptome umfassen intrusive Erinnerungen, sogenannte Flashbacks, Albträume, emotionale Taubheit oder Vermeidung von Auslösereizen, die das Trauma in Erinnerung rufen. Bei jungen Kindern können diese Symptome durch regressives Verhalten wie Bettnässen oder Trennungsängste oder auch durch Veränderungen im Spiel und durch Albträume sichtbar werden. Jüngere Kinder zeigen oft auch Verhaltensauffälligkeiten – sie werden aggressiv, sind übermässig anhänglich oder ängstlich.

Jugendliche neigen dazu, auf Traumata mit Selbstverletzung und Reizbarkeit zu reagieren.

Jugendliche neigen zu Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, selbstverletzendem Verhalten oder Substanzmissbrauch. Einige entwickeln langfristige Störungen wie die posttraumatische Belastungsstörung, die durch Wiedererleben des Traumas, Vermeidung und Übererregung gekennzeichnet ist. Der Schweregrad variiert einerseits je nach Art und Dauer des Traumas und hängt auch davon ab, ob es Schutzfaktoren wie familiäre und soziale Unterstützung gibt.

Macht es für den Behandlungserfolg einen Unterschied, ob ein Trauma durch ein einmaliges Ereignis wie etwa einen Unfall oder durch wiederholte Erlebnisse, zum Beispiel durch sexuelle Gewalt über längere Zeit, verursacht wurde?

Ja, es gibt signifikante Unterschiede in der therapeutischen Behandlung: Ein einmaliges Trauma wie ein Verkehrsunfall lässt sich oft effektiver und schneller behandeln, da das Störungsbild in der Regel weniger komplex ist und klar umrissene Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) beinhaltet.

Missbrauch über einen längeren Zeitraum führt oft zu komplexen Störungen.

Hier können Methoden wie die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (TF-KVT) schnell Fortschritte bringen. Wiederholte traumatische Erlebnisse wie Missbrauch über einen längeren Zeitraum führen oft zu komplexeren Traumafolgestörungen. Die Betroffenen leiden – neben den Symptomen der PTBS – oft unter Störungen der Affektregulation sowie unter Bindungs-, Beziehungs- und Selbstwertproblemen. Die Behandlung dauert in solchen Fällen länger und erfordert häufig eine Kombination aus stabilisierenden Massnahmen, der Bearbeitung von Trauma-Erinnerungen und der Förderung von Selbstwert und sozialen Kompetenzen.

Markus Landolt ist Chefpsychologe und Co-Leiter der Abteilung Psychosomatik und Psychiatrie am Universitäts-Kinderspital Zürich.

Warum können manche Menschen traumatische Erlebnisse wie Flucht oder Krieg scheinbar unbeschadet überstehen, während andere lange damit kämpfen?          

Es ist tatsächlich so, dass auch im Kindes- und Jugendalter bei vielen potenziell traumatischen Ereignissen die Mehrheit der Betroffenen keine negativen psychischen Langzeitfolgen entwickelt. Die Resilienz gegenüber traumatischen Erfahrungen variiert stark zwischen Individuen und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Dabei spielen Merkmale des Traumas, des Individuums und des sozialen Umfeldes sowie kognitive Bewertungen eine wichtige Rolle. Zu den schützenden Faktoren gehören unter anderem genetische Dispositionen, gewisse Persönlichkeitsstile, positive frühkindliche Bindungserfahrungen sowie insbesondere die Verfügbarkeit von familiärer und sozialer Unterstützung. Sozial und familiär gut unterstützte Kinder und Jugendliche mit gut entwickelten Bewältigungsstrategien können in der Regel besser mit traumatischen Erlebnissen umgehen. Auch kognitive Muster wie das Gefühl von Kontrolle oder Sinn können die Resilienz erhöhen.

Kosmos-Kind-Vortrag: Traumata bei Kindern

Spannende wissenschaftliche Hintergründe und Empfehlungen zu diesem Thema bietet der «Kosmos Kind»-Vortrag «Traumata bei Kindern: Kann Psychotherapie helfen?» von Prof. Dr. Markus Landolt am 26. November 2024, 18.30 Uhr, in der Stiftung. Für das Kind. Giedion Risch, Falkenstrasse 26, Zürich.

Tickets unter: www.fuerdaskind.ch/vortragszyklus

Abonnentinnen und Abonnenten von Fritz+Fränzi profitieren von einem Ticket-Rabatt von je 10 Franken. Promocode: «Sitzplatz für Fritz&Fränzi-Abonnenten». 

Die Stiftung Elternsein, Herausgeberin des Schweizer ElternMagazins Fritz+Fränzi, hat mit der «Akademie. Für das Kind. Giedion Risch» den exklusiven Vortragszyklus «Kosmos Kind» lanciert. Ausgewiesene Expertinnen und Experten greifen unterschiedliche Aspekte der Kindheit auf und vermitteln diese alltagsnah und verständlich.

Stefanie Wolff-Heinze
ist Kommunikationsverantwortliche bei der «Stiftung.Für das Kind». Die Politologin ist auch Mitglied der Geschäftsleitung.

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