Wie lerne ich Berufe kennen?
Merken
Drucken

Wie lerne ich Berufe kennen?

Lesedauer: 4 Minuten

In einer Schnupperlehre erhalten Lehrstellensuchende die Möglichkeit, einen Beruf hautnah zu erleben und die Stimmung im Betrieb zu spüren – der ultimative Realitätscheck.

Text: Stefan Michel und Susanna Valentin
Bild: Gabi Vogt / 13 Photo

Für einige ist längst klar, welche Schnuppermöglichkeiten sie nutzen wollen, andere hadern mit der grossen Palette an Berufsmöglichkeiten. Silas Peter gehörte zur zweiten Gruppe und schätzte den Besuch der Zentralschweizer Bildungsmesse mit seiner 2.-Sek-Klasse sehr. «Dieser Ausflug hat mir damals sehr geholfen», erinnert sich der heutige Lehrling, «ich konnte mir einen Überblick über die unterschiedlichen Berufsmöglichkeiten verschaffen und filtern, welche ich mir genauer ansehen wollte.»

Beim Schnuppern ist entscheidend, dass man auch herausfindet, was man nicht will.

Infoveranstaltungen wie Berufsmessen oder die sogenannten Tun-Messen, organisiert von der Stiftung für Nachwuchsförderung in Technik und Naturwissenschaften, können ein Richtungsweiser sein. Einzelne Betriebe bieten auch Infoanlässe und Tage der offenen Tür; es lohnt sich, diese in Anspruch zu nehmen. «Ich habe an der Messe gespürt, welche Berufe mich direkt ansprechen. Auf diese habe ich mich dann bei der Suche nach Schnupperlehren konzentriert», ergänzt Silas Peter.

Das anschliessende Schnuppern gab ihm die Möglichkeit, direkte Einblicke in unterschiedliche Berufsbereiche zu erhalten und hinter die Kulissen zu sehen. «Ich schnupperte als Maurer, Koch, Optiker, Fachperson Betreuung und als Hochbauzeichner. Das waren alles Berufe, die ich mir vorstellen konnte.»

Schnupperlehre: Abgleich mit der Realität

Die Schnupperlehre ist denn auch oft ein Wendepunkt bei der Berufswahl. Aus Vorstellungen, Broschüren und Internetvideos werden reale Eindrücke; endlich erfährt man am eigenen Leib, was es heisst, als Köchin, Fachperson Betreuung oder Optiker zu arbeiten. «Die Schnupperlehre ist der ultimative Realitätscheck», sagt Berufsberaterin Sigrid Weber.

Nach den Schnuppertagen konnte ich mich mittels Ausschlussverfahren auf drei Berufe festlegen.

Silas Peter

Dass die Tage im Betrieb auch mal unangenehm sein können, die Arbeit keinen Spass macht oder man feststellt, dass man sich den Beruf ganz anders vorgestellt hat, gehört dazu. Es ist sogar entscheidend für eine stimmige Berufswahl, dass man auch herausfindet, was man nicht will. Bei Silas Peter war das der Fall: «Nach den Schnuppertagen konnte ich mich mittels Ausschlussverfahren auf drei Berufe festlegen.»

Er bewarb sich auf Lehrstellen als Maurer, Hochbauzeichner und Getränketechnologe; bei Letzterem erfolgreich. Auch für die Lehrbetriebe sind Schnupperlehren wichtig. Sie nehmen aufgrund der Bewerbungsdossiers eine Selektion vor.

8 Tipps für die Schnupperlehre
  1. Bevor Sie die Schnupperlehre antreten: Schreiben Sie auf, was Sie über den Beruf herausfinden wollen.
  2. Nicht alle Fragen klären sich bei der Arbeit. Fragen Sie nach.
  3. Schreiben Sie jeden Abend Ihre Eindrücke auf. Was hat Ihnen gefallen, was nicht? Können Sie sich vorstellen, in diesem Betrieb zwei, drei oder vier Jahre zu verbringen?
  4. Seien Sie Sie selbst. Nur so lernen Ihre Vorgesetzten Sie kennen.
  5. Sind Sie scheu? Dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich zu überwinden.
  6. Alles erledigt? Fragen Sie nach weiteren Aufgaben oder nach Arbeiten, bei denen Sie zuschauen können.
  7. Nach Beendigung der Schnupperlehre: Bitten Sie um eine schriftliche Beurteilung Ihrer Leistung.
  8. Eine nicht gut verlaufene Schnupperlehre ist kein Unglück. Schreiben Sie auf, was nicht gut war, was Sie verbessern können und was im Betrieb anders sein muss, damit Sie sich wohlfühlen.

