Die 5. Klasse ist weniger schlimm, als Sie denken
Merken
Drucken

Die 5. Klasse ist weniger schlimm, als Sie denken

Lesedauer: 3 Minuten

Fritz+Fränzi-Redaktorin Maria Ryser über die Veränderungen in der Mittelstufe und wie sich Eltern selbst den Schuldruck nehmen können.

Text: Maria Ryser
Bild: Pexels

Herzliche Gratulation! Ihr Kind besucht bereits die fünfte Klasse. Unglaublich, wie die Zeit vergeht. Eben noch trippelte es am ersten Schultag mit neugierigen Kinderaugen neben Ihnen her, nun gehört es auf dem Pausenplatz bereits zu den Ältesten.

Und doch schwirren grosse Sätze in seinem Kopf herum: «Jetzt wird es richtig schwierig. Nur noch einen halben Tag schulfrei pro Woche. Die Noten ab der zweiten Hälfte zählen bereits für den Übertritt. Packe ich neben Englisch auch noch die zweite Fremdsprache Französisch? Komme ich mal ins Gymi oder in die Sek?»

Jedes Kind ist anders

Ich erlebe den Start in die fünfte Klasse im Kanton Zürich nun zum dritten Mal. Bei meiner Tochter, 21, war schnell klar: Das wird eine Gymischülerin. Sie war eine klassische Selbstläuferin: locker, fleissig, fröhlich, interessiert und selbständig. Mittlerweile studiert sie an der Universität Zürich.

Der ältere Sohn, 17, tickte anders als seine Schwester. Er wollte zwar auch ins Gymi, da seine besten Freunde dies anstrebten. Doch mit einer Fünf als Vornote sah ich seinem Wunsch skeptisch entgegen. Er schaffte es trotzdem, eine Wahnsinnsleistung, bestand die Probezeit jedoch nicht und wechselte dann an die Sekundarschule.

Ich habe beide Wege erlebt: Gymi und Sek. Und beides kam gut.

Nach den Sommerferien besucht mein Nesthäkchen, der jüngste Sohn, 10, die fünfte Klasse. Und ich muss lächeln. Das Damoklesschwert des Übertritts ist auf die Grösse eines (stumpfen) Sackmessers geschrumpft. Denn ich habe beide Wege erlebt: Gymi und Sek. Und beides kam gut.

Das Kind hineinwachsen lassen

Die Veränderungen, die Ihr Kind in den nächsten zwei Jahren durchleben wird, sind immens und unglaublich rührend. Der Kokon der Kindheit wird immer durchlässiger, die Pubertät mit all ihren Rumpeleien ist bereits spürbar.

Bei den Mädchen spriessen die Brüste, den Buben wachsen die Füsse voraus, es wachsen Achsel- und Intimhaare und regelmässiges Duschen wird zum Dauerthema. Die Launen werden instabil, die Türen öfters geschletzt.

War der Sohn vor den Kumpels eben noch ultracool, schmiegt er sich im nächsten Augenblick im Schutz der heimischen vier Wände unter die Achseln von Mama oder Papa und wäre gern einfach noch klein. Eine ebenso zarte wie explosive Mischung.

Also lassen Sie Ihr Kind in diese fünfte Klasse hineinwachsen. Möglichst entspannt. Innerlich wie äusserlich passiert so viel.

Wie habe ich meine eigene Schulzeit erlebt? Welche Ängste aus dieser Zeit übertrage ich auf mein Kind?

So nehmen Sie Druck weg

Sie unterstützen Ihr Kind dabei am besten, wenn Sie den Fokus zunächst auf sich selbst richten: Wie habe ich meine eigene Schulzeit erlebt? Welche Ängste aus dieser Zeit übertrage ich auf mein Kind? Wie gehe ich mit Stress um? Wie steht es um Pausen im Leben? Für mich selbst? Für meine Familie?

Werfen Sie auch einen kritischen Blick auf den Alltag Ihres Kindes. Braucht es wirklich drei Hobbys? Bereitet der Instrumentalunterricht ihm Freude oder ist es eher eine Qual? Wieviel Raum hat mein Kind zum Abmachen, freien Spielen und zur Erholung? Bewegt es sich vor allem in Innenräumen oder auch in der Natur?

Noch blickt das Kind zu Ihnen auf. Sie sind ihm Vorbild und Inspiration. Können Sie über sich selbst lachen? Reden Sie offen über Ihre Gefühle? Mögen Sie sich so, wie Sie sind? Als Mutter prägen Sie die Sicht Ihres Kindes auf das weibliche Geschlecht, als Vater jenen auf das männliche.

