Hilfe, meine Tochter will ein Tattoo!

Ramonas 14-jährige Tochter steckt in der Pubertät. Die Teenagerin will ein Tattoo, ihre Mutter ist dagegen. Wie schafft sie es, das eh schon schwierige Verhältnis zu ihrer Tochter nicht weiter strapazieren? Verbieten oder erlauben? Das sagt unser Expertenteam.
Eine Frage – drei Meinungen
Meine Tochter, 14, steckt gerade mitten in der Pubertät und unser Verhältnis ist schwierig und angespannt. Ich komme fast nicht mehr an sie ran. Nun möchte sie sich auch noch ein Tattoo stechen lassen. Eigentlich bin ich dagegen, aber ich will nicht, dass unsere Beziehung noch mehr leidet. Ausserdem habe ich die Hoffnung, dass sie mich wieder etwas lieber hat, wenn ich ihr das Tattoo erlaube. Was würden Sie tun?
Ramona, 38, Solothurn
Das sagt unser Expertenteam dazu:

Wie wäre es mit dem Kompromiss, dass sie sich M A M A in schöner Frakturschrift zusammen mit einem pfeildurchbohrten Herzen auf den Unterarm stechen lässt? Natürlich ist das kalte Erpressung, was Ihre Tochter da veranstaltet; aber vielleicht gönnen Sie sich und ihr doch mal die Überraschung, dass Sie auf ihren Wunsch eingehen. Und Sie könnten – mögen Sie? – sich sogar zusammen mit ihr («Mammma, das ist sooooo peinlich!» – «Aber der Herr Schneider hat das gesagt.» – «Der ist ja noch viel peinlicher!») ein Tattoo stechen lassen. Denn was tut man nicht alles für den Frieden und gegen die Pubertät und für seine Tochter. (Schicken Sie mir ein Foto?)

Erhält Ihre Tochter, was sie sich wünscht, wird sie das zufrieden machen. Ohne Zweifel. Aber das heisst nicht, dass sie anders mit Ihnen umgehen wird. Wenn Sie die Beziehung stärken wollen, nutzen Sie gute Momente, in denen Ihre Tochter zugänglich ist, und zeigen Sie ihr dann, dass Sie sie lieb haben. Haltung einnehmen ist jedoch auch im Jugendalter wichtig. Diskutieren Sie in einem ruhigen Moment miteinander: Hören Sie zu, warum Ihre Tochter dies möchte. Stellen Sie auch Ihre Sicht dar. Manchmal kann es hilfreich sein, in Aussicht zu stellen, wann etwas möglich sein wird. Somit vermeiden Sie ein generelles Nein und lassen eine Türe offen.

Liebe Ramona, ich bin selber tätowiert. Über den eigenen Körper sollte jeder Mensch selber bestimmen dürfen. Denn ist es nicht seltsam? Ohrlöcher lässt man Kinder schon im Kindergarten stechen, weil Ohrringe zum Normkörperschmuck gehören, aber danach ist erst mal Schluss mit Körperverzierungen. Mit 14 ist Ihre Tochter allerdings noch etwas gar jung für eine so weitreichende Entscheidung. Jedenfalls wenn das Tattoo nicht klein und über dem Knöchel geplant ist, wo es bei Bedarf dereinst versteckt werden kann. Ich habe meinen Töchtern ab 16 Piercings und Tattoos erlaubt. Sie haben mich wegen der Wartezeit noch nerviger gefunden als sonst. Aber nervig ist Mama für ein Mädchen in der Metamorphose ja ohnehin.
Das Expertenteam:
- Annette Cina, 51, arbeitet am Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg. In ihrer eigenen Praxis berät die Psychologin, Psychotherapeutin und dreifache Mutter Jugendliche und Erwachsene. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Prävention von kindlichen Verhaltensstörungen, Paarkonflikte, Kindererziehung und Stress.
- Peter Schneider, 66, ist Psychoanalytiker, Kolumnist und Satiriker. War mal Professor für Pädagogische und Entwicklungs-Psychologie an der Uni Bremen, ist immer noch Privatdozent für Klinische Psychologie an der Uni Zürich. Vater und Ehemann eines erwachsenen Sohnes und einer erwachsenen Frau aus und in erster Ehe.
- Nicole Althaus, 54, ist Chefredaktorin Magazine und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag», Kolumnistin und Autorin. Sie hat den Mamablog auf tagesanzeiger.ch initiiert und war Chefredaktorin von «Wir Eltern». Nicole Althaus ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern.
In dieser Rubrik beantworten Expertinnen und Experten Ihre Fragen zu Erziehung und Alltag mit Kindern.
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