Mit dem ersten Lohn kommt die Verantwortung
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Mit dem ersten Lohn kommt die Verantwortung

Lesedauer: 3 Minuten

Wenn die Lehre anfängt, verdienen die meisten jungen Menschen zum ersten Mal Geld. Spätestens jetzt müssen sie lernen, damit umzugehen, damit die Finanzkompetenzen im Erwachsenenalter sitzen.

Text: Susanna Valentin
Bild: Gabi Vogt / 13 Photo

Am Ende des ersten Monats der angetretenen Lehre ist es so weit: Das erste eigene Geld ist verdient und die Verlockung gross, sofort etwas zu kaufen. Den eigenen Lohn auf dem Konto zu haben, bedeutet Freiheit und bietet Möglichkeiten, ist aber auch mit Verantwortung verbunden.

«Der Übergang von der Schule zur Lehrstelle ist ein grosser Schritt. Wie alle Lebensübergänge ist er mit Instabilität verknüpft», sagt Simone Reiser, Projektleiterin Schuldenprävention der Stadt Zürich. Instabilität, die ein Schuldenrisiko birgt. Umso wichtiger sei es, Jugendliche in dieser Phase zu begleiten und für Stabilität zu sorgen.

Die erste Empfehlung der Schuldenpräventionsstelle lautet: Briefe regelmässig öffnen. Das klingt banal, ist es aber nicht. Eine Rechnung geht schnell verloren, wird sie nicht an einem dafür vorgesehenen Platz abgelegt. «Bei Rechnungen, die per Post eintreffen, E-Mails, Dokumenten und Verträgen, die durchgelesen und abgelegt werden müssen, besteht schnell die Gefahr, den Überblick zu verlieren», sagt Reiser.

Die Fachstelle empfiehlt jungen Lernenden daher als Erstes, ein Ordnungssystem zu entwickeln. Wie dieses genau aussieht, ist individuell verschieden. Hauptsache, das System schafft Überblick und Ordnung. Für Rechnungen per Mail empfiehlt die Projektleiterin, eine zusätzliche Mailadresse einzurichten. «Wenn Rechnungen im Spam verloren gehen, können sie im schlimmsten Fall zu Betreibungen führen.» Das soll vermieden werden.

Das Video zeigt, wie der Überblick über die Finanzengewahrt bleibt.

Das Kostgeld kommt zuletzt

Als zweiten Schritt empfiehlt die Schuldenpräventionsstelle, ein Budget aufzustellen. Welche Ausgaben müssen mit dem verdienten Lohn gedeckt werden? «Mittagessen, Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, Krankenkasse, Coiffeurbesuche, Kleider», zählt Simone Reiser auf. «Sämtliche Kosten, die im Alltag anfallen, gehören auf die Liste. Junge Menschen lernen so, wie das Geld aufgeteilt werden muss. Und – ganz wichtig – was das Leben überhaupt kostet.» Sind alle Ausgabeposten definiert, können Rückstellungen gemacht werden: Zum Beispiel ist es möglich, auf diese Weise das ÖV-Abo im zweiten Lehrjahr als Jahres-Abo selbst zu bezahlen.

Simone Reiser empfiehlt zudem, klare Abmachungen zu treffen: Welche Kosten übernehmen die Eltern, welche die Lernenden? Am besten werden die Ausgaben laut Reiser mit zwei unterschiedlichen Farben markiert. So ist nicht nur der Geldbetrag ersichtlich, auch die gegenseitige Wertschätzung für die geleisteten Beiträge wird erhöht.

Das erklärte Ziel ist es, dass Lernende alle eigenen Ausgaben selbst bezahlen.

Simone Reiser, Projektleiterin Schuldenprävention

Es stellt sich schliesslich die Frage nach dem sogenannten Kostgeld, dem Geld, das Lernende zu Hause für Kost und Logis – Essen und Unterkunft – abgeben können. Wann ist es sinnvoll, dass Lernende einen Beitrag leisten? «Das erklärte Ziel ist es, dass Lernende alle eigenen Ausgaben selbst bezahlen können», sagt Simone Reiser.

«Das Kostgeld steht an letzter Stelle. Kann alles aus der eigenen Tasche bezahlt werden, ist es schön, wenn Jugend­liche zu Hause einen Betrag abgeben – notfalls auch nur einen symbolischen. Wird dieser mit einem Dauerauftrag vom Konto abgezogen, lernen Jugendliche, dass später auch Fixkosten für das Wohnen einberechnet werden müssen.»

Aus Fehlern lernen

Lernende sollen in Geldfragen aus Fehlern lernen können, damit die Finanzkompetenzen im Erwachsenenalter sitzen. Passieren Fehler, sind die Geldbeträge in der Regel überschaubarer als nach der Ausbildung. «Klar ist es mühsam, wenn man ein Handy-Abo mit drei Jahren Laufzeit unterschrieben hat, weil das Kleingedruckte nicht gelesen wurde», sagt Reiser. «Das ist trotzdem besser, als wenn mit 25 Jahren ein Auto mit untragbaren Kostenfolgen geleast wird. Kinder lernen auch nicht Fahrrad fahren, ohne hinzufallen, aber wir ziehen ihnen dabei einen Helm an.»

Ein Ordnungssystem für Rechnungen, ein Budget für die laufenden Kosten und die Klärung der Kostgeldfrage: Sind diese Punkte geregelt, kann der erste Lohn kommen.

3 Tipps, wie das Budget im Lot bleibt

  1. Mehrere Bankkonten: Jedes Bankkonto wird nur für eine bestimmte Art von Ausgaben verwendet: zum Beispiel ein Bankkonto für Fixkosten (ÖV, Krankenkasse), eines für Alltagskosten (Essen, Kleider) und eines zum Sparen (Ferien, Wünsche).
  2. Daueraufträge: Das Bezahlen von Rechnungen mit einem Dauerauftrag spart Zeit und die Zahlungsfristen werden eingehalten. Auch Rück­stellungen und Sparbeträge können mit einem Dauerauftrag automatisch und regelmässig auf das richtige Konto überwiesen werden. So lässt sich das Geld besser einteilen und wird nicht für etwas anderes ausgegeben. Gleichzeitig wird der Umgang mit dem E-Banking (Dauerauftrag, Lastschriftverfahren) geübt.
  3. Ordnungssystem: Unterlagen, ­Rechnungen und Belege sortiert ablegen hilft, dass keine Zahlungsfristen verpasst werden und wichtige Dokumente griffbereit sind. Zum Beispiel für die Steuererklärung oder individuelle Prämienverbilligungen.

Susanna Valentin
schätzt das durchlässige Schweizer Bildungssystem und hat es gleich selbst genutzt. Vor vier Jahren liess sich die diplomierte Heil- und Sozialpädagogin zur Fachjournalistin ausbilden.

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