Zuhören statt befehlen

Der Alltag einer Familie ist anspruchsvoll. Schnell rutschen wir in die Befehlsform: «Mach endlich deine Hausaufgaben! Räum bitte dein Zimmer auf! Denk daran, dass… Du solltest noch… Mach dies, mach das!» Sätze wie «Magst du eine Runde kuscheln? Wie geht es dir? Was tut dir gut? Möchtest du dich ausruhen?» werden vom hektischen Alltag rasch verschluckt. Dabei tun sie uns allen so gut.

Oder einfach nur zuhören. Das ist gar nicht so einfach und haben mir meine Grossen später ab und zu vorgehalten: «Mama, du hörst so schlecht zu.» Ich versuche es besser zu machen. Spannend, welche Türen sich da öffnen.

Auch schwierige Zeiten gehen vorbei

Vielleicht ärgert Sie, was Sie bis jetzt gelesen haben, weil Sie mit Ihrem Kind gerade eine schwierige Zeit durchleben. Vielleicht wird es gemobbt, die Lehrpersonen wechselten ständig, die Klassenkonstellation ist ungünstig, es klappt nicht mit den Hausaufgaben, Ihr Kind ist müde und dauergestresst. Ich kann Ihnen nachfühlen.

Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Kind seinen Weg finden wird.

Als mein ältester Sohn vom Gymnasium in die Sekundarschule wechselte, folgten schwierige Jahre. Die Schule hatte einen schlechten Ruf, der sich bestätigte. Die Beziehung zu den Lehrpersonen war harzig. Die schulische Motivation meines Sohnes sank auf einen Nullpunkt.

Die Lehrstellensuche weckte allerdings ungeahnte Kräfte. Mein Sohn blühte richtig auf und steht nun in einem Jahr vor dem Lehrabschluss. In dieser Zeit hat er eine eindrückliche Metamorphose in Sachen Eigenverantwortung, Disziplin und Durchhaltevermögen durchlebt, die er als Gymischüler so wohl nicht erlebt hätte.

Das Fazit: Auch schwierige Zeiten gehen vorbei und es kann sich alles schnell ändern. Das Gymi ist dabei nicht der einzige Weg. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Kind seinen Weg finden wird. Und gönnen Sie sich selbst viel Gutes.

Maria Ryser

Maria Ryser
liebt grosse und kleine Kinder, zyklisch leben, Rilke, reinen Kakao, Klangreisen und Kreta. Die gebürtige Bündnerin arbeitet als stv. Leiterin auf der Onlineredaktion und ist Mutter zweier erwachsener Kinder und eines Primarschülers.

