Ironie: «Kinder erkennen den Witz auch an der Satzmelodie»
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«Kinder erkennen den Witz auch an der Satzmelodie»

Lesedauer: 2 Minuten

Die Psychologin Pauline Larrouy-Maestri forscht zum Thema Ironie und weiss, wie deren Bedeutung entschlüsselt wird.

Interview: Birgit Weidt
Bild: zVg

Frau Larrouy-Maestri, plädieren Sie dafür, ironische Äusserungen als ­pädagogisches Mittel einzusetzen?

Es kommt auf die Situation an, jedoch sehe ich es generell positiv, wenn Eltern witzige Bemerkungen machen. Es signalisiert: Das hier entspricht gerade nicht meinen Erwartungen, aber ich liebe dich dennoch! Wenn dies dazu führt, unerwünschtes Verhalten zu unterbinden, mag dies effektiver sein als strikte Massnahmen.

Ironie: Interview mit Pauline Larrouy-Maestri
Pauline Larrouy-Maestri ist eine belgische Psychologin und hat beim Max-Planck-Institut für Empirische Ästhetik in Frankfurt am Main eine Studie zum Wesen von Ironie geleitet. (Bild: zVg)

Was hat Sie im Rahmen Ihrer ­Forschung überrascht?

Ich fand mit meinem Team heraus, dass Ironie auch durch eine Verschiebung der Betonung entschlüsselt wird, also wenn Wörter vor allem am Satzanfang in einer tiefen Tonlage ausgesprochen werden. Witzig gemeinte Äusserungen unterscheiden sich von der «aufrichtigen» Sprechweise durch den anderen Tonfall, eine lang hingezogene Betonung und eine niedrige stimmliche Grundfrequenz. Kindern gelingt es ab einem Alter von ungefähr neun Jahren, darauf zu achten und zu erkennen, dass die Erwachsenen etwas anders meinen, als sie sagen.

Ironie ist wie ein ­Geheimcode: Manche ­Äusserungen versteht nur die Familie.

Pauline Larrouy-Maestri, Psychologin

Was ist eine niedrige stimmliche Grundfrequenz?

Bei ironischen Bemerkungen ist die Stimme oft ein bisschen tiefer, was einen interessanten Effekt erzeugt – ein Muster, das sich auch in rhe­torischen Fragen wiederfindet. Das ist ein Unterschied zur normalen Sprechweise und gibt dem Ganzen eine zusätzlich witzige Note.

Manchmal spielt man mit der Stimme, mit einem Auf und Ab, wie bei Fragen, auf die man eigentlich keine Antwort erwartet. Es kommt darauf an, wie das Anliegen herübergebracht werden soll und in welcher Situation man gerade steckt. Und natürlich darauf, wie alt die Kinder sind und ob sie Ironie schon verstehen.

Nicht nur stimmliche Nuancen in der Kommunikation sind wichtig, sondern auch der Kontext?

Genau. Oft können gewisse Äusserungen nur «intern» entschlüsselt werden, denn Ironie ist wie ein Geheimcode. Manche Witze versteht zum Beispiel nur die Familie. Wenn die Tochter morgens noch im Pyjama herumläuft, statt fertig angezogen für die Schule zu sein, ruft die Mutter: «Na, bereit für den Laufsteg der Modewoche?» Daraufhin lachen beide, denn Mutter und Tochter wissen, wie sehr das Mädchen darauf achtet, sich immer chic anzuziehen.

Gibt es verschiedene Arten von Ironie?

Ja, die am häufigsten angewandte ist die Situationsironie. Wenn die Kinder zu spät nach Hause kommen, rufen die Eltern: «Na, perfekt pünktlich. Da kann man die Uhr nach­stellen!» Eine andere Variante ist die sarkastische, um Kritik auszudrücken: Ein geschiedener Vater stellt seinen Sohn der neuen Partnerin vor. Der Junge hat keine Lust auf das Treffen, schweigt den ganzen Abend, antwortet auf keine Fragen und lässt die neue Lebensgefährtin auflaufen, so sehr sich diese auch bemüht. Als der Vater seinem besten Freund von dem Abend erzählt, folgt prompt der Kommentar: «Na, das kam sicherlich verdammt gut an bei ihr!» Manchmal hilft es einfach, den Ärger mit etwas Humor abzuschwächen.

Ab welchem Alter verstehen Kinder Ironie?

Eltern verwenden häufiger ironische Äusserungen, als ihnen bewusst ist. Dahinter steckt die Absicht, kritische Bemerkungen zu umgehen. An sich ist das keine schlechte Idee, manchmal kann Ironie aber auch schaden.

Lesen Sie hier einen weiteren Artikel von Birgit Weidt zum Thema Ironie.

 

Birgit Weidt
Birgit Weidt ist Journalistin und Buchautorin und lebt in Berlin. Sie ist Mutter einer erwachsenen Tochter sowie Grossmutter.

Alle Artikel von Birgit Weidt

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