«Ich dachte, ich würde es locker nehmen»

Psychiatrie-Pflegefachfrau Simone Steiner, 44, und Sporttherapeut Paolo Bogni, 47, aus Zürich waren als Kinder früh selbständig. Umso mehr erstaunt beide, dass ihnen Loslassen als Eltern von Zoe, 8, und Luna, 4, oft schwerfällt.
Verantwortung abgeben ist nicht leicht. Simone Steiner und Paolo Boni erzählen wie sie ihre zwei Töchter zu Selbständigkeit erziehen.
Paolo: «Zoe kommt in ein Alter, in dem Verantwortung übernehmen aktuell wird – mit Pflichten wie Zimmer aufräumen oder den Thek vorbereiten.»
Ich habe mir vorgenommen, Zoe auch mal auflaufenzu lassen.
Simone: «Die Lehrerin riet uns, Zoe die Verantwortung fürs Schulmaterial zu überlassen. Aber: Würden wir sie nicht ermahnen, ginge vergessen, was mitmuss. Ich habe mir vorgenommen, sie auch mal auflaufen zu lassen. Dann trägt sie eben die Konsequenzen. Bei den Hausaufgaben vergessen wir oft, nachzufragen, ob noch was offen ist. Da kommt es vor, dass sie abends auf den letzten Drücker noch etwas abschliessen muss.»
Paolo: «Naja, ich hatte zu Beginn der Uni noch Mühe, mir die Zeit einzuteilen. Kinder brauchen mitunter Anleitung, manche, auch Zoe, etwas mehr als andere.»
Simone: «Zum Beispiel legen wir den Mädchen am Morgen die Kleider bereit. Mir scheint, das sei nötig – weil Zoe sonst, wie sie jüngst vorhatte, bei Hitze im Wollpulli zur Schule ginge.»
Als Eltern musst du dranbleiben, auf Dingen beharren. Dafür hat man nicht immer Energie.
Paolo: «Die Mädchen sind diesen Service einfach gewohnt. Zoe zieht an, was wir bereitlegen, während Luna beginnt, sich querzustellen. Vielleicht sollten wir uns da mehr raushalten. Manchmal greift man als Eltern ein, um sich Diskussionen zu ersparen. Als Eltern bist du ständig am Hinterherräumen. Sollen es die Kinder im Alleingang machen, musst du dranbleiben, auf Dingen beharren. Dafür hat man nicht immer Energie.»
Simone: «Zimmer aufräumen klappt bei Zoe schon recht gut. Luna ist noch zu klein.»
Paolo: «Einerseits wäre ich froh, die Mädchen wären etwas autonomer, andererseits macht mir die Vorstellung auch Angst. Ich dachte früher, ich würde einmal ein entspannter Vater, der es locker nimmt, wenn die Kinder auf eigene Faust losziehen. Aber das stimmt nicht, und es erstaunt mich. Meine Mutter war 20, als ich geboren wurde, ich hatte viele Freiheiten, die ich auch auskostete – bis zum fünften Knochenbruch.»
Simone: «Ich war viel früher selbständig als unsere Mädchen. Meine Mutter war alleinerziehend, es ging nicht anders. Ich versuche aber, meine Töchter zu ermutigen, Zoe etwa dazu, die fünfminütige Busfahrt zum Akrobatikkurs allein zu machen. Das will sie noch nicht. Hingegen bleibt sie gerne mal eine Stunde allein zu Hause.»
Paolo: «Zoe ist Neuem gegenüber sehr vorsichtig. Manchmal wünschte ich mir, sie hätte mehr Selbstvertrauen. Bei Luna mache ich mir oft Sorgen, weil Risiken sie nicht abschrecken. Sie ist eine Draufgängerin, hat sich auch schon ein Bein gebrochen. Letzthin wollte sie kopfüber vom Klettergestell hängen – in vier Metern Höhe!»