«Wie sieht die Schule der Zukunft aus?»
Bei der Diskussion über Schulentwicklung fällt immer wieder das Schlagwort «Innovative Pädagogik» – doch was genau steckt dahinter?
Dieter Rüttimann, Gründer und Schulleiter der Zürcher Gesamtschule Unterstrass, bildet an der Pädagogischen Hochschule Zürich Lehrerinnen und Lehrer aus und ist zudem an vielen Schulen in der Beratung, Weiterbildung und im Coaching engagiert.
Professor Rüttimann, wann verdient ein pädagogisches Konzept aus Ihrer Sicht das Prädikat «innovativ»?
Diese Frage ist nicht ganz einfach, weil Schule eher reaktiv funktioniert und sich verändernden gesellschaftlichen Strömungen anpassen muss. Trotzdem ein Versuch: Als innovativ würde ich eine Schule bezeichnen, der es gelingt, Kinder – neben der Motivation zu hohen fachlichen Leistungen – zu verantwortungsvollen, handelnden Menschen zu bilden. Zudem sollten Prozesse der Beziehungsgestaltung zwischen Lehrpersonen und Kindern sowie entwickelte Formen der Zusammenarbeit unter den Lehrpersonen deutlich wahrnehmbar sein.
Als Lehrer und Schulleiter fühlen Sie täglich den Puls der jungen Generation: Welchen Bedürfnissen der Kinder müssen Schulen zukünftig besser gerecht werden?
Neben den grundlegenden, konstanten Bedürfnissen nach Zugehörigkeit, Autonomie und Kompetenzerleben gibt es auch Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen, die sich verändern – weil sich ihre Umwelt ständig ändert. So halte ich etwa einen produktiven Umgang mit allem Digitalen, die Fähigkeit zur Problemlösung, das Verfügen über Bewältigungsstrategien bei unerwarteten Ereignissen und somit den Aufbau von Resilienz für aktuell sehr wichtig. Zudem sollten Kinder lernen, den anderen, sich selbst und der Umwelt Sorge zu tragen.
Was können Eltern dazu beitragen, dass Schule gelingt?
Eltern übergeben ihre Kinder im Alter von vier Jahren dem Bildungssystem – meist einer oder mehreren Lehrpersonen, die sie nicht kennen und nicht ausgewählt haben. Dies erfordert von Eltern einen hohen Vertrauensvorschuss, dass die Schule gut für ihre Kinder sorgt. Eine solche Erwartung hilft Lehrpersonen weit mehr, als wenn ihnen misstraut wird. Zudem können Eltern ihre Kinder sinnvoll auf die Schule vorbereiten, wenn diese zuhause lernen, dass sie nicht immer im Mittelpunkt stehen und die Bedürfnisse anderer ebenso viel zählen wie die eigenen. Kommt es in der Schule zu Konflikten, sollten Eltern im Gespräch mit ihrem Kind nüchtern und fragend reagieren und für Verständnis gegenüber anderen Kindern oder den Lehrpersonen werben; so lernen Kinder besser, sich in andere einzufühlen und deren Perspektiven zu übernehmen. Und noch ein Appell an alle Eltern: Schützen Sie Ihre Kinder, wenn sich diese ungerecht behandelt fühlen! Statt einer nächtlichen Mail rufen Sie die Lehrpersonen lieber an und vereinbaren Sie ein persönliches Gespräch.
Mehr zum Thema erfahren Sie im «Kosmos Kind»-Vortrag «Wie sieht die Schule der Zukunft aus?» von Prof. Dieter und Nicolas Rüttimann am 14. Juni 2022, 18.00 Uhr, in der Stiftung. Für das Kind. Giedion Risch, Falkenstrasse 26, Zürich. Tickets unter www.fuerdaskind.ch/vortragszyklus
(50-Prozent-Abonnentenermässigung mit dem Promocode kosmoskind-22)