Einen Lehrvertrag ablehnen, ist erlaubt

Wem sie die Lehre zutrauen und einen Vertrag anbieten, entscheiden Lehrbetriebe in der Regel aber erst aufgrund des Eindrucks, den die Kandidierenden beim Schnuppern in der Werkstatt, im Laden oder in der Klinik hinterlassen haben. Es empfiehlt sich, von Anfang an klarzumachen, an welchem Punkt in der Berufswahl man steht. Es ist aber auch nach einer positiv verlaufenen Bewerbungsschnupperlehre erlaubt, den angebotenen Lehrvertrag abzulehnen.

Auch Silas Peter hat bei seiner jetzigen Lehrstelle als Spengler EFZ zuerst zwei Wochen im Betrieb mitgearbeitet und schliesslich sogar ein Praktikum absolviert, bevor er sich für die Lehrstelle bewarb. «Da ich aufgrund der Arbeitsverhältnisse die Lehre als Getränketechnologe abgebrochen hatte, wollte ich beim zweiten Anlauf wirklich sicher sein, dass es passt.»

Seine Motivation habe ihm sicher geholfen, die Lehrstelle schliesslich zu bekommen. «Ich wusste zu dem Zeitpunkt ja ganz genau, welche Anforderungen als Spengler gefragt sind. Und mein Arbeitgeber konnte sehen, dass ich diese leisten konnte.»

Tagebuch führen hilft

Auch andernorts wird Wert darauf gelegt, wie sich ein Stellenanwärter oder eine Stellenanwärterin am Arbeitsort verhält, so zum Beispiel am Universitätsspital Zürich. «In der Bewerbungsschnupperlehre sehen wir, wie eine Person mit den Patienten umgeht, wie sie sich in der neuen Situation mit einem unbekannten Team zurechtfindet, wie belastbar sie ist – genau die Dinge, die danach im Ausbildungsalltag wichtig sind», bestätigt Stephan Nabholz, Leiter Berufsbildung des Universitätsspitals Zürich.

Sinnvoll ist es, wenn Jugendliche während jeder Schnupperlehre ein Tagebuch führen, in das sie täglich ihre Eindrücke notieren: was ihnen gefallen hat, was schwierig oder unangenehm war. Dies hilft, sich darüber klar zu werden, in welchem beruflichen Umfeld man die nächsten Jahre verbringen will.

Diese Arten von Schnupperlehren gibt es

Schnupperbesuch
Er dauert in der Regel einen Tag und zeigt den Teilnehmenden, wie ein Arbeitstag im Betrieb abläuft. Auch bei einem Schnupperbesuch können Interessierte wichtige Eindrücke von Beruf und Betrieb gewinnen.

Schnupperlehre
Sie dauert üblicherweise zwei bis fünf Tage. Viele Betriebe verlangen eine Schnupperbewerbung, die aber nicht als Bewerbung für die Lehrstelle gilt. Die Teilnehmenden sollen einen realistischen Eindruck vom Berufsalltag erhalten. In der Regel können sie kleine Aufgaben ausführen. Manche Betriebe führen auch Eignungstests durch. Die Betriebe wollen die Schnupperlernenden kennenlernen und gewinnen einen ersten Eindruck, ob diese für die Lehre bei ihnen geeignet sind.

Bewerbungsschnupperlehre
Sie dauert oft eine Arbeitswoche, kann aber auch länger sein. Die oder der Schnuppernde hat in der Regel mitgeteilt, dass er oder sie die Lehre in diesem Betrieb machen will, oder hat sich bereits auf eine offene Lehr-stelle beworben. Jetzt geht es für beide Seiten darum, herauszufinden, ob sie sich vorstellen können,
die nächsten drei oder vier Jahre zusammenzuarbeiten.

Stefan Michel
ist freier Journalist und Texter und lebt mit seiner Partnerin und zwei Kindern in Zürich.

