Wie lebt es sich als Frau mit fünf Männern plus Hund? -
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Wie lebt es sich als Frau mit fünf Männern plus Hund?

Lesedauer: 4 Minuten

In unserer Serie «Wir fragen uns …» stellen wir uns in der Redaktion gegenseitig Fragen aus dem grossen Familienuniversum. Auf die Frage von Redaktorin Florina Schwander antwortet Autorin Claudia Landolt:

Text: Claudia Landolt
Bilder: privat

Liebe Claudia, wie ist das so als einziges weibliches Wesen in einem 5-Männer-Haushalt plus männlichem Hund?

Florina Schwander, Redaktorin

Liebe Florina, es ist super. Ich kriege jeden Tag einen Kaffee ans Bett und werde auf zehn Händen getragen.   Naja, fast. Der einzige, der mir permanent zu Füssen liegt, ist natürlich unser Hund Floyd. Aber wenn ich ehrlich bin, liegt er eigentlich jedem zu Füssen, der es ihm erlaubt.

Der Rest meiner grossen Familie macht eigentlich, was sie will. Ja, dieses grosse, wunderbare Wir.  Du, Florina, hast bei mir einen Text über meine grosse Familie und meine fünf, äh sechs Männer bestellt. Weil ich eine grosse Familie mit beinahe unnatürlich vielen männlichen Wesen habe. Aber ich komme tagelang nicht zum Grossefamilientextschreiben, weil ich eine grosse Familie mit vielen Männern habe. Das kreist das Problem schon ziemlich treffend ein.

Denn meine lieben, lustigen, grosszügigen und tollen Männer produzieren nicht nur Termine wie ein mittelgrosses Unternehmen, sie produzieren auch noch unglaublich viel Dreck. Und ich rede jetzt nicht von den drei täglichen Waschmaschinen, von Zahnpastaresten im Waschbecken, mangelhaft aufgehängten Frotteetüchern, stinkenden Socken, noch mehr stinkenden Sportklamotten oder den Abdrücken der schlammigen Hundepfoten auf dem Parkett. 

Claudia Landolt und drei ihrer sechs Männer. Foto: privat
Claudia Landolt und drei ihrer sechs Männer. Foto: privat

Ich spreche von den anderen Familiensudeleien. Zeichnungen und Bastelarbeiten, die unfertig herumliegen, Stifte, die nach Gebrauch irgendwo hingelegt werden, Mützen, Handschuhen, Hemden, Pullover, die auf Stühlen, am Boden und Betten herumliegen, Schulinformationen auf Papier, die darauf warten, von einer sich erbarmenden Seele aufgehängt und in der Agenda notiert zu werden.

Nicht zu erwähnen die kürzlich während eines Putzanfalls gefundenen 50 leeren Kinderschokolade-Hüllen aus dem Adventskalender, die zwischen den Sofakissen versteckt waren. Und von Mandarinen, die bis März in einer Schublade im Kinderzimmer überwintern.

Sie wissen, was ich meine? Wunderbar, dann sitzen wir im selben Boot. Heute Morgen zum Beispiel fand ich folgende Szenerie vor: ein Hemd über dem Esstischstuhl, fünf aufgeschlagene Donald-Duck-Bücher auf dem Sofa, ein Teenagerbuch auf der Konsole im Esszimmer, eine Monopoly-Spielkarte auf dem Coffeetable, zehn Legosteine, Alufolie im Büroregal, ein Baby-Präsent für eine Freundin aus der Schachtel gerissen, vier Paar Schuhe im Flur, eine einsame Klopapierrolle auf dem Klopierrollenhalter und zwei leere Shampoo-Flaschen in der Dusche.

Diverses Geschenkband auf dem Boden. Das blanke Grauen für jemanden wie mich, die geschätzte fünfzig Blogs für minimalistisches Design abonniert hat! 

Immerhin befanden sich unter den während des täglichen «Kondo»-Ordnungsversuchs entdeckten Gegenständen auch solche, deren Unterschlagung von meinen fünf Mitbewohnern bisher hartnäckig geleugnet wurde.

