Smartwatches sorgen für neuen Ärger
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Smartwatches sorgen für neuen Ärger

Lesedauer: 4 Minuten

Immer öfter tragen schon Primarschüler GPS-Uhren. Wie sollen Lehrpersonen damit umgehen und warum schaffen Eltern diese überhaupt an?

Der Markt für GPS-­Uhren für Kinder boomt. Viele Eltern kaufen solche Geräte bereits für Primarschüler, weil sie – im Vergleich zu Smartphones – zu deutlich weniger Konflikten im Alltag führen sollen. Doch das täuscht, denn diese Uhren sorgen für neuen Ärger.

Wenn die Siebenjährigen auf dem Pausenplatz in Streit geraten, reicht neuerdings ein Wisch am Handgelenk, um heulend nach der Mama zu rufen: «Der Juri hat mich geplagt», beschwert sich dann der vermeintlich Schwächere.

«So etwas haben wir tatsächlich schon erlebt», erklärt eine Schulleiterin. Und in der Nachmittagsbetreuung eines anderen Schulhauses seien Kinder mit der Aufnahmefunktion einer Smartwatch aufgenommen, andere sogar gefilmt worden. «Das geht gar nicht!», so die Schulleiterin weiter. Die Hortmitarbeiter hätten die Uhren daraufhin an sich genommen und erst wieder ausgehändigt, als die minderjährigen Besitzer den Heimweg angetreten haben.

Kurzfristig mag das eine Lösung gewesen sein, doch wie grundsätzlich mit einem Problem umgehen, das auch an Primarschulen immer öfter für Unruhe und Unmut sorgt? Können diese Uhren überhaupt ihr Sicherheitsversprechen halten, wenn dem Kauf hauptsächlich diffuse Ängste der Eltern zugrunde liegen? Und welchen Preis zahlen bereits junge Kinder für die ständige Erreichbarkeit? 

Eine Uhr mit vielen Funktionen

GPS-Uhren für Kinder zählen zu den sogenannten Wearables. So heissen elektronische Geräte, die am Körper getragen werden. Zu Wear­ables gehören unter anderem intelligente Kleidung, Kopfhörer und eben Kinder-Smartwatches mit GPS-Funktion. Je nach Modell und Preisklasse bieten sie Livetracking, GPS-Positionierung und eine Notruffunktion.

Kinder müssen sich frei ­bewegen können und ­eigenständiges Handeln ­lernen. Eine GPS-Uhr ­verzögert diese Entwicklung.

Diese Uhren sollen Eltern benachrichtigen, sobald das Kind einen zuvor festgelegten Umgebungsradius verlässt. Der sogenannte Schulmodus soll die Konzentration während der Unterrichtszeit gewährleisten. Manche Uhren haben sogar eine Kamerafunktion oder finden auch als Wecker ihren Einsatz. Kinder können mit der Uhr ihre Eltern anrufen oder Anrufe von ihnen entgegennehmen. Ebenso sind Sprach- und Textnachrichten möglich.

Weniger Sorgen in Echtzeit

Mütter und Väter regeln dazu alle Belange über eine App. Sie entscheiden sich wie gesagt oft für eine GPS-Uhr für Kinder, weil sie ihrem Kind in der Primarschule vorerst weder ein Tasten-Handy noch ein Smartphone aushändigen wollen. Es gibt aber noch weitere plausible Gründe.

Wenn sich junge Kinder erstmals alleine auf den Schulweg machen, löst das bei vielen Eltern nachvollziehbare Ängste aus. Der Strassenverkehr ist für sie die erste Hürde, um sich selbständig in der Welt zu bewegen. Sieben Kinder kommen jedoch in der Schweiz jährlich auf dem Schulweg ums Leben, schreibt die BFU, die Beratungsstelle für Unfallverhütung aus Bern. «40 Prozent der schweren Kinderunfälle geschehen auf dem Schulweg», heisst es weiter.

Eine umfängliche Verkehrserziehung kann Schlimmes verhüten, eine Uhr nicht. Dennoch gibt sie vielen Erziehenden das Gefühl von Sicherheit, sollte es zu einer kritischen Situation kommen. Treten Kinder etwa nach dem Unterricht nicht zügig den Heimweg an, sondern trödeln herum oder gehen ohne Absprache mit einem Klassenkameraden nach Hause, machen wir uns verständlicherweise Sorgen. Dank einer GPS-Uhr können Eltern in solchen Momenten den Standort des Kindes in Echtzeit ermitteln.

