KV-Reform: «Wir wollen auf die Stärken der Lernenden eingehen»
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KV-Reform: «Wir wollen auf die Stärken der Lernenden eingehen»

Lesedauer: 3 Minuten

Letztes Jahr trat die grösste Reform der KV-Lehre in Kraft. Was den Anstoss dazu gab und was künftige Lernende von der beliebten Grundausbildung erwarten können, erklärt Kathrin Ziltener vom Kaufmännischen Verband Schweiz.

Interview: Susanna Valentin
Bild: Adobe Stock

Frau Ziltener, die KV-Lehre wurde reformiert, seit ­August 2023 werden die Anpassungen umgesetzt. Ist die Reform Ihre Antwort auf die zunehmende ­Digitalisierung der ­Arbeitswelt?

Die Digitalisierung ist sicher ein grosser Teil davon, schliesslich wurde die letzte grosse Reform im Jahr 2003 durchgeführt. Dazwischen liegen 20 Jahre, in denen sich der Arbeitsmarkt unglaublich stark weiterentwickelt hat. Eine neue Generation mit einem veränderten Arbeitsverständnis ist herangewachsen, die Pädagogik in den Schulen hat sich gewandelt und wie gesagt: Es gibt digitale Herausforderungen zu meistern, aber auch sinnvoll zu nutzen.

Inwiefern beeinflusst die künstliche Intelligenz die kaufmännische Berufswelt?

Mit KI-basierten Tools wird schon lange gearbeitet, insofern wurde im Zuge der Reform die Ausbildung auf gängige Arbeitsprozesse ausgerichtet. KI-Tools werden anerkannt und genutzt wie andere digitale Werkzeuge, zum Beispiel Datenanalysetools. Wichtig dabei ist immer, sie nicht nur anzuwenden, sondern auch zu verstehen, was dahintersteckt.

KV-Reform: Kathrin Ziltener gibt Auskunft
Kathrin Ziltener ist seit drei Jahren Fachverantwortliche Berufsbildung und stellvertretende Leiterin Bildung beim Kaufmännischen Verband Schweiz. Die promovierte Soziologin schätzt die unterschiedlichen Berufswege, die eine KV-Lehre ermöglicht.

Welche Möglichkeiten und Risiken der Digitalisierung werden seit der Reform neu in der Ausbildung behandelt?

Digitale Tools können viel, vieles jedoch auch nicht. Digitale Werkzeuge reproduzieren zum Beispiel Stereotype und es stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit aufgrund der riesigen Datenmengen. Wende ich zum Beispiel ein Datenanalysetool an, muss ich mich immer auch fragen: Woher kommen die Daten, die dieses Tool ausspuckt? Das Prinzip der Buchhaltung muss trotzdem verstanden werden, damit Resultate von Buchhaltungstools richtig interpretiert werden können. Im Zuge der Ausbildungsreform wurde der Rahmen geschaffen, dass solche Themen Platz haben.

Teams sind heute oft agil organisiert und Hierarchien flacher. Das setzt Selbstkompetenzen voraus, die geübt werden müssen.

Welche Handlungskompetenzen wurden ausserdem ausgebaut oder neu definiert?

Das Projektmanagement ist sicher eines der wichtigsten «neuen Päckli» und fordert mehr Eigenverantwortung in der Arbeit. Heute sind Teams oft agil organisiert und Hierarchien flacher gestaltet. Das setzt Selbstkompetenzen voraus, die geübt werden müssen. Wie kann ich mich organisieren? Wo und bei wem hole ich Unterstützung, wenn ich sie brauche?

Diese Fragen zu beantworten, sind wichtige Voraussetzungen, um in einem kaufmännischen Betrieb zu bestehen. Generell wird oft projekt­basiert gearbeitet, deshalb werden die Fertigkeiten dafür mit diversen Instrumenten gefördert. In der Berufsfachschule wird jetzt alles in Handlungskompetenzbereichen gelernt, es gibt keine Fächer mehr.

Das heisst?

Die schulische Ausbildung wird nach dem Prinzip gestaltet, dass Inhalte direkt in der Praxis angewandt werden können. Nach neueren pädagogischen Erkenntnissen – die ebenfalls im Zuge der Reform einbezogen wurden – kann Wissen so besser angeeignet werden. Auch die Abschlussprüfung wurde gekürzt, weil man nun weiss, dass es auch mit einer kürzeren Prüfung möglich ist, ein valables Ergebnis zu erhalten.

Allen Lernenden soll eine spannende, für sie passende Karriere ermöglicht werden.

Sie haben die notwendigen Selbstkompetenzen ­angesprochen. Ist es seit der Reform auch möglich, mehr auf individuelle Stärken der Lernenden ­einzugehen?

Unbedingt. Mit der Reform wurde versucht, einen Weg zu schaffen, der auf individuelle Stärken der Lernenden eingehen kann. So soll allen Lernenden eine spannende, für sie passende Karriere ermöglicht werden. Im letzten Lehrjahr kann aus vier Optionen die Vertiefungsrichtung gewählt werden.

Zur Wahl stehen: Kommunikation in der Landessprache, Kommunikation in der ersten Fremdsprache, Finanzen oder Technologie. Diese Wahl steht dann gleichzeitig in der Berufsfachschule und im Ausbildungsbetrieb im Fokus, was wiederum den Wissenstransfer möglich macht. 

In der Ausbildung wurde vieles angepasst und ­optimiert. Welche Eigenschaften sollten angehende Lernende im Gegenzug mitbringen?

Freude an der Sprache ist sicher ein wichtiger Faktor. Auch die Fähigkeit, sich schriftlich und mündlich gut ausdrücken zu können, und ein ausgebildetes Leseverständnis sind unabdingbar. Daneben baut die Arbeit als Kaufmann oder als Kauffrau auf dem grundlegenden Interesse auf, wie das Unternehmen aufgebaut ist und funktioniert.

Fehlt etwas davon, kann es schnell mit der Motivation hapern. Sind diese Qualitäten jedoch vorhanden, bietet das KV spannende und vielseitige Arbeitsmöglichkeiten in diversen Branchen. Das ganze Berufsfeld, von der Buchhaltung und der Kommunikation über das Projektmanagement bis zur HR-Stelle, steht Ausgebildeten nach der Lehre offen.

Neue KV-Kampagne «Mini Lehrzyt»

Der Kaufmännische Verband Schweiz begleitet in seiner neuen Kampagne vier ­KV-Lernende während ihrer dreijährigen Lehrzeit. Sie gehören zum ersten Jahrgang, der die Lehre nach dem System der neuen kaufmännischen Grundbildung absolviert.

kfmv.ch/mini-lehrzyt

Susanna Valentin
schätzt das durchlässige Schweizer Bildungssystem und hat es gleich selbst genutzt. Vor vier Jahren liess sich die diplomierte Heil- und Sozialpädagogin zur Fachjournalistin ausbilden.

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