Humor: Worüber Kinder lachen und warum Eltern mitlachen sollten
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Worüber Kinder lachen und warum Eltern mitlachen sollten

Lesedauer: 4 Minuten

Wer den Humor seines Kindes fördert, hilft ihm in vielerlei Weise. Wie entwickelt sich das Verständnis für Humor bei Kindern und über was lachen Primarschüler gerne?

Text: Regina Röttgen
Bilder: Pixabay

Der Lehrer fragt, wer hat Amerika entdeckt … nein …  Die Klasse soll auf dem Globus zeigen, wo Amerika liegt», freudestrahlend erzählt der siebenjährige Luka seiner Mama einen Witz. «Der Lehrer ruft klein Dieter, der soll zeigen wo Amerika liegt.»  Seiner Mutter fällt es zuerst schwer, ihrem Sohn zu folgen. Zu konfus ist das Gesagte. Trotzdem hört sie geduldig zu. Denn: Wie alle Kinder in seinem Alter muss auch Luka sich erst einmal an den Witz erinnern. Beim Erzählen alles in die richtige Reihenfolge zu bringen ist auch nicht so leicht. «Dann fragt der Lehrer, und wer hat Amerika entdeckt?» Luka kichert vor Aufregung. «Alle rufen: Klein Dieter!»

Lachen hilft

«Humor macht das Leben leichter», sagt Humor-Forscherin Jenny Hofmann. Denn Lachen löse nicht nur positive Emotionen aus. Auch negative würden gehemmt: Missgeschicke und die Welt an sich würden gelassener hingenommen. Als Oberassistentin am Psychologischen Institut der Universität Zürich forscht Hofmann insbesondere zu den Themen Humor und Lachen. «Humor hilft Sorgen, Stress und Konflikte zu bewältigen», sagt sie.

Humor hemmt negative Gefühle.
Humor hemmt negative Gefühle.

Gerade Kinder kommen so leichter durch den Alltag. Mit anderen Kontakt aufzunehmen oder Grenzen aufzuzeigen ist mit Scherzen einfacher. Selbst Aggressionen verpuffen.

«Für Kinder ist Humor vor allem Spiel. Spiel mit Ideen, Konzepten und der Umwelt», sagt die Humorexpertin. Kinder könnten zeigen, dass sie bekannte Konzepte kennen und wissen was «richtig» und «falsch» ist. Schulanfängern mache das besonders Spass. So verarbeiteten sie die Anspannung des ersten Schuljahres. Rätsel und Witze über dumme und gescheite Leute sind daher beliebt. 

Witze fördern die Sprachkompetenz

Humor kann aber noch viel mehr: Witze erzählen oder Wortspiele erfinden fördert die kognitive Entwicklung und Sprachkompetenz. Nehmen wir Luka: In seinem Alter beginnen Kinder zu verstehen, dass ein Wort mehrere Bedeutungen haben kann. Diese Logik hält Einzug in der Humorentwicklung. Doch auch kurze Wortwitze wie: «Was macht sieben mal sieben? Ganz feinen Sand» sinngerecht wiederzugeben, ist anfangs schwer und will geübt sein.

Auch eher groteske und clowneske Dinge werden von Schulanfängern noch als witzig empfunden. In diesem Alter lachen sich Kinder zudem über unabsichtlich entstandene Schäden und Katastrophen schlapp. Ein Graus für viele Eltern. «Kein Grund sich schlecht zu fühlen», beruhigt Hofmann.

Was macht sieben mal sieben? Ganz feinen Sand.

«Schadenfreude ist eine der ältesten Humor-und Lachformen und eine von 16 positiven Emotionen.»

Hofmann betont, dass Schadenfreude auch gute Seiten haben kann: «Schadenfreude zu thematisieren kann Ungerechtigkeiten aufzeigen. Gerade bei Jungen ist sie oft gross und meist am grössten, wenn einem jemand unrecht getan hat, und dann dieser Person etwas widerfährt.» Man kann es auch als Chance sehen, Kindern Empathie näher zu bringen. 

Erwachsenen fällt es generell oft schwer, den Humor von Kindern zu verstehen. Viele Witze lösen gerade mal ein müdes Lächeln aus. «Humor ist eine Frage des Alters. Primarschüler verstehen und wertschätzen nicht die gleiche Art von Humor wie Sekundarschülerinnen und -schüler oder Erwachsene», weiss Hofmann.

Selbst bei Primarschülern gibt es Unterschiede. Bei «Witze-Anfängern» geht meist die Pointe beim Erzählen unter – so heftig bringt sie allein schon der Akt des Witzerzählens zum Lachen. Insbesondere Buben vergessen die Pointe auch einfach. Mädchen sind da versierter. 

Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen

Laut der deutschen Humorforscherin Christine Bierbach strukturieren Mädchen Witze meist besser und verständlicher, da sie auch im Gespräch kooperativer sind und Wert darauf legen, genau verstanden zu werden sowie andere ausreden zu lassen. Jungen hingegen fallen lieber mit einer krachenden Türe ins Haus, um Aufmerksamkeit zu erhaschen und möglichst oft das Wort ergreifen zu können.