Mit diesen Uhren wird dann auch ohne Smartphone Kontakt aufgenommen und miteinander kommuniziert: Das Kind darf sich zudem im Notfall melden oder bleibt grundsätzlich erreichbar. Gerade bei Kindern mit gesundheitlichen Einschränkungen – wie zum Beispiel Diabetes – kann diese Funktion sogar lebensrettend sein. Es gibt allerdings auch zahlreiche Gründe, die gegen die Anschaffung einer solchen Uhr sprechen.

Mangelnder Datenschutz

Einer der wichtigsten Beanstandungspunkte betrifft den Datenschutz. Oft raten Datenschutzexperten vom Kauf solcher Uhren ab, da viele Hersteller Sitz und Server ausserhalb Europas haben. Dabei stehen besonders Firmen aus Übersee im Verdacht, es mit der Privatsphäre ihrer Nutzer nicht so genau zu nehmen. In der Vergangenheit sollen sensible Daten ungeschützt auf Servern gelegen haben.

Wer es versteht, sich dazu Zugang zu verschaffen, kann auf viele Informationen zugreifen. Selbst wenn wir Erwachsenen einen eher laxen Umgang mit dem Datenschutz ­pflegen, etwa wenn wir unsere Adressdaten für einen Preisrabatt verschleudern, müssten im Zusammenhang mit Kindern jedoch strengere Massstäbe gelten. Norwegische Verbraucherschützer bemängelten Manipulationsmöglichkeiten und stellten bei manchen Produkten eine grosse Unzuverlässigkeit der SOS-Notfallfunktion fest. Dazu kommen noch die Kosten der Uhren. Viele Geräte benötigen eine SIM-Karte. Hinsichtlich der kindlichen Entwicklung gibt es ohnehin weitere Kritikpunkte.

Was Eltern wissen sollten
  • Bei einer Onlineumfrage von 20min.ch, ob Eltern ihre Kinder überwachen sollten, hielten 56 Prozent der Befragten nichts davon und setzen eher auf Vertrauen. 18 Prozent fanden die Anschaffung einer Smartwatch in Ordnung, solange die Kinder klein sind, und 13 Prozent hatten wegen der drohenden Gefahren vollstes Verständnis für den Kauf.
  • Achten Sie beim Kauf darauf, dass die Datenschutzbestimmungen erfüllt werden und es keine reine Abhörfunktion gibt.
  • Es ist schwierig, Online-Testberichten zu GPS-Kinderuhren zu vertrauen, wenn diese mit einem Shopsystem verlinkt sind.

Verlust der Privatsphäre

Kinder müssen sich frei bewegen können und eigenständiges Handeln lernen, das ihnen dann zu persönlicher Reife und mehr Selbstbewusstsein verhilft. Eine GPS-Uhr verzögert diese Entwicklung und wiegt Kinder in falscher Sicherheit. Um sie vor echten Gefahren zu schützen, helfen nur gemeinsame Gespräche und Regeln. Auch die präventive Erziehung zu Risiken und Gefahren – zum Beispiel zu Strassenverkehr und der Kontaktaufnahme durch Fremde – darf nicht fehlen. Und in der Schule müsste es eigentlich zu Kinder-­Smartwatches verbindliche Regeln geben, die über den anfangs erwähnten Schulmodus hinausgehen.

Inzwischen untersagen immer mehr Schulen das Mitführen solcher Uhren, da sie den Unterricht stören und damit gefilmt oder gespickt werden kann. Nur ist ein Verbot – wie schon bei der Smartphone-Diskussion – wenig sinnvoll, denn ist das Gerät erst mal da, müssen Kinder den verantwortungsvollen Umgang damit erlernen. Gerade in der Primarschule sind Kinder aber dazu oft zu jung, sodass der Sicherheitsgedanke zu einer Überforderung führt und dann vermutlich keine Anschaffung die bessere Alternative wäre.

Thomas Feibel
ist einer der führenden ­Journalisten zum Thema «Kinder und neue Medien» im deutschsprachigen Raum. Der Medienexperte leitet das Büro für Kindermedien in Berlin, hält Lesungen und Vorträge, veranstaltet Workshops und Seminare. Zuletzt erschien sein Elternratgeber «Jetzt pack doch mal das Handy weg» im Ullstein-Verlag. Feibel ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

Alle Artikel von Thomas Feibel

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