Selbstentdeckendes Lernen überfordert Kinder
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Selbstentdeckendes Lernen überfordert Kinder

Lesedauer: 2 Minuten

Welche Faktoren bestimmen die individuelle Lernfähigkeit? Und wie schafft man optimale Lerngelegenheiten für alle Kinder? Darüber redet Lehr- und Lernforscherin Elsbeth Stern am 2. Juli im Kosmos Kind-Vortrag «Mal leicht, mal schwer – warum lernen Kinder unterschiedlich?».

Interview: Stefanie Wolff-Heinze
Bild: Adobe Stock

Frau Stern, dem einen Kind fliegt der Lernstoff nur so zu, das andere muss stundenlang büffeln. Worauf sind so grosse Unterschiede zurückzuführen?

Man darf die genetisch bedingten Unterschiede in der Intelligenz nicht unterschätzen, die auch zwischen Geschwistern zu finden sind. Aber Genvariationen setzen sich nicht automatisch eins-zu-eins in Lernergebnisse um. Jeder kann und jeder muss lernen. In Abhängigkeit vom Ziel, das man sich setzt, kann jedes Kind Erfolgserlebnisse haben oder an seine Grenzen stossen.

Psychologin Elsbeth Stern (1957) ist ordentliche Professorin für empirische Lehr- und Lernforschung und Vorsteherin des Instituts für Verhaltensforschung an der ETH Zürich.
Elsbeth Stern ist ordentliche Professorin für empirische Lehr- und Lernforschung und Vorsteherin des Instituts für Verhaltensforschung an der ETH

Zürich. (Bild: zVg)

Sie plädieren dafür, möglichst viele Lerngelegenheiten zu schaffen, um allen Kindern den Kompetenzerwerb zu erleichtern. Wie gelingt das sowohl im Elternhaus als auch in der Schule?

Wir müssen Kompetenzerleben ermöglichen, indem wir Lernziele auf unterschiedlichen Niveaus festlegen. Die Lerngelegenheiten sollten so offen sein, dass gilt: Unterschiedliche Schülerinnen und Schüler können Unterschiedliches von den gleichen Aktivitäten lernen. Dabei müssen die Lerngelegenheiten auf die Mindestanforderungen ausgerichtet sein: Was sollten alle können, wenn sie einen bestimmten Abschluss erhalten?

Die höchste Lernwirksamkeit für alle Altersstufen erzielen halbstrukturierte Aufträge.

Man sollte sich im Voraus überlegen, wie Leistungen aussehen, die über die Mindestanforderungen hinausgehen und gleichzeitig für Exzellenz offen sein. Sowohl für Lehrpersonen als auch für Eltern ist es wichtig, sich nicht voreilig ein starres Bild über die Kompetenzen der Kinder zu machen – in keine Richtung.      

Sie forschen seit mehr als 30 Jahren über die Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern. Was zeichnet einen lernwirksamen Unterricht konkret aus?

Vor allem sollte er kognitiv aktivierende Aufträge und Aufgaben, die die Lernenden zum Nachdenken bringen, anbieten. Wichtig ist, dass nicht halb oder gar nicht verstandene Routinen eingeübt werden. Passiert Letzteres, können die Lernenden ihr Wissen nicht auf neue Situationen übertragen – was ja das Ziel des schulischen Lernens ist. Es gilt für alle Altersstufen, dass halbstrukturierte Aufträge die höchste Lernwirksamkeit aufweisen. Selbstentdeckendes Lernen überfordert Kinder im Allgemeinen, und ein zu hoher Grad an Strukturierung hält sie vom eigenständigen Denken ab. 

Mehr zum Thema Lernen im Vortragszyklus «Kosmos Kind»

Spannende wissenschaftliche Hintergründe zu diesem Thema bietet der «Kosmos Kind»-Vortrag «Mal leicht, mal schwer – warum lernen Kinder unterschiedlich?» von Prof. Dr. Elsbeth Stern am 02. Juli 2024, 18.30 Uhr, in der Stiftung. Für das Kind. Giedion Risch, Falkenstrasse 26, Zürich.

Tickets unter: www.fuerdaskind.ch/vortragszyklus

Abonnentinnen und Abonnenten von Fritz+Fränzi erhalten eine Ermässigung von 50 Prozent mit dem Promocode kosmoskind-24.

Die Stiftung Elternsein, Herausgeberin des Schweizer ElternMagazins Fritz+Fränzi, hat mit der «Akademie. Für das Kind. Giedion Risch» den exklusiven Vortragszyklus «Kosmos Kind» lanciert. Ausgewiesene Expertinnen und Experten greifen unterschiedliche Aspekte der Kindheit auf und vermitteln diese alltagsnah und verständlich.

Stefanie Wolff-Heinze
ist Kommunikationsverantwortliche bei der «Stiftung.Für das Kind». Die Politologin ist auch Mitglied der Geschäftsleitung.

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