Oh Schreck, die Tochter will ein Tattoo!
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Oh Schreck, die Tochter will ein Tattoo!

Lesedauer: 2 Minuten

Die Zeit sei reif für ein Tattoo, sagt die Tochter mit ernster Stimme, die Phase des Überlegens nun vorbei und die Volljährigkeit in Greifnähe. Nein, nein, finden wir Eltern, ein Tattoo kommt nicht infrage. Und so kommt es, wie es kommen muss.

Text: Irma Aregger
Foto: Julia Kuzenkov / Pexels

Unsere Tochter spielt schon länger mit dem Gedanken, sich ein Tattoo stechen zu lassen. Inzwischen ist das gute Kind zu einer jungen Frau herangewachsen, im November wird sie zwanzig. Die dreijährige Beziehung zu ihrem Freund Alex ist unlängst in die Brüche gegangen. Er war der Körperbemalung nicht ganz so zugeneigt wie sie. Wobei das nicht die einzige Differenz in der Partnerschaft war und nicht der Grund fürs Adieu.

Wie auch immer, ein neuer Lebensabschnitt steht bevor. Dieser sei mit einem Tattoo zu starten, findet unsere Tochter. Mein Mann und ich sind uns einig, diese Körpermalerei landauf, landab gefällt uns mässig. Unsere Augen sind nicht wirklich an Tattoos gewöhnt, im Gegenteil, unbeschriebene Haut finden wir einfach schöner.

Also versuchen wir ihr gesundheitliche Risiken entgegenzuhalten oder altersbedingte Veränderungen, die ganze Buchstaben oder Teile eines Bildes in tiefe Furchen fallen lassen. Haha, darüber lacht natürlich die Jugend, wer befasst sich schon mit Dingen in Muttis Alter?

Wir googeln nach missratenen Tattoos von Tätowierern mit sparsam künstlerischen Genen oder grammatikalischen Unterentwicklungen. Wir raten zu temporären Fake-Tattoos, wie damals, als wir Abziehbilder aus der Kaugummiverpackung mit Spucke auf unseren Oberarmen fixierten.

Tattoo oder too late?

Ein paar Gesprächsrunden später folgt die Überraschung via Telefon: «Mama, du hast mich doch lieb, nicht wahr?» Ja klar, denke ich, aber ohalätz, was kommt nun? Und dann sprudelt es aus ihr heraus: «Ich hab’s getan, es ist vollbracht, ich trage jetzt ein Tattoo! Und weisst du was, es hat überhaupt nicht wehgetan!»

Mist, denke ich. Natürlich nicht, weil ich meinem Kind Schmerzen wünsche. Doch wenn es wenigstens so richtig geziept und gebrannt hätte, da bin ich mir ganz sicher, wäre das eine einmalige Sache für unsere Tochter gewesen. Denn, so bin ich überzeugt, ist einmal der Tattoo-Damm gebrochen, folgt eines dem nächsten.

«Ich bin so stolz auf mich. Und es stärkt mich!», spricht das Mädchen mit fester Stimme. Und je mehr sie mir von ihren Gefühlen erzählt, denke ich, gopf, darf ich als Mutter einfach so meine Abneigung weiter zeigen? Es ist ja bloss ein kleiner Schriftzug, den sie auf einer Rippe trägt. Oder auf der Stirn? «Wo und was?», will ich wissen. Da reicht sie bereits das Telefon an ihre Freundin weiter, die sie begleitet hat. «Es ist nur ein Tattoo, nicht wahr?», frage ich zögerlich nach. Und schon höre ich die zwei Mädels glucksen und die Verbindung ist gekappt.

Meinem Mann erzähle ich brühwarm, was ich eben vernommen habe. Er setzt sich hin, hört zu und wir sind uns einig: Es hätte schlimmer kommen können. Ein kleiner Schriftzug auf der Rippe. Dass es dem Töchterchen gut gehe, sei die Hauptsache, bringt er es auf den Punkt.

Meine Bedenken, es könnte ein zweites Tattoo bald folgen, schlagen in Humor um und wir stürzen uns in Vorschläge für neue Tattoos: Wie wäre es mit einer praktischen Corona-Gesichtsmaske? Oder wenns ein Schriftzug sein soll: wieso nicht ein durchgestrichener Alex? Und darüber dafür ein Felix? Ideen hätten wir noch einige. Da ruft mich just in diesem Moment die Tochter an: «Mama, du hast mich doch lieb, nicht wahr? »

Irma Aregger
arbeitet als freischaffende Texterin. Die humorvolle Zürcherin mit Bündner Wurzeln kämpft abwechslungsweise mit dem eigenen Hormonhaushalt oder ihren Kindern auf Tinder, langweilig ist ihr selten.

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