Darunter eine schmerzlich vermisste Fernbedienung sowie ein vor wenigen Wochen von mir gekauftes, übercooles T-Shirts, das, nach einmaliger Wäsche verschwand, um fortan zusammengeknüllt im Dunkel des Kinderkleiderschranks ein kläglich unbeachtetes Dasein zu fristen (so viel zum Thema Hilfe im Haushalt!).

Auch die jüngeren Kinder sind keineswegs talentfrei, was das Hamstern diverser fremder Gegenstände und die damit korrelierende Renitenz bezüglich Aufräumen angeht. Vor wenigen Tagen fand ich sogar das verschwundene Ventil der Fussballpumpe, einen Zehnfrankenschein, eine vergessene Zeichnung zum Muttertag und ein typisches Geburtstagsparty-Give-away-Tütchen mit Süssigkeiten drin.

Genauer: Das, was mal Zuckerbomben waren. Denn als ich sie fand, waren sie bereits in einem Verwesungszustand. Also so ähnlich wie die leeren Joghurtbecher im Zimmer des fünfzehnjährigen Bruders.

Vier Jungs, heisst auch: der Kühlschrank ist immer leer!

Womit wir beim Thema Essen sind. Vier Jungs, das bedeutet: permanenter Lochfrass  im Kühlschrank. Einer meiner Söhne ist im letzten halben Jahr 12 – in Worten: zwölf! – Zentimeter gewachsen. Das kann nur durch stete Kalorienzufuhr ausgeglichen werden.

Die Nahrungszufuhr geschieht gern auch zu Zeiten, in denen normale Menschen wochentags schlafen. Es ist normal, um 23 Uhr 30 ein kleines Hüngerchen zu bekommen und die Küche zu verwüsten oder den für den morgigen Tag gedachten Sugo zu verputzen.

Bisher erschienen in der Rubrik «Wir fragen uns»: 

Was wiederum dazu führt, dass leer gegessene Pfannen, Besteck, Teller oder Gläser abzuräumen vergessen gehen und eine Art hauseigene Bakterienzucht entsteht. Dies angeblich aus der hehren Absicht, die im selben Haushalt wohnenden Mitmenschen nicht wecken zu wollen (nennt man das nicht Irrationalität pubertärer Weitsicht?). 

Viel wahrscheinlicher für mich ist die Annahme, dass Heranwachsende selbst nach vierzehn Stunden Dauerschlaf gar nicht wirklich aufwachen, um auf die Toilette zu gehen oder zum Kühlschrank zu wanken. Nur so ist es zu erklären, dass der dabei produzierte Müll nicht selbst weggeräumt werden kann.

Und immer wieder sonntags gibt es ihn doch: den Kaffee im Bett

Irgendwie kann ich es ja verstehen. Ich möchte am liebsten auch nicht vor neun Uhr morgens mit zivilisatorischem Grauen belastet werden. Das klappt nun leider nicht immer  – mit Ausnahme des Sonntags, denn da bringt mir tatsächlich eines meiner jüngeren Kinder den von meinem Mann netterweise zubereiteten Kaffee ans Bett, drückt mir einen wirklich allerliebsten, allerherzigsten Kuss auf den Mund und widmet sich sofort den grossen und sehr dringenden Fragen des Lebens, die es JETZT mit mir zu besprechen gilt.

Abräumen muss ich das Kaffeeglas natürlich selbst. Dass Ordnung das halbe Leben ist, wird in einer Grossfamilie mit fünf Männern ungeachtet eines klar definierten Ämtli- und Aufgabenplans (siehe Foto oben) nicht nur täglich grob missachtet, sondern auch ebenso oft widerlegt.

Mein Wunsch, das Haus möge in jenen glücklichen Zustand versetzt werden, der das letzte Mal vor zehn Jahren beim Einzug zu besichtigen war, erntet bei allen Beteiligten nur Augenrollen. Und einen Blick, als ob ich davon schwärmte, wie verantwortungsbewusst doch dieses Mädchen aus der Parallelklasse sei, Klassenbeste in Latein, enthusiastische Klarinettespielerin noch dazu und so, so, so nett zu ihren Haustieren, den Fischen.

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Claudia Landolt
ist Journalistin und Autorin, diplomierte Yogalehrerin und Mutter von vier Söhnen. Sie lebt im Kanton Aargau.

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