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Lauras Kampf um den Titel der Schreiner-Schweizermeisterin

Lesedauer: 5 Minuten

Laura Leimgruber hat an den SwissSkills in Bern um den Titel der Schweizermeisterschaft der Schreinerinnen und Schreiner gekämpft. Ihre sportliche Vergangenheit und eineinhalb Jahre Vorbereitung auf den Wettkampf haben ihr geholfen, vier Tage lang Tempo und Präzision unter einen Hut zu kriegen.

Text: Stefan Michel
Bild: SwissSkills

«Noch zwei Minuten!», ruft einer der Funktionäre den Wettkämpferinnen zu. Ob Laura Leimgruber ihn unter ihrem Gehörschutz verstanden hat, ist nicht zu erkennen. Spielt aber auch keine Rolle. Sie weiss genau, wie viel Zeit ihr bleibt, um ihre Wettkampf-Aufgabe abzuschliessen.

Noch einmal schleift sie alle Kanten nach, prüft ob das Kippfenster in den Rahmen passt. Dabei ist ihr längst klar, dass sie nicht fertig werden wird. Die Zeit, um das Fenster zu verankern, sodass es wie vorgegeben um seine horizontale Achse schwingt, hat sie nicht mehr.

«Ich mag es, auf den Zehntelmillimeter genau zu arbeiten»

Laura Leimgruber, 19, aus Fahrwangen AG, lernt Schreinerin EFZ mit Berufsmatur. An den SwissSkills kämpft sie um den Schweizer Meister-Titel. «Als Bezirksschülerin wäre die logische Fortsetzung das Gymnasium gewesen. Ich wollte aber etwas Handwerkliches in Begleitung der technischen Berufsmatura lernen. Die erste Schnupperlehre als Schreinerin entsprach nicht genau meinen Vorstellungen, ich liess mich aber nicht entmutigen und suchte weiter. Beim jetzigen Lehrbetrieb, der Firma Ruepp AG, stimmte dann alles. Ich arbeite gerne mit Holz. Es fühlt sich angenehm an und die Vielseitigkeit des Materials gefällt mir sehr. Ich mag es auch, exakt zu arbeiten – auf den Zehntelmillimeter genau – und ein Werkstück massgetreu zu fertigen. Nun werde ich einige Zeit auf dem Beruf arbeiten, Erfahrung sammeln und mir dabei überlegen, wie es weitergeht. Ich kann mir gut vorstellen, in Richtung Möbeldesign oder Planung geht.»

Die 18-jährige Aargauerin war noch Anfang ihrer Lehre zur Möbelschreinerin Leichtathletin. 800 Meter und 1500 Meter lief sie. «Es kommt vor, dass man stürzt oder in einem 800-Meter-Rennen die ersten hundert Meter viel zu schnell angeht. Dann muss man sich durchbeissen und das Beste daraus machen», beschreibt sie.

Das Gleiche gilt an den SwissSkills, den Schweizer Berufsmeisterschaften, an denen Laura um die Titel in den Disziplinen Möbelschreinern und Massivholzschreinern kämpft. Als einzige Frau unter neun Teilnehmenden. Aus über 1100 Lernenden haben sich diese in mehreren Qualifikationsrunden durchgesetzt und bilden seither das Schweizer Nationalteam der Schreinerinnen und Schreiner.

Obwohl alle Konkurrenten sind, haben sie einander mit Tipps unterstützt.

Ein Pfiff markiert das Ende von vier Tagen Wettkampf. Die acht jungen Männer und die junge Frau tragen ihre Kippfenster zur Jury. Laura hat einen beachtlichen Fanclub, Freundinnen und Familie, die die Zuschauerplätze an ihrer Werkbank besetzen. Als sie zu ihnen zurückehrt, lächelt sie und wischt sich Tränen aus den Augen. «In dem Moment ist der ganze Druck abgefallen», erklärt sie später.