Alle Artikel von Maria Ryser

Mehr zum Thema Elternstress

Kinder im Wachstum brauchen ausreichend Vitamine und Vitamin B Strath
Advertorial
Was Kinder zum gross werden brauchen
Für ein gesundes Wachstum benötigen Kinder Vitamine, Mineralstoffe, lebenswichtige Fette – und vieles mehr.
Elternblog
Bin ich eine gute Mutter?
Unsere Kolumnistin Mirjam Oertli merkt, dass sie noch nie von sich gesagt hat, sie sei eine gute Mutter. Gefragt hat sie sich das indes schon oft.
Elternbildung
So bilden Eltern ein starkes Team
Eltern sehen sich mit unzähligen Erwartungen und Aufgaben konfrontiert. Eine faire Aufgabenteilung hilft, Erschöpfung und Frust vorzubeugen.
Thomas Feibel Medienexperte
Familienleben
«Hallo? So was kannst du echt nicht sagen!»
Wenn Kinder in die Rolle der Sprachpolizei schlüpfen und ihre Eltern für deren Wortwahl kritisieren, ist der Ärger vorprogrammiert.
Erziehung
Wo Kinder sind, da ist es laut
Kinder schreien, lachen, toben – und nerven damit ihr Umfeld. Experten geben Tipps, wie Eltern mit dem hohen Lärmpegel umgehen können. 
Mikael Krogerus Kolumnist
Familienleben
Eltern sein heisst nie mehr nicht Vater oder Mutter sein
Dies ist der letzte Beitrag von Mikael Krogerus für Fritz+Fränzi. Darin zieht der Kolumnist viele lehrreiche Fazits zum Eltern sein.
Haftstrafe: Kinder mit Elternteil im Gefängnis
Familienleben
Mama muss ins Gefängnis
Anita Tamino erhält eine mehrjährige Haftstrafe. Die zweifache Mutter kämpft für eine kindergerechte Lösung – und wird jedes Mal enttäuscht.
Familienleben
Väter würden gerne weniger arbeiten
Die Swiss Life untersucht in einer Studie die Gender Pension Gap in der Schweiz. Unverheiratete Mütter sind in Sachen Vorsorge oft im Nachteil. Und: Väter arbeiten mehr, als sie eigentlich gerne würden.
Erziehung
«Eltern brauchen viel Vertrauen. In sich selbst. Und in das Leben»
Viele Eltern wollen ihre Kinder bedürfnisorientiert erziehen und erfüllen dabei vor allem deren Wünsche, sagt die Pädagogin Inke Hummel. Als Ursache dafür sieht die Ratgeberautorin eine Konfliktscheue, die aus der eigenen Kindheit rührt.
Blog
Alles verwöhnte Saugoofen?
Unser Kolumnist Christian Johannes Käser erinnert sich an seine Grossmutter und fragt sich, ob wir unsere Kinder manchmal zu sehr verwöhnen.
Familienleben
7 Tipps, wie Eltern besser schlafen
Nur noch eine Folge der Lieblingsserie schauen oder sich auf social Media tummeln. Eltern gehen abends oft später schlafen, als ihnen guttut. So schaffen Sie es früher ins Bett.
Abschieben der Schlafenszeit
Familienleben
Wenn der Feierabend immer länger wird
Wenn der Feierabend immer länger wird Ist der Nachwuchs erst einmal im Bett, haben Eltern endlich Zeit für sich ​– und gehen schliesslich oft später schlafen, als ihnen guttut. Auszeiten während des Tages helfen, dies zu verhindern. Text: Birgit Weid
Welt
Blog
Zwei Welten – eine Not
Die Welt einer Profisportlerin und die Welt einer Mama sind grundverschieden. Doch wenn man hinter die Fassaden schaut, kommen Gemeinsamkeiten zum Vorschein.
Zwischen Kinder und bedürftigen Eltern
Elternblog
Zwischen Kindern und bedürftigen Eltern
Was tun, wenn die Eltern bedürftig werden? Das geht oft schleichend und trifft unsere Bloggerin in einer ohnehin fordernden Lebensphase.
Wie geht Erziehung ohne Schimpfen?
Elternbildung
Wie geht Erziehung ohne Schimpfen?
In den meisten Familien gehört Schimpfen zum Alltag: Eltern schimpfen mit ihren Kindern, mal mehr, mal weniger. Doch Grenzen und Regeln lassen sich durch Anbrüllen nicht durchsetzen.
Getrennte Eltern Trennungsserie Scheidungskinder
Elternbildung
5 Ideen, wie das nächste Betreuungswochenende gelingt
Noch immer sind viele Kinder, deren Eltern getrennt leben, nur am Wochenende bei Papi oder Mami. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen.
Stefanie Rietzler
Blog
Ich habe alles, warum bin ich nicht glücklich?
Das Gefühl der Unzufriedenheit plagt viele Menschen. Bei der Suche nach dem inneren Frieden hilft es, wenn wir unser Leben in einem grösseren  Zusammenhang betrachten.
Elternbildung
Wenn das Kind in einen Loyalitätskonflikt gerät
Wer sich von seinem Partner trennt, tut dies selten in bestem Einvernehmen. Sind die Gräben aber zu tief, kann das für die Entwicklung eines Kindes negative Folgen haben.
Wie Soundhealing Wut bei Kindern besänftigt
Familienleben
Wie Soundhealing Wut bei Kindern besänftigen kann
Wütende Kinder sind mit Worten oft nicht mehr erreichbar. Soundhealing kann weiterhelfen. Zu Besuch bei Klangtherapeutin Bettina Steffen.
Stefanie Rietzler
Blog
Kann ich es hier eigentlich niemandem recht machen?
Viele Eltern stehen heute unter hohem Druck. Es tut gut, zu wissen, welche Ansprüche aus dem eigenen Umfeld man getrost über Bord werfen kann.
Erziehungsmythen
Erziehung
«Eltern sollten weniger hart mit sich ins Gericht gehen»
Die Psychotherapeutin Felizitas Ambauen weiss aus ihrer Praxis, dass viele Eltern ihre Kinder anders erziehen wollen, als sie selbst erzogen wurden, und in stressigen Momenten doch in alte Muster fallen. Sie rät, Druck aus dem Familienalltag zu nehmen.
Weniger Streit mit dem Ex-Partner
Elternbildung
Weniger Streit mit dem Ex-Partner
Meist erhoffen sich Paare nach einer Trennung mehr Ruhe im Familienleben, was nicht einfach ist. Fünf Tipps für eine friedvolle Kommunikation.
Elternbildung
«Noah muss es selbst ausbaden, wenn er morgens zu spät kommt»
Verleger Ronny Spiegelberg und sein Teenager-Sohn sind ein eingespieltes Team – auch was den Umgang mit stressigen Situationen angeht.
Schule
Keine Panik vor dem Standortgespräch
Lädt die Lehrperson zum Gespräch in die Schule ein, sind viele Mütter und Väter zunächst verunsichert. Zu Unrecht.
Dossier Elternstress
Elternbildung
«Eine Stressquelle bleibt das gemeinsame Essen»
Unternehmerin Felizitas Fluri kennt stressige Momente mit ihrer sechsköpfigen Familie zur Genüge. Doch eine Strategie hilft fast immer: möglichst viel Struktur.