Was tun, wenn die Tochter sich im Netz sexy zeigen will?
Auf diese und acht weitere Fragen gibt das Kapitel «Sex und Medien» des Dossiers «100 Fragen – 100 Antworten zum Thema Medien» Antwort.
Mein Kind hat ein Dick-Pic, einPenisbild, erhalten. Wie soll es sich verhalten?
Es soll nicht darauf reagieren und solche Kontaktaufnahmen sofort löschen und blockieren sowie die Kontakte und Profile gegebenenfalls melden. Wir müssen Kinder unterstützen, Nein zu sagen, wenn es unangenehm für sie wird.
Daniel Betschart
Was soll ich tun, wenn meine zehnjährige Tochter im Netz auf pornografische Inhalte trifft?
Das Thema Pornografie ist nicht neu, nur ist es noch zugänglicher geworden. Ich kann bereits auf Youtube sehr explizite Inhalte sehen. Das müssen wir thematisieren, weil es sich nicht verhindern lässt. Sitzt das Kind nicht zu Hause am Rechner, wo sich Vorkehrungen und Einstellungen treffen lassen, stösst es vielleicht anderswo auf solche Inhalte. Darum ist es wichtig, Kinder vorzubereiten, zu begleiten, den Dialog mit ihnen zu suchen und sie über potenzielle Gefahren aufzuklären. Es nicht zu thematisieren, ist keine Alternative.
Ulla Autenrieth
Zu früher und häufiger Pornokonsum können zur Unfähigkeit führen, eine schöne, aufbauende, wertschätzende und dennoch erquickende Sexualität zu erleben.
Armin Gottlieb Kunz
Welche Folgen können Sexseiten im Internet auf mein Kind haben?
Je früher Kinder und Jugendliche pornografische Inhalte konsumieren und je intensiver und regelmässiger, desto ungünstiger sind die Auswirkungen sowohl auf ihre psychische wie auf ihre physische Gesundheit. Es kann zu einer Unfähigkeit führen, schöne, aufbauende, wertschätzende und dennoch aufregende und erquickende Sexualität zu erleben, wo beide oder alle Partner sich respektiert fühlen können. Zudem haben Hardcore-Pornos mit Gewalt und Demütigungen sicher andere Auswirkungen auf die Psyche als Soft-Pornos.
Armin Gottlieb Kunz
Ab wann soll ich mit meinem Kind über Pädophile im Netz sprechen?
Sobald das Kind selbständig im Netz unterwegs ist, muss dieses Thema unbedingt besprochen werden. Für mich gehört das auch zur sexuellen Aufklärung dazu, damit sich das Kind online vorsichtig verhält, falls solche Personen Kontakt aufzunehmen versuchen. Und es gibt auch konkrete Tipps, wie etwa Fremden keine Bilder und schon gar keine sexy Bilder zu senden und die Eltern oder eine andere Vertrauensperson zu rufen, wenn einem etwas seltsam vorkommt.
Daniel Betschart
Wie soll ich mich verhalten, wenn ich den Verdacht habe, dass ein pädophiler Mensch versucht, mit meinem Kind Kontakt aufzunehmen?
Es ist sinnvoll, sehr schnell Anzeige zu erstatten. Werden online verbotene Inhalte entdeckt, zum Beispiel bei Instagram oder Snapchat, führen die Behörden oft eine Hausdurchsuchung durch. Möglicherweise steckt mehr dahinter, wenn jemand auf diese Weise sichtbar auffällig wird. Mit einer Strafanzeige kann man einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass allfällige Sexualstraftäter gefasst werden. Viele Sexualstraftäter sind Wiederholungstäter. Dann ist es hilfreich, wenn frühere Vorfälle bereits protokolliert wurden.
Martin Steiger
Was ist Sexting?
Sexting ist das einvernehmliche Versenden von Nacktbild- und Videomaterial oder Nachrichten zweier Personen innerhalb einer Beziehung. Es zählt zum Flirten mit digitalen Mitteln. Auch Jugendliche üben sich im Flirten, entdecken ihre Sexualität und wie man damit im Rahmen einer Beziehung spielt.
Nacktsein ist etwas Natürliches, aber auch Privates. Wenn private Bilder ins Netz gelangen, sind sie nicht mehr privat.
Thomas Feibel
Die Gefahr besteht allerdings darin, dass alles, was digital versendet wird, nicht zwingend in dieser Beziehung bleibt, sondern auch nach aussen geht. Es kann sehr unangenehm für den Jugendlichen oder die Jugendliche werden, wenn das Bild bei Freunden oder Fremden landet. Das geschieht manchmal aus Unvorsichtigkeit oder weil sich nach dem Ende der Beziehung der Ex-Partner rächen will.
Daniel Betschart
Wie kann ich verhindern, dass mein Sohn Nacktfotos von sich verschickt?
Indem Sie über Privatsphäre sprechen. Nacktsein ist etwas Natürliches, aber auch Privates. Wenn private Bilder ins Netz gelangen, sind sie nicht mehr privat. Auch ein guter Freund kann ein heikles Foto an all seine Kontakte weiterleiten. Privatsphäre können wir sehr gut an der Erfindung der Toilettentür erklären: Es gibt Orte, an denen wir unbeobachtet und ungestört sein wollen. Gerade weil aber Kinder und Jugendliche ihren Vorbildern nacheifern, haben sie kein Gespür dafür, dass sie mit einer aufreizenden Pose oder spärlicher Kleidung auch ihre eigenen Grenzen überschreiten.
Thomas Feibel
Was soll ich tun, wenn sich meine Tochter im Netz «sexy» zeigen möchte?
Mit diesem Thema tue ich mich schwer. Denn damit lege ich den Fokus darauf, dass sich Mädchen vor bösen Männern schützen müssen und sich nicht zeigen dürfen. Letztlich ist diese Einstellung eine Form von Victim Blaming.
Wer ist hier das Problem? Das Mädchen im knappen Shirt oder der Fremde, der darauf reagiert?
Ulla Autenrieth
Aber wer ist hier das Problem? Das Mädchen im knappen Shirt oder der Fremde, der darauf reagiert? Klar ist, dass Eltern ihr Kind vor solchen Angriffen schützen wollen. Mein Rat: Schauen Sie zusammen mit dem Kind auf andere Accounts und die jeweiligen Reaktionen und fragen Sie: Wie würdest du damit umgehen, wenn du solche Rückmeldungen bekommen würdest?
Ulla Autenrieth
An wen sollen sich Opfer von Cybermobbing wenden?
Kinder und Jugendliche sollen sich an eine Vertrauensperson wenden, also an Eltern, Verwandte, eine Lehrperson oder einen Jugendleiter, eine Jugendleiterin. Auch Eltern können sich Hilfe holen, zum Beispiel bei der Pro Juventute Elternbetratung oder beim Elternnotruf. Auch die Präventionsstellen der Polizei sind gute Ansprechpartner. Schwierig wird es, wenn es sich um ein Offizialdelikt handelt und die Polizei handeln muss. Das heisst, man sollte sich vorher gut überlegen, ob damit vielleicht etwas ausgelöst wird, das noch viel grössere Wellen schlagen könnte – was bei Kindern und Jugendlichen nicht immer ideal ist. Aber grundsätzlich ist es ratsam, die Polizei aufzusuchen, wenn es etwa um Drohung, Erpressung oder Nötigung geht.
Daniel Betschart