Es ist nicht eure Aufgabe, eure Kinder glücklich zu machen!
«Sie möchten Ihr Kind so erziehen, dass es glücklich ist? Das ist ein Fehler», sagt unser Kolumnist Mikael Krogerus.
Wenn ich ehrlich sein soll, wünsche ich meinen Kindern nur eines: dass sie sich von den Unwegsamkeiten, Widerständen und Abgründen des Lebens nicht frustrieren lassen. Ich wünsche ihnen, dass sie nie bitter werden. Trotz oder gerade dann, wenn es das Leben oder die Liebe nicht gut mit ihnen meinen.
Mit anderen Worten: Ich möchte, dass sie glücklich sind. Das ist ein Fehler. Der Anspruch, «glücklich» zu werden, ist etwas vom Dümmsten, was man anderen überhaupt aufbürden kann. Ein unerreichbares Ziel, an dem niemand wächst, aber garantiert alle scheitern. Die Wahrheit ist, dass niemand glücklich ist. Am allerwenigsten jene, die vorgeben, es zu sein.
Die meisten Eltern sind natürlich nicht so blöd, ihre Kinder dazu zu erziehen, glücklich zu werden, weil sie selber wissen, wie illusorisch das ist. Aber was wünschen wir unseren Kindern eigentlich? Es gibt eine interessante Studie der Universität Harvard, die mich sehr beeindruckt hat, weil sie nachweisen konnte, dass die meisten Eltern – zumindest in Amerika – sagen, ihre oberste Priorität sei es, dass ihre Kinder fürsorglich und freundlich seien. Also nicht erfolgreich oder glücklich, sondern fürsorglich und freundlich. Schön, oder? Da möchte man sein Kind doch glatt zur Adoption an eine US-Familie freigeben.
Der Anspruch, ‹glücklich› zu werden, ist etwas vom Dümmsten, was man anderen überhaupt aufbürden kann.
Die Studie hat auch die Kinder gefragt, was sie denn glauben, was ihren Eltern wichtig ist. Und die meisten Kinder antworteten, dass für ihre Eltern an vorderster Stelle Glück und Erfolg stünden. Das heisst, wir glauben, unseren Kindern beizubringen, Freundlichkeit und Mitgefühl seien wichtiger als beruflicher Erfolg und persönliches Glück, aber offensichtlich kommt beim Nachwuchs etwas ganz anderes an: nämlich, dass es uns am wichtigsten ist, dass sie erfolgreich und glücklich werden.
Das Missverständnis rührt vermutlich daher, dass wir Eltern nur schlecht ertragen, wenn es unseren Kindern nicht gut geht. Sobald sie Schwierigkeiten in der Schule haben oder traurig sind, weil sie nicht zum Kindergeburtstag eingeladen wurden, unternehmen wir alles – wirklich alles –, um ihre Leistung zu verbessern oder ihre Stimmung zu heben. «Ich möchte, dass mein Kind glücklich wird» heisst in der Praxis: «Wenn mein Kind traurig ist, weil es nicht das Gymi schafft, zahle ich ihm Privatunterricht.» Oder: «Mein Kind wurde nicht zum Kindergeburtstag eingeladen, also organisiere ich eine eigene Party fürs Kind.»
Es ist ein tragisches Paradox: Weil wir unsere Kinder lieben, wollen wir ihr Leid verkleinern. Aber indem wir ihnen zu einem kurzfristigen Glück verhelfen, senken wir ihre Toleranz für Kummer. Was wir stattdessen machen können?
Vielleicht sollten wir sie so behandeln, wie wir selbst behandelt werden wollen, wenn wir in einer schwierigen Situation stecken: Wir brauchen keine Lösung, wir wollen verstanden werden. Die Aufgabe von uns Eltern ist es nicht, jedes Problem der Kinder zu lösen, damit sie glücklich werden, sondern sie in ihren Gefühlen ernst zu nehmen. Besonders dann, wenn diese nicht unseren eigenen Erfahrungen entsprechen.