Schritt 1: Interessen und Stärken
Berufswahl: Darf ich vorstellen – ich!
Bevor Jugendliche entscheiden können, welche Ausbildung sie nach der Sekundarschule in Angriff nehmen wollen, müssen sie ein paar grundlegende Fragen an sich selber beantworten. Keine leichte Aufgabe mitten in der Pubertät, die ohnehin schon voller Fragen ist.
Der Anfang der Suche nach der passenden Ausbildung liegt ganz nah: bei der eigenen Person. Was kann dieser Mensch, den man «ich» nennt, was tut er gern, wofür interessiert er sich? Für Jugendliche, die keine Kinder mehr, aber auch noch keine Erwachsenen sind, sind diese Fragen besonders schwer zu beantworten. Sie schlagen sich gerade mit diversen weiteren Entwicklungsaufgaben herum: Sie suchen ihren Platz in der Gesellschaft, überlegen, welche Werte ihnen wichtig sind, welche Art von Beziehung sie haben möchten und wie sie wahrgenommen werden wollen. Viele, aber nicht alle dieser Fragen beeinflussen die Berufswahl. Dennoch steht diese nicht für alle Jugendlichen im Zentrum ihres Interesses.
Das Interesse, das in Wunschträumen steckt, kann der erste Schritt in die Richtung sein, in der das nächste Ausbildungsziel liegt.
Damit beschäftigen müssen sie sich dennoch. Und wenn sie es richtig anstellen, erfahren sie dabei einiges über sich selber. Alltagsfragen sind ein guter Einstieg:
- Zu welchen Themen habe ich zuletzt nach Informationen gesucht?
- Worüber weiss ich so viel, dass ich anderen Auskunft gebe?
- Bei welcher Beschäftigung vergesse ich die Zeit?
- Wozu muss ich mich überwinden und bin froh, wenn ich es hinter mir habe?
- Löse ich Aufgaben lieber allein oder mit anderen?
- Nutze ich meine Fremdsprachenkenntnisse?
- Arbeite ich gerne mit den Händen?
- An welchem Ort fühle ich mich am wohlsten?
Solche Fragen, die sich aus der Erinnerung an die letzten Tage oder Wochen beantworten lassen, erleichtern die Selbsteinschätzung. Es geht dabei noch nicht um spezifische Berufe, sondern um persönliche Neigungen. Ziel ist, herauszufinden, was das für ein Mensch ist, zu dem der Beruf oder die Ausbildung passen soll.
Interessen ändern sich – ganz besonders bei Jugendlichen
Ein guter Einstieg sind Wünsche und Träume. Astronautin, Modedesigner, Extremalpinistin – in den Wunschträumen steckt ein Interesse an einer bestimmten Aktivität, einem Umfeld, in dem man arbeiten möchte, in manchen auch das Ansehen, das ein Beruf mit sich bringt. Dieses Interesse kann der erste Schritt in die Richtung sein, in der das nächste Ausbildungsziel liegt.
Die an der Raumfahrt Interessierte kann sich vielleicht auch für andere naturwissenschaftliche oder technische Themen begeistern. Der Junge, der auf eine Karriere in der Modebranche hofft, kann sich überlegen, was er sonst noch gerne gestaltet. Gut möglich, dass beide dabei auf neue Themen stossen, die sie noch brennender interessieren. Denn dass sich Interessen ändern, ist normal, ganz besonders bei Jugendlichen.
Was einen interessiert und was man gerne tut, hängt oft – aber nicht immer – damit zusammen, worin man gut ist. Wer sich gut auf die direkt vor ihm liegende Sache konzentrieren kann, wird sich eher dafür interessieren, komplexe technische Aufgaben zu lösen. Wer am liebsten den ganzen Tag mit Menschen in Kontakt ist, gerne Dinge erklärt oder eine Pfadfinderschar führt, dürfte seine Stärken eher in der Kommunikation und im Einfühlungsvermögen haben.
Auch wenn Schulleistungen nur einen Teil einer Persönlichkeit und der Fähigkeiten abbilden, kommt man in der Berufswahl nicht darum herum, gewisse Realitäten anzuerkennen. Wer in Mathematik Mühe hat zu folgen, muss entweder an diesen Fähigkeiten arbeiten oder sich eine Beschäftigung suchen, in der abstraktes Denken und Zahlen eine untergeordnete Rolle spielen. Bewegungsmuffel können einen körperlich anstrengenden Beruf als Herausforderung annehmen. Worauf sie sich einlassen, wird ihnen spätestens in der Schnupperlehre bewusst.
