So lernt Ihr Kind Verantwortung zu übernehmen
Erziehung läuft aufs Loslassen hinaus: Irgendwann müssen Kinder die Verantwortung, die Eltern für sie getragen haben, selbst übernehmen. Dafür brauchen sie aufmerksame Begleitung, aber auch Freiraum. Denn je öfter wir eingreifen, desto weniger lernen sie fürs Leben. Wie dieser Balanceakt gelingt und worauf es dabei ankommt.
Auf die Frage, was sie ihrem Kind für die Zukunft wünschen, haben viele Eltern dieselbe Antwort: Es möge glücklich sein. Und wir alle hoffen, dem Nachwuchs zumindest ansatzweise mitgeben zu können, was es dafür braucht: ein gutes Selbstwertgefühl beispielsweise. Die Fähigkeit, für sich selbst einzustehen, ohne die anderen aus dem Blick zu verlieren. Die Erfahrung, Mitglied einer Gemeinschaft zu sein und für sie einen Beitrag zu leisten, der etwas zählt.
Persönliche Verantwortung ist die Art Verantwortung, die ein Mensch trainieren muss.
Jesper Juul
Man könnte sagen: Jemand, der in dieser Weise auf sich selbst und andere achtet, übernimmt Verantwortung, die – im Idealfall – früher seine Eltern für ihn getragen haben. Fast vollumfänglich, als ihr Kind ein Säugling war, um sie dann Schritt für Schritt dem jungen Menschen zu übergeben, der da heranwächst. Worauf kommt es dabei an? Wie lernt ein Kind, Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen? Wann können Eltern ihm die Verantwortung wofür übertragen? Und wie wissen sie, ob sie damit seine Selbständigkeit stärken – und das Kind nicht überfordern?
Die Sache mit dem Urvertrauen
«Die persönliche Verantwortung ist die Art von Verantwortung, die ein Mensch trainieren muss, um sie gut zu beherrschen», schrieb der 2019 verstorbene dänische Familientherapeut Jesper Juul. «Deshalb können Kinder auch nicht sogleich ‹beweisen› – und ihre Eltern dadurch beruhigen –, dass sie in der Lage sind, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.» Auch die Forschung zeigt: Verantwortung will gelernt sein.
Am Familientisch bieten sich Gelegenheiten, die Folgen eigener Entscheidungen zu thematisieren.
Zwar ist aus Entwicklungsbiologie und Hirnforschung bekannt, dass gewisse Verhaltensdispositionen, die als «Vorläuferfähigkeiten» für Verantwortung gelten, im Menschen angelegt sind: die Fähigkeit zur Empathie etwa oder jene zum Lernen durch Imitation. Ausschlaggebend dafür, ob und wie diese Anlagen zur Geltung kommen, ist jedoch soziales Lernen – Erfahrungen, die wir mit unserer Umwelt machen.
Die frühen Bindungserfahrungen spielten dabei eine Schlüsselrolle, sagt Eveline Gutzwiller-Helfenfinger, Dozentin für Entwicklungspsychologie und Heilpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Schwyz: «Erlebt ein Säugling, dass seine Bedürfnisse nach Nahrung, Schutz, Wärme und Geborgenheit zuverlässig erfüllt werden, stärkt dies nicht nur die Bindung zu seinen Bezugspersonen, es begründet sein Vertrauen in die Welt und die eigene Person.»
Diese Erfahrung verkörpert, was der Psychoanalytiker Erik Erikson als Urvertrauen bezeichnet hat. Was aber hat dieses mit Verantwortung zu tun? So einiges, wie die Bindungsforschung nahelegt: Wer ab Geburt von seinen Bezugspersonen Fürsorge, Verlässlichkeit und Anerkennung erfährt, wird später eher fähig und bereit sein, Mitmenschen ebenso zu begegnen.
Umgekehrt liefern Studien Hinweise darauf, dass unsichere Bindungserfahrungen in der frühen Kindheit das Risiko für unverantwortliches Handeln im Erwachsenenalter erhöhen, beispielsweise für Straffälligkeit oder Drogenmissbrauch.
