«Was willst du werden, wenn du gross bist?»
Unser Kolumnist Mikael Krogerus schreibt, warum wir aufhören sollten, unseren Kindern diese Frage zu stellen und welche Frage die richtige wäre.
Als Kind wollte ich Müllmann werden. Es war der einzige Beruf, unter dem ich mir etwas vorstellen konnte. Dann begann ich mich für Sport zu interessieren und malte mir aus, dereinst Eishockeyprofi zu sein. Dann begann ich Abenteuerromane zu lesen und wollte Archäologe werden. Dann war ich in einer Theatergruppe und sah mich als Schauspieler.
Mir war klar, dass das alles Fantasieberufe waren. Was ich wirklich werden wollte, wusste ich nicht. Ehrlich gesagt mochte ich die Frage danach auch nicht. Alle Erwachsenen stellten sie mir. Als ich jünger war, fanden sie meine Antworten – Müllmann, Archäologe – lustig. Später wirkten sie enttäuscht, dass ich keine klare Vorstellung vom Berufsleben hatte.
Noch heute scheint es einen Wettbewerb zu geben, welches Kind als Erstes weiss, was es werden will. Eltern lieben es, wenn Achtjährige sagen, sie wollten Hochbauzeichnerin werden. Sek-Lehrer atmen hörbar erleichtert auf, wenn Schüler in der Mittelstufe die Vorzüge einer Mediamatikerlehre diskutieren.
Während meines Studiums – zunächst Politikwissenschaften (abgebrochen), später eine Business School – stieg eine leise Verzweiflung in mir hoch, weil ich wirklich keine Ahnung hatte, was ich werden wollte. Ich hatte bloss das diffuse Gefühl, dass es unbedingt etwas sein musste, wofür ich brannte.
Journalismus war dann eine Notlösung. Hier konnte ich anderen dabei zusehen, wie sie für etwas brannten. Immerhin. Anschliessend musste ich darüber schreiben, das war der Haken.
Berufung ist totaler Quatsch
Ich glaube, wir sollten aufhören, unseren Kindern die Frage zu stellen: «Was willst du werden, wenn du gross bist?» Erstens ist das mit der «Berufung» totaler Quatsch. Es mag sein, dass es vorkommt, dass Menschen schon früh wissen, was sie später machen werden. Aber in der Regel ist das Imaginieren einer bestimmten Zukunft enttäuschend.
Man wird sie nicht erreichen. Und wenn doch, wird sie wenig gemein haben mit dem Bild, das man sich ausgemalt hatte. Besser ist es, möglichst vieles auszuprobieren und sich überraschen zu lassen. Von Berufen. Auch von Menschen.
Denn egal ob du Fussballprofi wirst, Müllmann oder Archäologin, die Frage ist nie, was du machst, sondern immer nur wie.
Zweitens zwingt die Frage Kinder, sich über einen Beruf zu definieren. Und wenn wir uns über unseren Job definieren, hängt unser Selbstwert davon ab, ob wir erfolgreich sind. Ich sage nicht, dass es nicht erfolgreiche Menschen gibt, die glücklich sind.
Ich sage bloss, dass glücklich ist, wer etwas macht, was ihm Freude bereitet, auch wenn er verliert. Und drittens nervt die Frage, weil man nicht ehrlich antworten darf. Man kann nicht sagen, ich will «mutig» werden oder «beliebt» oder «unsichtbar». Dabei ist es genau das, was man sein will, wenn man ein Kind ist.
Wir sollten aufhören, unseren Kindern die Frage zu stellen: «Was willst du werden, wenn du gross bist?» Lieber sollten wir fragen: «Wie willst du werden, wenn du gross bist?» Wir sollten sie auffordern, darüber nachzudenken, was für ein Mensch sie sein wollen, nicht in welchem Beruf sie sich sehen.
Denn egal ob du Fussballprofi wirst, Müllmann oder Archäologin, die Frage ist nie, was du machst, sondern immer nur wie.