Wie lerne ich Berufe kennen?
In einer Schnupperlehre erhalten Lehrstellensuchende die Möglichkeit, einen Beruf hautnah zu erleben und die Stimmung im Betrieb zu spüren – der ultimative Realitätscheck.
Für einige ist längst klar, welche Schnuppermöglichkeiten sie nutzen wollen, andere hadern mit der grossen Palette an Berufsmöglichkeiten. Silas Peter gehörte zur zweiten Gruppe und schätzte den Besuch der Zentralschweizer Bildungsmesse mit seiner 2.-Sek-Klasse sehr. «Dieser Ausflug hat mir damals sehr geholfen», erinnert sich der heutige Lehrling, «ich konnte mir einen Überblick über die unterschiedlichen Berufsmöglichkeiten verschaffen und filtern, welche ich mir genauer ansehen wollte.»
Beim Schnuppern ist entscheidend, dass man auch herausfindet, was man nicht will.
Infoveranstaltungen wie Berufsmessen oder die sogenannten Tun-Messen, organisiert von der Stiftung für Nachwuchsförderung in Technik und Naturwissenschaften, können ein Richtungsweiser sein. Einzelne Betriebe bieten auch Infoanlässe und Tage der offenen Tür; es lohnt sich, diese in Anspruch zu nehmen. «Ich habe an der Messe gespürt, welche Berufe mich direkt ansprechen. Auf diese habe ich mich dann bei der Suche nach Schnupperlehren konzentriert», ergänzt Silas Peter.
Das anschliessende Schnuppern gab ihm die Möglichkeit, direkte Einblicke in unterschiedliche Berufsbereiche zu erhalten und hinter die Kulissen zu sehen. «Ich schnupperte als Maurer, Koch, Optiker, Fachperson Betreuung und als Hochbauzeichner. Das waren alles Berufe, die ich mir vorstellen konnte.»
Schnupperlehre: Abgleich mit der Realität
Die Schnupperlehre ist denn auch oft ein Wendepunkt bei der Berufswahl. Aus Vorstellungen, Broschüren und Internetvideos werden reale Eindrücke; endlich erfährt man am eigenen Leib, was es heisst, als Köchin, Fachperson Betreuung oder Optiker zu arbeiten. «Die Schnupperlehre ist der ultimative Realitätscheck», sagt Berufsberaterin Sigrid Weber.
Nach den Schnuppertagen konnte ich mich mittels Ausschlussverfahren auf drei Berufe festlegen.
Silas Peter
Dass die Tage im Betrieb auch mal unangenehm sein können, die Arbeit keinen Spass macht oder man feststellt, dass man sich den Beruf ganz anders vorgestellt hat, gehört dazu. Es ist sogar entscheidend für eine stimmige Berufswahl, dass man auch herausfindet, was man nicht will. Bei Silas Peter war das der Fall: «Nach den Schnuppertagen konnte ich mich mittels Ausschlussverfahren auf drei Berufe festlegen.»
Er bewarb sich auf Lehrstellen als Maurer, Hochbauzeichner und Getränketechnologe; bei Letzterem erfolgreich. Auch für die Lehrbetriebe sind Schnupperlehren wichtig. Sie nehmen aufgrund der Bewerbungsdossiers eine Selektion vor.
- Bevor Sie die Schnupperlehre antreten: Schreiben Sie auf, was Sie über den Beruf herausfinden wollen.
- Nicht alle Fragen klären sich bei der Arbeit. Fragen Sie nach.
- Schreiben Sie jeden Abend Ihre Eindrücke auf. Was hat Ihnen gefallen, was nicht? Können Sie sich vorstellen, in diesem Betrieb zwei, drei oder vier Jahre zu verbringen?
- Seien Sie Sie selbst. Nur so lernen Ihre Vorgesetzten Sie kennen.
- Sind Sie scheu? Dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich zu überwinden.
- Alles erledigt? Fragen Sie nach weiteren Aufgaben oder nach Arbeiten, bei denen Sie zuschauen können.
