Hetze im Netz
Cybermobbing ist kein Kavaliersdelikt, sondern kann strafrechtlich verfolgt werden. Wie sollen Eltern vorgehen, wenn ihr Kind am Internetpranger steht?
«Ich hab dir einen Strick besorgt», heisst es in der Nachricht, die Anna abends auf Whatsapp erhält. Später gibts News im Klassenchat: «Anna ist die Hässlichste!» So geht es bis tief in die Nacht hinein. Anna schaltet ihr Handy aus, mit den Gedanken klappt das nicht – der Schlaf lässt auf sich warten.
Wenn eine Person im Internet oder via soziale Medien über einen längeren Zeitraum absichtlich beleidigt, bedroht, blossgestellt oder belästigt wird, ist von Cybermobbing die Rede. Aus Studien ist bekannt, dass Cybermobbing und andere Formen von Mobbing meist parallel laufen.
Sprich: Wer im Internet zur Zielscheibe wird, ist es auch im Schulalltag. Cybermobbing ist demnach keine neue, sondern eine erweiterte Form von herkömmlichem Mobbing. Trotzdem gibt es ein paar wesentliche Unterschiede:
- Cybermobbing schafft Distanz zum Opfer: Die Täter müssen ihm nicht in die Augen sehen und können anonym agieren. Das enthemmt sie und verstärkt die Ohnmacht des Opfers.
- Das Publikum kann von überall zusehen.
- Cybermobbing hinterlässt Spuren: Videos, Fotos und Hasskommentare können nie vollständig gelöscht werden.
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Opfer haben keinen Rückzugsort. Die Attacken hören nach der Schule nicht auf, sondern gehen via Computer oder Smartphone weiter.
Mobbingopfer schweigen oft lange, ganz gleich, ob sie in der Schule oder im Netz drangsaliert werden. Die Fachstelle Schweizerische Kriminalprävention (SKP) rät Eltern deshalb, auf Verhaltensänderungen des Kindes zu achten und es frühzeitig auf diese anzusprechen. Was, wenn das eigene Kind tatsächlich am Internetpranger steht? Die SKP empfiehlt Eltern Folgendes:
- Sichern Sie Beweise für Attacken: Drucken Sie Webseiten aus, speichern Sie Chatdialoge, löschen Sie unter keinen Umständen SMS oder MMS, die auf die Täterschaft hinweisen könnten.
- Im Fall von Cybermobbing raten Experten, Kontakt mit den Eltern der Täter aufzunehmen. Denn wenn weitere Lügen und Bilder den Weg ins Netz finden, sind diese nur schwierig zu beseitigen.
- Besprechen Sie den Fall auch mit der Klassenlehrperson und wo möglich mit dem Schulsozialdienst. Bestehen Sie darauf, dass sich auch die Schule um den Fall kümmert.
- Informieren Sie die Polizei, wenn die Attacken nicht unverzüglich aufhören.
- Nehmen Sie externe Hilfe von Opfer- oder Jugendberatungsstellen in Anspruch.
Zwar existiert in der Schweiz kein Gesetzesartikel zu Cybermobbing, «allerdings gibt es zahlreiche Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, die es ermöglichen, Täter zur Rechenschaft zu ziehen», hält die SKP fest.
Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Online-Attacken Tatbestände wie Drohung, Nötigung, Ehrverletzung oder üble Nachrede erfüllen. Zudem beginnt in der Schweiz die Strafmündigkeit mit zehn Jahren vergleichsweise früh.
Die SKP rät Eltern und Lehrpersonen, Kinder und Jugendliche unabhängig von Vorkommnissen zu ermutigen, sich im Fall von Cybermobbing Erwachsenen anzuvertrauen, sie aber auch darüber zu informieren, mit welchen rechtlichen Konsequenzen Täter zu rechnen haben.
Die Stiftung Elternsein, Herausgeberin des Schweizer Elternmagazins Fritz+Fränzi, engagiert sich mit ihrer Kampagne «Wenn Worte weh tun» gegen Cybermobbing. Mit Videos, Anzeigen, Radiospots und interaktiven Massnahmen will die Stiftung die Öffentlichkeit in der Deutschschweiz für dieses wichtige Thema sensibilisieren und auf die gefährlichen Folgen von Cybermobbing aufmerksam machen. Unterstützen Sie die Kampagne mit Ihrer Spende. Alle Informationen unter: www.elternsein.ch/cybermobbing