Alle Artikel von Stefan Michel

Susanna Valentin
schätzt das durchlässige Schweizer Bildungssystem und hat es gleich selbst genutzt. Vor vier Jahren liess sich die diplomierte Heil- und Sozialpädagogin zur Fachjournalistin ausbilden.

Alle Artikel von Susanna Valentin

Mehr zum Thema Berufswahl

Lehrstellenantritt: Buchändler Lehrling vor Büchergestell
Berufswahl
Lehrstelle: Wie gelingt mir der Start?
Der Lehrstellenantritt ist ein grosser Schritt. Was hilft, diese Hürde zu meistern? Zwei Lehrlinge und eine Berufsbildnerin berichten.
Die moderne, 240 Meter lange, Go-Kartbahn mit ihren Elektrokarts bietet ein tolles Fahrerlebnis.
Advertorial
ArboPark: Spiel, Spass und Action für die ganze Familie  
Erleben Sie tolle Momente im ArboPark, dem grössten Schweizer Indoor-Freizeitpark, mit über 20 Attraktionen – Spass für die ganze Familie!
Berufswahl: Junger Mann im Labor
Berufswahl
«Eltern müssen ihr Kind ins Zentrum stellen»
Die Berufswahl ist Teamwork. Berufsberater Lars Hering über unterschiedliche Berufsvorstellungen von Eltern und Jugendlichen.
Lehrbetrieb: Lehrling Milchtechnologe bearbeitet einen Käselaib im Käselager
Berufswahl
«Jugendliche wollen sich im Job wohlfühlen»
Was erwartet die Generation Z von ihrem Lehrbetrieb? Marktforscher Yannick Blättler kennt ihre Bedürfnisse ebenso wie die der Unternehmen.
Bewerbung für Lehrstelle: Dominic Koch vor dem Blumengeschäft wo er eine Lehre als Florist macht.
Berufswahl
Wie stelle ich mich vor?
Ob die Bewerbung für eine Lehrstelle klappt, hängt von vielen Faktoren ab. Vier Ausbildungsverantwortliche verraten, worauf sie achten.
Studium: Der akademische Weg ins Berufsleben
Berufswahl
Der akademische Weg: Hochschulberufe
Für diese Berufe braucht es ein Studium an einer Universität, der ETH oder einer Fachhochschule.
Hebamme Julia Noth mit einer Puppe
Berufswahl
«Es ist ein Privileg, Frauen bei der Geburt zu unterstützen»
Die 21-jährige Julia Noth studiert im 4. Semester Hebamme. Nach der Matur merkte sie, dass Geburtshelferin ihr Wunschberuf ist.
Ein junger Mann steht vor einem Blumenladen wo er als Florist seine Lehre absolviert. Er lächelt leicht.
Berufswahl
«Ich will die Kunden mit meinen Ideen glücklich machen»
Dominic Koch (16) ist im 2. Lehrjahr als Florist. In seinem Beruf kann er seine Kreativität ausleben. Später möchte er ein Geschäft eröffnen.
Schnupperlehre: Mylène Fleury hatte Mühe, einen Einblick in ihren künftigen Beruf zu erhalten. So neu ist er.
Berufswahl
«Da mein Beruf neu ist, konnte ich nirgends schnuppern»
Mylène Fleury, 16, lernt einen Beruf, den es noch nicht gibt: Sie wird Entwicklerin digitales Business EFZ.
Berufswahl, Lehre: Eine junge Frau misst etwas mit einer Wasserwaage.
Berufswahl
«Ich rate davon ab, die Lehre abzubrechen»
Experte Peter Heiniger kennt die Ansprüche der Generation Z und weiss, wann es sinnvoll ist, in der Lehre auf die Zähne zu beissen.
Berufswahl: Buchhändlerin Melina Bossart
Berufswahl
«Meinen heutigen ­Beruf verdanke ich meiner Lehrerin»
Melina Bossart lässt sich zur Buchhändlerin EFZ ausbilden. Wie es dazu kam und was sie an ihrem Beruf besonders liebt.
Berufswahl, Spengler: Silas Peter bei der Arbeit
Berufswahl
«Ich finde es cool, draussen und drinnen zu arbeiten»
