«Die Zeit, die wir als Familie haben, ist so wertvoll»
Jasmin, 35, und Michael Bauer, 36, sind seit der Jugendzeit ein Paar. Die Pflegefachfrau und der technische Leiter leben mit ihren Kindern Emily, 9, Elia, 5, und Marlon, 1, in Neukirch TG. Die Mutter erfuhr in der 19. Woche der ersten Schwangerschaft, dass sie Brustkrebs hat.
Mit der Diagnose Brustkrebs brach für uns eine kleine Welt zusammen. Da denkt man: Moment mal, ich bin schwanger, ich darf keine Salami und keinen Mozzarella essen und dann soll ich eine Chemotherapie machen?! Es war für uns unvorstellbar, dass das unserem Kind nicht schaden würde.
Das Schlimmste war, die Fassungslosigkeit, Traurigkeit und Verzweiflung in den Augen unserer Familienangehörigen und Freunde zu sehen. Am Ende waren es oft wir, die die anderen beruhigen und aufbauen mussten.
Wenn man mit dem Tod so eng konfrontiert wird, ist jeder einzelne Tag ein Geschenk.
Familie Bauer
Nach sechs Zyklen Chemotherapie kam dann unsere Emily zur Welt. Es war für uns ein Wunder, dass sie gesund war! Vier Tage nach der Geburt stand die Brustoperation an, danach Bestrahlung und Antikörpertherapie und eine lange Zeit der Erschöpfung.
Dass die Erholung so viel Zeit braucht, wird von Aussenstehenden oft nicht verstanden. Sobald die Haare nachwachsen, bist du für die Gesellschaft wieder gesund. Wir haben durch die Krankheit gelernt, hinzustehen und zu sagen: Stopp, wir brauchen Hilfe! Stopp, hier ist unsere Grenze! Das war nicht einfach für uns.
Wir geniessen seither jeden Tag viel mehr. Wenn man mit dem Tod so eng konfrontiert wird, ist jeder einzelne Tag ein Geschenk. Man wird dankbarer für das, was man hat, ist zufriedener. Da entstand so ein Glücklichsein tief im Inneren, das hatten wir erst hinterher.
Nach so einer Zeit wird man auch viel lockerer in manchen Dingen, man sieht vieles im Alltag nicht mehr so eng und denkt: Ach komm, das ist doch gar nicht so wichtig. Worauf kommt es im Leben denn wirklich an? Sicher sind wir auch achtsamer mit uns: Was brauchen wir als Familie, als Paar?
Gleichzeitig hat uns die Krankheit aber auch die Leichtigkeit genommen. Das Sorglose kam nie mehr ganz zurück. Das ist ein Verlust, eine Traurigkeit, die man irgendwann akzeptieren muss. Aber wir haben die Trauer gut überwunden. Vor allem unsere Tochter Emily half uns in den Alltag zurück. Kinder haben die wundervolle Gabe, im Hier und Jetzt zu leben, das haben viele verlernt.