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Warum nützen Strafen in der Pubertät nichts mehr?

Lesedauer: 2 Minuten

Die Elternbildnerin Caroline Märki erklärt, wie man mit einem pubertierenden Kind spricht. Warum Strafen nichts nützen. Und wie man als Eltern auf verletzende Äusserungen reagiert.

Text: Claudia Landolt

Frau Märki, Pubertät bedeutet Loslassen.

Pubertät ist oft für Mütter hart. Viele haben bis anhin ihren Selbstwert über das Kind erhalten, haben sich gekümmert, es umsorgt, waren Krankenschwester, Köchin, Taxifahrerin, Seelentrösterin und vieles mehr. In der Pubertät fällt genau dies weg. Das Kind wünscht sich explizit mehr Distanz und will Eltern, die ihr eigenes Leben führen. Viele Mütter zweifeln und fragen sich: Wozu bin ich denn noch da?

Und die grosse Traurigkeit kommt?

Trauern soll man auch dürfen. Danach kommen aber unweigerlich die Fragen: Wo ist mein eigenes Leben, was wünsche ich mir noch vom Leben, und wie könnte dies ohne Kinder aussehen?

Caroline Märki ist Ausbildnerin mit eidgenössischem Fachausweis, Erwachsenen- und Elternbildnerin FA, Familienberaterin nach Jesper Juul und Leiterin familylab.ch. Sie ist verheiratet und Mutter dreier Kinder zwischen 12 und 16 Jahren. Foto: zVg
Caroline Märki ist Ausbildnerin mit eidgenössischem Fachausweis, Erwachsenen- und Elternbildnerin FA, Familienberaterin nach Jesper Juul und Leiterin familylab.ch. Sie ist verheiratet und Mutter dreier Kinder zwischen 12 und 16 Jahren. 

Gibt es einen Ausweg?

Es ist gesund, wenn sich das Kind gegen zu viel Fürsorge wehrt und sich von der Kindheit verabschiedet. Als Mutter sollte man versuchen, sich den Selbstwert woanders zu holen. Das muss nicht bei der Arbeit im klassischen Sinn sein, es kann ein Hobby sein, ein Ehrenamt, der Partner.

Die Beziehung neu entdecken?

In der Realität klappt es leider nicht immer. Nach 14, 15 Jahren Ehe herrschen oft Unzufriedenheit oder unterschwellige Konflikte, die angeschaut werden sollten. Auch Partnerschaften müssen sich neu definieren. Jugendliche aber wollen nichts anderes, als dass ihre Eltern sich um ihr eigenes Leben und ihre Partnerschaft gut kümmern.

Pubertierende Kinder können mit Worten sehr verletzen.

Es hat keinen Sinn, sich über fiese Äusserungen von Teenagern aufzuregen. Mein Sohn beschimpfte mich einmal in einem Konflikt sehr übel. Später realisierte ich: Er wollte mich mundtot machen, weil ich ihn in die Ecke drängte. Die fiesen Worte waren wohl seine letzte und quasi tödliche Waffe.

Zweiter Streitpunkt: die Launen. Pubertierende sind muffelig.

Das ist so. Und man kann es getrost vergessen. Also einen schönen Abend wünschen und das Kind in Ruhe lassen.

Dritter Streitpunkt: chronische Unpünktlichkeit.

Fehlende Kooperation der Kinder ist nicht per se böse Absicht. Meine Tochter kam sehr oft zu spät zu Verabredungen. Ihre Entschuldigung lautete stets: Ich habe die Zeit vergessen. Irgendwann sagte ich ihr, ich könne das nicht mehr hören. Es kam zum Streit, weil sie meinte, ich glaube ihr nicht. Später sagte sie mir, es sei einfach so wahnsinnig stressig, die Zeit im Auge zu behalten. Wir redeten darüber, dass es wichtig ist im Leben, pünktlich zu sein. Wichtig ist das Interesse, weshalb es dem Kind nicht gelingt zu kooperieren.

Wie gelingt ein Gespräch mit einem pubertierenden Kind?

Indem man einen Dialog führt. Wir führen einen Dialog, um etwas über uns selbst, den anderen und ein Thema zu lernen – nicht um den anderen von einer vorgefertigten Meinung zu überzeugen wie etwa in einer Diskussion. Ein Dialog entsteht, wenn beide Seiten von sich selbst reden und sich zuhören.

Warum nützen Strafen in der Pubertät nichts mehr?

Wenn Kinder ihre Eltern nicht ernst nehmen, setzen diese oft Strafen oder Konsequenzen ein, damit ihr Kind gehorcht. Diese Strafe wirkt wie eine Art Satellit in der Kommunikation zwischen Eltern und Kind: «Ich habe es aufgegeben, dich dazu zu bringen, meine Person ernst zu nehmen, also ersetze ich das mit Strafen, die du hoffentlich ernster nimmst und mehr respektierst als mich.» Das ist für mich der Start einer «schiefen»Kommunikation.

Denn die Erwachsenen müssen immer neue und strengere Konsequenzen erfinden, um sich gegen die Respektlosigkeit der Kinder zu behaupten. Das führt zu einem Familientanz, der nicht beziehungsfördernd ist. Dabei ist das in der Pubertät entscheidend. Eine echte Beziehung zum Kind bedingt, dass Eltern reflektieren und wissen, was sie wollen, warum sie gerade so fühlen. Und das sollten sie auch dem Kind mitteilen.

Claudia Landolt
ist Mutter von vier Söhnen und diplomierte Yogalehrerin.

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