Dem Kind helfen, Emotionen zu verstehen und zu benennen
Eltern, die ihrem Kind liebevoll zugewandt sind, fördern damit Eigenschaften, die für verantwortliches Handeln unabdingbar sind. Das Wissen über Emotionen zum Beispiel. «Die eigenen Gefühle zu verstehen und zu benennen», sagt Gutzwiller-Helfenfinger, «muss ein Kind zuerst lernen.»
Eltern können ihm dabei helfen, weiss die Expertin, indem sie dem Kind seine Emotionen spiegeln und versprachlichen: «Jetzt freust du dich, wie schön!» Oder: «Du bist wütend, weil du jetzt gerne ein Eis hättest und keines bekommst.»
Solche «Übersetzungshilfen» ermöglichen dem Kind mit der Zeit, eigene Emotionen einzuordnen und ein Verständnis für die des Gegenübers zu entwickeln. Denn verantwortungsvolles Handeln setzt voraus, dass wir uns in andere hineinversetzen können – im Wissen darum, dass jeder Mensch seine eigene Sicht auf die Welt hat.
Die Entwicklung der sogenannten Theory of Mind, wie die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme in der Entwicklungspsychologie auch genannt wird, setzt ab dem dritten Lebensjahr ein. «Sie ebnet den Boden für Hilfe und Kooperation», sagt Moritz Daum, Leiter der Entwicklungspsychologie an der Universität Zürich. «Durch die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme erkenne ich beispielsweise, dass eine andere Person etwas erreichen möchte, allein aber nicht in der Lage dazu ist. Gleichzeitig realisiere ich, dass ich Hilfe leisten kann.»
Eltern können diese Entwicklung Daum zufolge unterstützen, indem sie Zusammenhänge, die dem Kind zunächst nicht offensichtlich erscheinen, greifbarer machen. Etwa auf dem Spielplatz: «Schau, das Mädchen weint. Es ist traurig. Kannst du dir vorstellen, warum? Weisst du noch, wie traurig du warst, als dir deine Schaufel weggenommen wurde?»
Teilhabe am Miteinander, ob im Dialog oder im gemeinsamen Tun, ist die Grundvoraussetzung für soziales Lernen.
Eveline Gutzwiller-Helfenfinger, Dozentin für Entwicklungspsychologie
Später bieten Diskussionen am Familientisch Gelegenheit, die Perspektivenübernahme zu üben und darüber hinaus zu thematisieren, was es heisst, die Folgen eigener Entscheidungen zu tragen, Anteil zu nehmen, verantwortungsvoll zu handeln: Der Arbeitskollege, der sich verschuldet und nun Geldsorgen hat, die Nachbarin, die nach ihrem Unfall womöglich Hilfe braucht, das Familienbudget, das nicht für alles reicht – es lohnt sich, solche Themen nicht Erwachsenengesprächen vorzubehalten, sondern sie auch mit Kindern zu besprechen.
Teilhabe am Miteinander, ob im Dialog oder im gemeinsamen Tun, ist die Grundvoraussetzung für soziales Lernen. Der Wunsch danach sei dem Menschen in die Wiege gelegt, sagt Gutzwiller-Helfenfinger: «Kinder äussern früh das Bedürfnis, sich in die Gemeinschaft einzubringen. Ab etwa zwei Jahren wollen sie mitmachen, sei es beim Spiel mit Gleichaltrigen oder bei Haushaltsarbeiten, bei denen sie ihre Eltern imitieren.»
Dabei üben sich Kinder in Fertigkeiten, die verantwortliches Handeln überhaupt erst möglich machen. Von zentraler Bedeutung sind dabei die sogenannten exekutiven Funktionen, deren Entwicklung erst im frühen Erwachsenenalter vollständig abgeschlossen ist. Sie erlauben uns, Handlungen zu planen, umzusetzen und deren Folgen abzuschätzen.
