Was mich als Frau wachgerüttelt hat
Zum Weltfrauentag erzählen Fritz+Fränzi-Mitarbeiterinnen, was sie als Frau zum Thema Gleichberechtigung, Vereinbarkeit oder Frauenbild bis heute geprägt hat.
Wir müssen uns das immer wieder vor Augen führen: Per Gesetz haben Frauen in der Schweiz erst seit knapp zwei Generationen gleiche Rechte wie Männer. Das Frauenstimmrecht wurde bei uns erst 1971, 53 Jahre nach Deutschland, eingeführt und erst seit 1988, im Zuge der Revision des neuen Eherechts, sind Frauen hierzulande vertragsberechtigt, dürfen ihr eigenes Konto eröffnen und ohne Einwilligung des Ehemannes einer Erwerbsarbeit nachgehen.
Kein Wunder, dass Frauen auch 2024 noch mit zahlreichen Vorurteilen und Hindernissen kämpfen. Traditionelle Frauen- und Mutterbilder scheinen sich in unseren Köpfen nur zäh aufzulösen. Fünf Fritz+Fränzi-Mitarbeiterinnen erzählen, welche Erfahrungen ihnen als Frau sauer aufgestossen sind oder sie nachhaltig geprägt haben.
«Du musst doch sicher zeitig zum Stillen nach Hause»
Vor der Geburt meiner ersten Tochter arbeitete ich freiberuflich als Journalistin – und wurde unter anderem regelmässig für die Produktion eines grossen Schweizer Magazins gebucht. Das lief gut. Nach der Babypause fuhr ich extra in der Redaktion vorbei, um mich zurückzumelden. Nach nettem Geplauder – unter anderem übers Baby – kamen wir zum eigentlichen Zweck meines Besuchs: «Wann braucht ihr mich nochmal?», wollte ich wissen. Mit einer Antwort tat sich der Produktionsleiter sichtlich schwer.
Nach Ausflüchten wie «Na ja, Du weisst ja, dass der Einsatz hier stressig ist» und «Es kann dann auch mal spät werden», fiel der entscheidende Satz: «Du musst doch abends sicher zeitig zum Stillen nach Hause.» Auch meine Bekräftigungen, dass an meinen Arbeitstagen für die Betreuung des Kindes gesorgt sei, halfen nichts. Ich war raus. Diese Reaktion auf meine Mutterschaft hat mich ernüchtert. Einem jungen Vater wäre das mit Sicherheit so nicht passiert.
Eine Frau muss ihr eigenes Geld verdienen, betonte meine Omi stets. Spätestens in der Waschküche war es mit der Teamarbeit aber vorbei.
Virginia Nolan, Redaktorin
«Der Mental Load nahm erst nach der Scheidung deutlich ab»
Vor 23 Jahren sind mein Ex-Mann und ich ziemlich überstürzt Eltern geworden. Wir landeten, ohne uns dessen bewusst zu sein, direkt in einer klassischen Rollenverteilung: Er stemmte das Haupteinkommen, ich kümmerte mich um Haushalt und Kinder, studierte an der Uni und unterstützte das Familienbudget bis zu meinem Berufseinstieg mit kleineren Nebenjobs. Funktioniert hat all das nur dank der jahrelangen Mithilfe unserer Mütter.
Ich mutierte dennoch zu einer Familienmanagerin-Maschine. Zwischen Pauken, Pampers und Putzen sozusagen. Während meine Mitstudierenden sich in der ersten Vorlesung am Morgen verschlafen die Augen rieben, hatte ich bereits die Kinder geweckt, gefüttert und in die Kita gebracht. Nach der letzten Veranstaltung hiess es schnurstracks einkaufen, Kinder abholen (und sie knuddeln), kochen, waschen, putzen und so weiter. Zum Lernen kam ich oft erst nach 22 Uhr. Das ging damals wunderbar, schliesslich war ich noch jung und eine Eule. Ich habe diesen Kraftakt daher lange nicht in Frage gestellt. Es klappte ja.
Der Mental Load, dieses Organisationskarussell in meinem Kopf, nahm erst vor zwei Jahren deutlich ab. Seit der Scheidung teilen mein Ex-Mann und ich uns die Betreuung unseres jüngsten Sohnes zur Hälfte. Was für ein himmelweiter Unterschied!
Ode an Omi
Wenn ich darüber nachdenke, wer mein Frauenbild (mit)geprägt hat, kommt mir meine Grossmutter in den Sinn. Eine Frau müsse ihr eigenes Geld verdienen, betonte sie stets. Sie hatte es schon immer so gehalten – und ihren frisch angetrauten Gatten überrumpelt, als der nach der Arbeit erstmals ins gemeinsame Heim zurückkehrte.