Lesen Sie mehr zum Thema Berufswahl:
- Schritt 1: Eigene Interessen und Stärken kennenlernen
- Schritt 2: Berufe und Ausbildungen kennenlernen
In die Lehre oder weiter zur Schule? Diese Frage stellen sich viele in der Oberstufe. Dabei schliessen sich die beiden Wege nicht aus. Die wichtigsten Bildungsangebote im Überblick. - Schritt 3: Eigene Stärken mit den Anforderungen von Berufen und Ausbildungen vergleichen
Jede Berufslehre und jede Schule hat ihre spezifischen Anforderungen. Für junge Berufssuchende bedeutet das, dass sie entweder intensiv an ihren Fähigkeiten arbeiten oder sich eine weniger anforderungsreiche Berufslehre suchen sollten. - Schritt 4: Interessante Berufen in einer Schnupperlehre kennenlernen
Eine Schnupperlehre, auch Berufswahlpraktikum genannt, gibt einen ersten Eindruck vom Arbeitsleben, von einem Beruf und vom Klima im möglichen Lehrbetrieb. Sie ist so etwas wie der ultimative Realitätscheck für junge Lehrstellensuchende. - Schritt 5: Mögliche Berufe und Ausbildungen überprüfen und eine Entscheidung fällen
Berufsberaterin Sigrid Weber kennt die Qual der Berufswahl, die viele Jugendliche durchleben. Lieblingsfächer und Hobbys seien erste Hinweise auf die passende Ausbildung, in Schnupperlehren lasse sich viel lernen – und manchmal helfe auch ein Münzwurf, sagt die Psychologin. Bei der Entscheidung müsse aber vor allem das Gefühl stimmen. - Schritt 6: Eine Lehrstelle suchen oder sich bei einer Schule anmelden
Nach der Wahl des passenden Berufs folgt die Suche nach dem geeigneten Lehrbetrieb. Gross oder klein, familiär oder formell, hierarchisch oder kollegial? Je mehr verschiedene Formen man durch Schnuppern kennenlernt, desto besser weiss man, was einem zusagt. - Schritt 7: Sich auf die Lehre oder Schule vorbereiten oder Brückenangebote abklären
Das zehnte Schuljahr gilt als Notlösung für die, die keine Lehrstelle gefunden haben. In Wahrheit ist es ein sinnvolles Bildungsangebot, um schulische und andere Lücken zu schliessen oder in der Berufswahl zu einer Entscheidung zu gelangen. Weitere Brückenangebote helfen, wertvolle Kenntnisse zu gewinnen und Weichen zu stellen.
Das sagen die Jugendlichen:
- «Ich mache jeden Tag etwas Neues»
Pedro Lopes, 19 aus Luterbach SO, ist Sanitärinstallateur im dritten Lehrjahr. Für seine berufliche Zukunft hat er sehr konkrete Vorstellungen. - «Es gibt noch viel zu lernen»
Marc Roth, 17, aus Oberhelfenschwil SG, will Hufschmied werden und später einen eigenen Betrieb führen. - «Meine Eltern sind sehr stolz auf mich»
Farzana Ahmadi, 26, aus Umiken AG, ist Assistentin Gesundheit und Soziales EBA. Sie vermisst ihre Heimat Iran und sagt, die Menschen im Pflegeheim hälfen ihr, sich weniger allein zu fühlen. - «Ich durfte nur einmal messen und musste mich sehr konzentrieren»
Anouk Zaugg, 16, aus Brugg AG, absolvierte eine Schnupperlehre als Hochbauzeichnerin. Und ist glücklich, nach dem positiven Bescheid die Lehre in ihrem Wunschberuf machen zu dürfen. - «Ich erkläre den Kunden, was erlaubt ist – und was nicht»
Daniel Wiederkehr, 26, aus Rotkreuz ZG, arbeitet heute als Sicherheitstechniker. Während der Ausbildung lief nicht alles rund. - «Grosse Gegenstände zerlegen, das gefällt mir»
Bianca Jöhr, 16, aus Worb BE, arbeitet als Recyclistin EFZ im ersten Lehrjahr. Dabei wollte sie zuerst Coiffeuse werden. - «Ich hatte eine schwierige Zeit, nicht nur, weil ich keine Lehrstelle fand»
Colin Spilek, 16, aus Nufenen GR, ist Berufswahlschüler und fühlt sich pudelwohl. Die Suche nach einer Lehrstelle fiel mit seinem Coming-out als Transgender zusammen – keine einfache Zeit.