Eine wichtige Exekutivfunktion ist die Selbstregulation: Die Fähigkeit, Aufmerksamkeit gezielt zu steuern und Gefühle und Verhalten so zu lenken, dass wir nicht jedem Impuls nachgeben. Wer über eine gut entwickelte Selbstregulation verfügt, schafft es mit der Zeit, dem Unterricht zu folgen, obwohl Schwatzen verlockender wäre, oder kann sich in der Gruppe auch mal zurückstellen.
«Selbstregulation lernen wir ab Geburt», sagt Gutzwiller-Helfenfinger. Wenn Eltern ihr Baby wiegen und trösten, unterstützten sie es in der Selbstberuhigung – später bieten alltägliche Aufgaben ein Übungsfeld für Selbstregulation.
«Sich selbst ankleiden, Wäsche zusammenlegen, beim Kochen mithelfen», sagt Gutzwiller-Helfenfinger. «Bei solchen Herausforderungen übt sich ein Kind in Selbständigkeit, Problemlösefähigkeiten und Frustrationstoleranz. Wichtig ist, dass die Eltern nicht gleich eingreifen, wenn Probleme auftauchen, sondern das Kind machen lassen – auch wenn der Pulli verkehrt herum sitzt oder die Wäsche knittert.» All dies, so die Expertin, fördere die Selbstregulation, durch die Erfahrung von Selbstwirksamkeit aber auch die Motivation des Kindes, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Stolpersteine und Chancen beim «Ämtli»
Nun hat bekanntlich nicht unbedingt weniger Aufwand, wer den Nachwuchs einspannt – schnappt sich die Siebenjährige den Staubsauger, geht der Hausputz womöglich doppelt so lange. Gerade bei jüngeren Kindern ist die Verlockung deshalb gross, auf deren Hilfe zu verzichten. «Es geht nicht darum, alles stehen und liegen zu lassen, wenn ein Kind sich beteiligen will», sagt Gutzwiller-Helfenfinger.
Grundsätzlich täten Eltern aber gut daran, Kinder möglichst oft miteinzubeziehen. Denn Partizipation, weiss die Forscherin, hat viel mit dem Lernen von Verantwortung zu tun: Sie ermutigt Kinder, für ihre Belange einzustehen, lehrt sie, auch die der anderen zu berücksichtigen und lässt sie eigene und gemeinsame Ziele planen und umsetzen.
Wichtig ist, dass Eltern nicht gleich eingreifen, sondern das Kind machen lassen, auch wenn es Probleme gibt.
Mitmachen bedeutet oft Mithelfen, sei es zu Hause oder in der Schule. Das «Ämtli» scheint der Klassiker zu sein, wenn es darum geht, Kindern Verantwortung beizubringen. Laut Entwicklungspsychologe Daum sprechen mehrere Gründe dafür. Erstens: «Durch Wiederholung lernen wir, egal, ob es um schulische Inhalte oder Aspekte des Zusammenlebens geht. Bei wiederkehrenden Aufgaben festigen Kinder ihr Wissen und erweitern es schrittweise.»
Zweitens: «Die Familie spiegelt die Gesellschaft im Kleinen. Im Idealfall lernen Kinder hier, dass sie ein Teil der Gemeinschaft sind, die auf ihren Beitrag zählt und ihn anerkennt.» Dieser Eindruck verstärkt sich Daum zufolge, wenn Kinder auf ihre Mitarbeit eine Rückmeldung erhalten – auch dann, wenn die Sache nicht reibungslos läuft: «Ich weiss, du hattest keine Lust zu spülen. Wir sind froh, hast du es dennoch erledigt. Jetzt ist in der Küche wieder Platz zum Kochen.»
Indem Eltern ihrem Kind die Zuständigkeit für eine Aufgabe übertrügen, signalisierten sie ihm ihr Zutrauen, sagt Daum, was dazu beitrage, dass ein Kind sich wahr- und ernst genommen fühle. Durch die Art und Weise, wie es mit seinen Pflichten verfahre, lerne es ausserdem, dass Entscheidungen Konsequenzen haben: Wer den Wäscheberg nicht zeitnah abarbeitet, hat eben keine frischen Sachen mehr.
Die Herausforderung liegt darin, den Rahmen stets dem Entwicklungsstand des Kindes anzupassen.