Omi hatte seine Abwesenheit nicht mit Hausfrauenarbeiten zugebracht, sondern anderweitig genutzt: Am Morgen hatte sie sich – neu in Zürich – einen Stadtplan besorgt, am Nachmittag einen Job. Der Grossvater sei nicht begeistert gewesen: «Was denken andere von einem, der die Frau zur Arbeit schickt?» Derlei Sorgen, so meine Omi, hätten sie nie umgetrieben, und von seinen sei der Opa abgerückt, als ihr Gehalt sein Moped mitfinanzierte. Das Gefährt ersparte ihm fortan das tägliche Pedalen von Zürich nach Meilen, wo er als Bäcker arbeitete. «Zusammen gehts besser», sagte meine Oma, und sie hatte recht.
Mein Loblied auf sie, die ich vermisse, läse sich noch schöner, wenn ich jetzt sagen könnte, sie habe Teamwork auch im Haushalt grossgeschrieben. Aber spätestens in der Waschküche war Ende Gelände – die Domäne war ihre, und vom Wetteifern um die weissesten Laken im Block berichtete sie mit mindestens so viel Eifer wie von ihrer finanziellen Unabhängigkeit. Für ein zerknittertes Duvet gabs kein Pardon – bis zum Schluss nicht.
Ich weiss, dass meine Mutter nur mein Bestes wollte und sich in der Sorge über mein Gewicht die Beziehung widerspiegelt, die sie zu ihrem eigenen Körper hat.
Maja Nicolin, Online Marketing Managerin
«Das schlanke Körperbild meiner Mutter hat mich jahrelang geprägt»
Ich komme aus einer sportlichen Familie. Dünn und athletisch zu sein, war für alle immer sehr wichtig. Vor allem für die Frauen in meiner Familie. Dicke Frauenkörper liessen auf Charakterschwäche und Disziplinlosigkeit schliessen und waren bedauernswert.
Als Kind war ich nicht so sportlich wie die anderen und später als Jugendliche zwar nicht dick, aber auch nicht dünn und athletisch. Ich glaube, meine Mutter befürchtete eine Zeit lang, ich könnte dick werden. Sie gab mir Diät-Tipps und ermahnte mich, ich solle mehr Sport machen und nicht Velo fahren wegen meiner ohnehin schon zu breiten Waden. Dazu kommentierte sie mein Gewicht entweder mit Bedauern («Kann es sein, dass du ein bisschen zugenommen hast?») oder mit Anerkennung in der Stimme («Hast du abgenommen?»). Früher haben mich diese Bemerkungen entweder stolz gemacht, wenn es ums Dünnsein ging, oder in Panik ausbrechen lassen, wenn ich anscheinend zugenommen hatte.
Erst vor Kurzem habe ich es geschafft, ihr zu sagen, was das mit mir macht und sie darum gebeten, mein Gewicht nicht mehr zu bewerten. Sie konnte das zum Glück gut annehmen, und ich glaube, es hat sie nachdenklich gestimmt. Ich weiss, dass meine Mutter nur mein Bestes wollte und sich in der Sorge über mein Gewicht die Beziehung widerspiegelt, die sie zu ihrem eigenen Körper hat.
Nach der Geburt unseres Sohnes stieg mein Partner beruflich auf und wurde nie gefragt, ob das alles zu managen sei.
Lisa Groelly, Leiterin Onlineredaktion
Als Mutter mit stigmatisierenden Fragen bombardiert
Als ich schwanger wurde, arbeiteten mein Partner und ich im selben Unternehmen. Während mein Partner weiter so behandelt wurde wie immer, war ich mit Fragen, Bedenken und Erwartungen konfrontiert, mit denen ich nicht gerechnet hatte: Ob ich denn überhaupt wieder zurückkommen würde, und wenn ja, um wie viele Prozentpunkte ich mein Pensum reduzieren wolle. Es sei schon nicht ohne, Kind und Arbeit unter einen Hut zu bringen.
Noch krasser war es, als ich nach meinem Mutterschaftsurlaub wieder zurückkam. Ständig wurde ich gefragt, wie es dem Kleinen gehe, wo er jetzt gerade sei und wer auf ihn aufpasse. Als wir wegen Corona Home-Office-Pflicht hatten, sind Vorgesetzte davon ausgegangen, dass ich während der Arbeit auch noch unseren Säugling bespasse, obwohl wir ihn in dieser Zeit selbstverständlich betreuen liessen.
Mein Partner stieg zur selben Zeit beruflich auf und es war keine Sekunde ein Thema, ob das als frischgebackener Vater denn auch alles zu managen sei.