Silas Peter ist im 3. Lehrjahr als Spengler. Metalle, Bleche, Blei – die Arbeit mit verschiedenen Materialien ist seine grosse Leidenschaft.
Tests für Lehrstelle: Junger Mann vor Computer
Berufswahl
Diese Eignungstests stehen zur Verfügung
Welche Berufe passen zu mir? Kommen meine Fähigkeiten im gewünschten Beruf zum Tragen? Folgende Tests geben Antworten.
Lehre mit Defizit: Junger Schreiner bei der Arbeit
Berufswahl
Berufsbildung geht auch mit einer Beeinträchtigung
Mit der richtigen Unterstützung finden auch Jugendliche mit ADHS oder anderen kognitiven Herausforderungen den Einstieg ins Berufsleben.
Beruf damals und heute: Jérémy Donath hält das Berufswahl-Heft mit dem Artikel vor zehn Jahren
Berufswahl
«Was machen Sie heute?»
Seit dem Beginn ihrer beruflichen Laufbahn sind zehn Jahre vergangen. Drei Porträtierte erzählen, wie es ihnen in ihrem Beruf ergangen ist.
Lehre Simay Ahnek malt ein Portrait
Berufswahl
«Ich möchte meinem Traum eine Chance geben»
Simey Ahenk verfolgt seinen Traum, Kunst zu machen. Erfahren Sie, wie er seinen Karrierewunsch mit einer sicheren Lehre kombiniert.
Ein junger Mann sitzt am Tisch mit einer Frau. Er bewirbt sich auf eine Lehrstelle und lacht.
Berufswahl
«Smalltalken schafft eine angenehme Atmosphäre»
Tipps von Berufsberaterin Erika Deiss: So gelingt ein Bewerbungsgespräch – auch für schüchterne Lehrstellensuchende.
KV-Reform: Eine Lernende an ihrem Arbeitsplatz
Berufswahl
KV-Reform: «Wir wollen auf die Stärken der Lernenden eingehen»
Letztes Jahr trat die grösste Reform der KV-Lehre in Kraft. Was Lernende von der Grundausbildung ­erwarten können, erklärt Kathrin Ziltener.
Münzen, Noten, Taschenrechner: Mit dem ersten Lohn kommt die Verantwortung
Berufswahl
Mit dem ersten Lohn kommt die Verantwortung
Wenn die Lehre anfängt, verdienen die meisten jungen Menschen zum ersten Mal Geld. Spätestens jetzt müssen sie lernen, damit umzugehen.
Berufswahl: Junge Frau sitzt vor dem Computer
Berufswahl
Wo passe ich hin?
Nicht immer stimmen die Möglichkeiten eines jungen Menschen mit den Anforderungen der gewünschten Ausbildung überein. Das hilft weite
Milchtechnologe Manuel Wüthrich
Berufswahl
«Ein Käselaib wiegt 40 Kilogramm»
Manuel Wüthrich, Milchtechnologe im 1. Lehrjahr, mag die harte Arbeit im Käsekeller ebenso wie das sorgfältige Zubereiten eines Gruyère-Käses.
Berufswahl: Lea Schefer
Berufswahl
Berufswahl: «Mit 13 Jahren war ich total blockiert»
Lea Schefer, 15, wusste lange nicht, was sie werden möchte. Dann ging sie die Berufswahl strategisch an – und fand ihre Traumlehrstelle.
Lehrstelle finden: Lea Schefer
Berufswahl
Berufswahl: Wer ist wofür zuständig?
Viele Jugendliche haben Mühe, sich auf die Berufswahl einzulassen. Auch für Lea Schefer war es ein hürdenreicher Weg bis zur Lehrstelle.
Berufswahl: Junge Frau mit ADHS
Berufswahl
«Mit Ritalin war ich plötzlich sehr gut in der Schule»
Lea Koechlin absolviert nach der Matur eine KV-Lehre auf der Bank. ADHS hindert sie nicht daran, voranzukommen. Ihr Ziel: die Uni St. Gallen.
Lehrstellen
Berufswahl
Lehrstellen und Berufsporträts in spannenden Branchen
In dieser Online-Übersicht stellen Branchenverbände und Unternehmen aus verschiedensten Bereichen ihr Lehrstellen- und Ausbildungsangebot vor.