Moriz Daum, Psychologe
Solche Lerneffekte, weiss der Experte, sind aber nur möglich, wenn Pflichten den Entwicklungsstand des Kindes berücksichtigen. Ein «Ämtli», das diese Voraussetzungen erfülle, sei mit klaren, altersgemässen Instruktionen verbunden, sagt Daum: «Wenn ich einen Fünfjährigen dazu auffordere, sein Zimmer aufzuräumen, wird ihn das unter Umständen überfordern. Sage ich hingegen: Sammle bitte alle Legos ein und versorge sie in dieser Schachtel, weiss das Kind, worum es geht.»
Zudem sollten Instruktionen beim Vorwissen des Kindes anknüpfen, an Abläufe und Inhalte, die es kennt. «Dies versetzt das Kind in die Lage, neue Informationen in den Kontext zu integrieren und dazuzulernen», sagt Daum.
Ein Kind, das im Strassenverkehr Begleitung braucht, würden wir kaum mit dem Einkauf beim Bäcker beauftragen. Kennt es die Route hingegen vom Schulweg, den es allein zurücklegt, sieht die Sache anders aus – das Kind hat Vorwissen. Seine neue Herausforderung liegt womöglich darin, dass es noch nie allein einkaufen war. Auch wenn es nur Brötchen und Milch besorgen muss, ist es daher wahrscheinlich, dass etwas vergessen geht. Dann hilft ein gemeinsam erstellter Einkaufszettel.
Wie viel Freiheit kann ich zulassen?
«So bestimmen Eltern den Rahmen, innerhalb dessen das Kind explorieren und selbst die Erfahrung machen kann: Was kann gutgehen, was schieflaufen?», sagt Daum. «Sie bieten ihm kleine Hilfestellungen, aber idealerweise nur in den Bereichen, die sein Wissen übersteigen.» Die Herausforderung liege darin, den Rahmen stets dem Entwicklungsstand des Kindes anzupassen und um neuen Handlungsspielraum zu erweitern. Wie viel Kontrolle braucht es dabei, wie viel Freiheit kann ich zulassen?
«Diese Antwort können sich Eltern nur selbst geben, indem sie ihr Kind aufmerksam beobachten», sagt Daum. Und: «Kinder müssen dabei auch mal an ihre persönliche Grenze kommen dürfen und wir als Eltern zulassen, dass sie die von uns gesetzten Grenzen testen oder überschreiten. Solche Erfahrungswerte helfen, den Rahmen immer wieder neu zu justieren.»
Kinder brauchen Freiraum, damit sie sich in Eigenverantwortung erproben können. Oder, wie es Jesper Juul in einer Kolumne für dieses Magazin formulierte: «Das Kind Selbstverantwortung übernehmen zu lassen, bedeutet, dass wir als Eltern ein wenig von unserer Macht abgeben müssen.» Denn ganz gleich, wie demokratisch Eltern erzögen, in den Augen ihrer Kinder verfügten sie über fast uneingeschränkte Entscheidungsgewalt. Deshalb wollten Kinder im Lauf ihrer Entwicklung immer mehr selbst entscheiden. «Sie drängen damit eigentlich auf grössere Selbstverantwortung», so Juul.
Eltern kennen es: Bereits im Vorschulalter insistieren Kinder auf mehr Mitbestimmung, ob am Esstisch oder bei der Kleiderwahl, später wollen sie Freunde und Hobbys selbst wählen, fordern einen auf, sich nicht einzumischen, verhandeln über Bettgehzeiten, Hausaufgaben, Ausgang. Und je älter sie werden, desto weniger greift elterliche Kontrolle.
Jugendliche müssen Entscheidungen treffen, manche davon mit weitreichenden Folgen. Besser, der Nachwuchs hat bis dahin Übung damit. Ein Kind Verantwortung zu lehren, bedeutet folgerichtig auch, es Entscheidungen selbst treffen zu lassen. Nicht immer natürlich – aber immer öfter.