Witze für jedes Alter
  • 3 – 5 Jahre: Die Witze sind geprägt von Fäkalhumor: Pipi und Kaka kommen gross an.
  • 6 – 7 Jahre: Womit endet die Ewigkeit??? Mit «t» …
  • 7 – 8 Jahre: Ein Breitmaulfrosch hüpft durch die Landschaft. Da trifft er eine Kuh. Fragt der Breitmaulfrosch (in breitmäuligem Ton): «Wäär bist du dänn und was frisst dää?» Kuh: «Ich bin eine Kuh und ich fresse Gras.» Der Breitmaulfrosch hüpft weiter und trifft einen Fuchs. Sagt der Breitmaulfrosch: «Wäär bist du dänn und was frisst du dää?» Fuchs: «Ich bin ein Fuchs und fresse Mäuse.» Der Breitmaulfrosch hüpft weiter. Dann trifft er einen Storch. Wieder fragt er: «Wäär bist du dänn und was frisst du dää?» Storch: «Ich bin ein Storch und ich fresse Breitmaulfrösche!» Darauf der Breitmaulfrosch (spitzmaulig): «Dü gübt’s hür nücht. Dü gübt’s hür nücht.»
  • Ab 8 Jahre: Was ist weiss und kriecht den Berg rauf? Eine Lawine mit Heimweh.
  • 9 – 10 Jahren: Fritz kommt zu spät zum Unterricht. «Entschuldigung, ich hab‘ verschlafen.» Sagt der Lehrer: «Wie, zu Hause schläfst du auch?»
  • Ab 11 Jahren: Der Lehrer fragt seine Schüler: «Wer kann mir den Begriff Verantwortung erklären?» Daraufhin meldet sich Fritz und sagt: «An meiner Hose sind alle Knöpfe ab – bis auf einen. Der trägt jetzt die volle Verantwortung.»

Humor fördert das Selbstwertgefühl

Es ist die soziale Komponente, die Witzeerzählen für Kinder reizvoll macht. Sobald sie einen Witz gut erzählt oder sofort verstanden haben, erwacht ihr Ehrgeiz. Sie wollen es öfters und vor allem noch besser machen.

Gut für ihre intellektuelle Entwicklung ist es obendrein: Um einen Witz oder Comic zu verstehen, braucht man nämlich gewisse geistige Fähigkeiten. Bei jedem Erfolgserlebnis werden Kinder somit dazu ermutigt, diese weiterzuentwickeln. Zudem macht es sicherlich selbstbewusster. Denn die Forschungsarbeit der amerikanischen Kinderpsychologin und Pionierin der Resilienzforschung Ann S. Masten hat gezeigt, dass Kinder mit Humor meist engagiert, aufmerksam, kooperativ und beliebt sind. Gerne werden sie auch als Führungspersönlichkeiten bezeichnet. 

Von der 2. bis zur 4. Primarstufe stehen erst einmal Quatsch und Streiche auf dem humoristischen Programm. Auch Tabuthemen werden mit Humor bewältigt. Langsam haben die Kinder auch Spass daran, gegen Logik und Normen zu verstossen. Sie beginnen, sich damit auseinanderzusetzen, warum sie eigentlich über etwas lachen.

Jungen haben eine provozierende, kompetitive Art von Humor. Mädchen zeigen meist einen kooperativeren und subtileren Humor.

Christine Bierbach in ihrem Buch «Das Gelächter der Geschlechter»

Ab neun bis zehn Jahren ändert sich alles: Humor wird pantomimisch. Sprachliche und mimische Nachahmung, Spott und Neckereien haben plötzlich grosses komisches Potential. Klassenclowns sind jetzt besonders beliebt. «Sie haben aber nicht unbedingt mehr Humor als ihre stillen Mitschüler», meint Hofmann. Er sei nur extrovertiert. In dieser Altersgruppe zeige sich langsam auch ein Verständnis für Ironie und Satire.

Elf- bis Zwölfjährige erwarten dann zunehmend geistreichen Humor. Mit ironischer Selbstreflexion werden gar eigene Probleme und Fehler kaschiert. 

Wie viele Eigenschaften wird auch die Humorentwicklung von Gleichaltrigen beeinflusst. Eltern können aber auch etwas für das Humorverständnis ihrer Kinder tun. «Wir leben den Kindern vor, worüber und über wen man lachen darf.» Daher rät Hofmann: Öfters mal mit den Kindern zusammen lachen und sich Witze erzählen lassen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Witze und Blödeleien sind gut für die kindliche Entwicklung.
  • Witzeerzählen fördert geistige Fähigkeiten.
  • Extrovertierte Kinder lachen schon bei geringer Lustigkeit.
  • Introvertierte Kinder drücken Lustigkeit mimisch weniger aus.
  • Vorsicht mit Ironie: Bis zum Alter von 10 Jahren meinen Kinder oft, man mache sich über sie lustig.

Regina Röttgen

Regina Röttgen
Die Autorin lebt auf einem Bauernhof in der Türkei. Kinder und Tiere sind sowohl privat als auch beruflich die Hauptthemen im Leben der freiberuflichen Journalistin.

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