- Nach Beendigung der Schnupperlehre: Bitten Sie um eine schriftliche Beurteilung Ihrer Leistung.
- Eine nicht gut verlaufene Schnupperlehre ist kein Unglück. Schreiben Sie auf, was nicht gut war, was Sie verbessern können und was im Betrieb anders sein muss, damit Sie sich wohlfühlen.
Einen Lehrvertrag ablehnen, ist erlaubt
Wem sie die Lehre zutrauen und einen Vertrag anbieten, entscheiden Lehrbetriebe in der Regel aber erst aufgrund des Eindrucks, den die Kandidierenden beim Schnuppern in der Werkstatt, im Laden oder in der Klinik hinterlassen haben. Es empfiehlt sich, von Anfang an klarzumachen, an welchem Punkt in der Berufswahl man steht. Es ist aber auch nach einer positiv verlaufenen Bewerbungsschnupperlehre erlaubt, den angebotenen Lehrvertrag abzulehnen.
Auch Silas Peter hat bei seiner jetzigen Lehrstelle als Spengler EFZ zuerst zwei Wochen im Betrieb mitgearbeitet und schliesslich sogar ein Praktikum absolviert, bevor er sich für die Lehrstelle bewarb. «Da ich aufgrund der Arbeitsverhältnisse die Lehre als Getränketechnologe abgebrochen hatte, wollte ich beim zweiten Anlauf wirklich sicher sein, dass es passt.»
Seine Motivation habe ihm sicher geholfen, die Lehrstelle schliesslich zu bekommen. «Ich wusste zu dem Zeitpunkt ja ganz genau, welche Anforderungen als Spengler gefragt sind. Und mein Arbeitgeber konnte sehen, dass ich diese leisten konnte.»
Tagebuch führen hilft
Auch andernorts wird Wert darauf gelegt, wie sich ein Stellenanwärter oder eine Stellenanwärterin am Arbeitsort verhält, so zum Beispiel am Universitätsspital Zürich. «In der Bewerbungsschnupperlehre sehen wir, wie eine Person mit den Patienten umgeht, wie sie sich in der neuen Situation mit einem unbekannten Team zurechtfindet, wie belastbar sie ist – genau die Dinge, die danach im Ausbildungsalltag wichtig sind», bestätigt Stephan Nabholz, Leiter Berufsbildung des Universitätsspitals Zürich.
Sinnvoll ist es, wenn Jugendliche während jeder Schnupperlehre ein Tagebuch führen, in das sie täglich ihre Eindrücke notieren: was ihnen gefallen hat, was schwierig oder unangenehm war. Dies hilft, sich darüber klar zu werden, in welchem beruflichen Umfeld man die nächsten Jahre verbringen will.
Schnupperbesuch
Er dauert in der Regel einen Tag und zeigt den Teilnehmenden, wie ein Arbeitstag im Betrieb abläuft. Auch bei einem Schnupperbesuch können Interessierte wichtige Eindrücke von Beruf und Betrieb gewinnen.
Schnupperlehre
Sie dauert üblicherweise zwei bis fünf Tage. Viele Betriebe verlangen eine Schnupperbewerbung, die aber nicht als Bewerbung für die Lehrstelle gilt. Die Teilnehmenden sollen einen realistischen Eindruck vom Berufsalltag erhalten. In der Regel können sie kleine Aufgaben ausführen. Manche Betriebe führen auch Eignungstests durch. Die Betriebe wollen die Schnupperlernenden kennenlernen und gewinnen einen ersten Eindruck, ob diese für die Lehre bei ihnen geeignet sind.
Bewerbungsschnupperlehre
Sie dauert oft eine Arbeitswoche, kann aber auch länger sein. Die oder der Schnuppernde hat in der Regel mitgeteilt, dass er oder sie die Lehre in diesem Betrieb machen will, oder hat sich bereits auf eine offene Lehr-stelle beworben. Jetzt geht es für beide Seiten darum, herauszufinden, ob sie sich vorstellen können,
die nächsten drei oder vier Jahre zusammenzuarbeiten.