Selbständig, aber nicht selbstbestimmt
Wenn Kinder Verantwortung übernehmen, tun sie dies allerdings oft nicht nach den Vorstellungen der Erwachsenen. «Mein Sohn war im zweiten Kindergartenjahr, als es jeden Morgen Streit gab. Ich musste ihn ständig antreiben, er solle frühstücken, die Zähne putzen, sich anziehen, vorwärtsmachen», erinnert sich die Zürcher Familienberaterin Maya Risch. «Irgendwann fragte ich ihn, ob er sich vorstellen könne, sich künftig selbständig bereitzumachen. Ich würde ihn lediglich wecken, Frühstück machen – und nicht mehr so viel reden. Er meinte sofort: Ja, das wolle er.»
Ein Kind Verantwortung zu lehren, bedeutet auch, es immer mehr Entscheidungen selbst treffen zu lassen.
So leicht man sich einig geworden sei, so schwierig sei es gewesen, dem Sohn die Verantwortung tatsächlich zu überlassen. «Denn das bedeutet, dass das Kind selbst entscheidet, wann es frühstückt, die Zähne putzt und sich anzieht», sagt Risch. «Es bedeutet auch, dass es die Konsequenzen für allfälliges Zuspätkommen selbst trägt.»
Ihr Sohn habe freudig Regie über seine Morgenrituale übernommen, fünf Minuten vor Abmarsch aber noch im Pyjama gesteckt. «Für mich war das kaum auszuhalten», erinnert sich Risch, «ich musste mich ablenken, um ihn nicht anzutreiben.» Nach gut zehn Tagen habe das Kind von allein begonnen, sich früher anzukleiden. «Offenbar musste er sich vergewissern, dass ich es ernst meine», sagt Risch. «Und ich musste lernen, zu akzeptieren, dass mein Kind seinen eigenen Ablauf hat.»
«Wenn mir Selbständigkeit in der Erziehung wichtig ist, muss ich zum Teil einfach akzeptieren, was mein Kind auf seine Art und Weise zu leisten vermag», sagt Fabian Grolimund. Das heisst laut dem Lerncoach und Psychologen: mit dem Resultat leben – den Schreibfehlern auf der Geburtstagskarte, der unregelmässig belegten Pizza.
«Je mehr ich als Erwachsener eingreife», sagt Grolimund, «desto stärker vermittle ich dem Kind das Gefühl, Dinge allein nicht bewältigen zu können.» Was Erwachsene von Kindern wollten, sei oft Selbständigkeit, aber bitte ohne Selbstbestimmung, moniert er: «Wir finden es wichtig, dass sie selbständig handeln – aber dann so, wie wir es für richtig erachten.»
Darin sieht Grolimund ein Problem: «Wir betonen bei jeder Gelegenheit Selbständigkeit und Eigenverantwortung – und haben gleichzeitig noch nie so viel Kontrolle über Kinder ausgeübt.»
Ein Widerspruch in sich, findet er: «Denn vieles lernen Kinder dann, wenn nicht die Absicht besteht, ihnen etwas beizubringen. Um Eigenverantwortung schrittweise zu erproben, brauchen sie Zeit, sich selbst kennenzulernen und auszuprobieren. Das gelingt am besten im freien Spiel.» Zeit mit Gleichaltrigen, ohne Erwachsene, die ein Programm anbieten und sich ins soziale Miteinander einmischen – solche Freiräume seien rar geworden.
Kinder Eigenverantwortung zu lehren, heisst auch, ihnen Freiräume zu schenken. Ein Stück Kontrolle abzugeben. Es bedeutet nicht, dass Kinder alles entscheiden dürfen oder sollen. Oder, um es in den Worten der deutschen Pädagogin und Bestsellerautorin Susanne Mierau zu sagen: «Es bedeutet vielmehr, dass wir unseren Blick genau auf die Kinder richten und überlegen, in welchen Bereichen sie diese Eigenverantwortung selbst tragen können. Es bedeutet auch, diese Ansicht im Laufe der Elternschaft immer wieder neu zu hinterfragen und die Eigenverantwortung des Kindes im Hinblick auf seine wachsenden Fähigkeiten auszubauen.»