Dass sie nicht ganz zufrieden ist mit ihrer Leistung, verbirgt sie nicht. «Am Anfang hatte ich Mühe, den Plan zu verstehen, mir war nicht klar, wie ich gewisse Verbindungen herstellen sollte.» Nach den Gesprächen mit ihren Kollegen in der Mittagspause habe sie die Lösung dann gefunden. Obwohl alle Konkurrenten sind, haben sie einander mit Tipps unterstützt.

Wo Berufsvirtuosen um Medaillen kämpfen

SwissSkills ist zuerst einmal eine riesige Berufsmesse. Besucherinnen und Besucher können jungen Berufsleuten aus über 150 Lehrberufen bei der Arbeit über die Schultern blicken, sich informieren und inspirieren lassen. 85 Berufsverbände tragen an den SwissSkills ihre Schweizermeisterschaften aus. Alle Finalistinnen und Finalisten haben in diversen Vorausscheidungen oder bei Abschlussprüfungen bewiesen, dass sie zu den besten jungen Berufsleuten der Schweiz gehören.

An den nationalen Meisterschaften steigt der Schwierigkeitsgrad nochmals. Egal, ob es um ein Handwerk, eine soziale Dienstleistung oder ums Programmieren geht: Alle jungen Berufsleute müssen in kurzer Zeit knifflige Aufgaben lösen. Wer dabei das beste Resultat liefert – eine Jury verfolgt die Leistungen der Teilnehmenden während des vier Tage dauernden Wettkampfs –, darf sich am Ende Schweizermeisterin oder Schweizermeister nennen.

Die aktuelle Rangliste der Sieger finden Sie hier.

Ein handwerkliches Niveau, das nur wenige erreichen

Das Massivholzschreinern, dem die zweite Hälfte des viertägigen Wettkampfs gewidmet war, ist nicht ihre Lieblingsdisziplin. «Ich bin Möbelschreinerin, darum will ich beim Möbel besonders gut abschneiden. Auch da gelang Laura nicht alles nach Wunsch.

«In den Vorbereitungswettkämpfen mussten wir immer extrem schnell arbeiten und deshalb Abstriche beim Finish machen, also wie schön wir alles ausarbeiten. Hier merkten wir allmählich, dass wir genug Zeit haben und deshalb sauberer arbeiten müssen, um eine gute Bewertung zu erhalten. Hätte ich das gewusst, hätte ich schon am ersten Tag mehr Zeit in die einzelnen Elemente des Möbels investiert.» Nachdem sie die fertigen Kästchen ihrer Kollegen gesehen hatte, wusste sie: «Das wird eine enge Sache, ein kleiner Fehler kann den Unterschied machen.»

Das ist Spitzensport, was diese jungen Leute hier machen.

Sandro Mächler, Projektleiter Grundbildung beim Verband der Schreinermeister

Sandro Mächler, Projektleiter Grundbildung beim Verband der Schreinermeister, ordnet ein: «Das handwerkliche Niveau, das die Mitglieder der Nationalmannschaft haben, erreichen die wenigsten ausgebildeten Schreiner. Das ist Spitzensport, was diese jungen Leute hier machen.» Er führt aus, dass sie beispielsweise Techniken beherrschten, wie zwei Holzelemente ineinandergreifen, die ausserhalb von Wettkämpfen kaum noch angewendet würden, da sie so aufwändig und teuer seien.

«Wir haben die Teilnehmer die letzten eineinhalb Jahre auf diese vier Tage vorbereitet. Und ich nehme an, dass die meisten von ihnen in den letzten Wochen nicht mehr viel gearbeitet, sondern nur noch trainiert haben.»

«Die Spannung war riesig»

Laura hat ihre Lehre im Sommer abgeschlossen – als Beste im Kanton Aargau. Auch die Berufsmatura schloss sie mit Bestnoten ab. Seither hat sie in einem 40-Prozent-Pensum in ihrem Lehrbetrieb weitergearbeitet. Die übrige Zeit investierte sie in die Vorbereitung der Meisterschaften. Spezielle Techniken üben, am Tempo und an der Präzision arbeiten, komplizierte Pläne verstehen, Zeitmanagement waren die Fähigkeiten, an denen sie feilte.

Der Druck des Wettkampfs lässt sich allerdings kaum simulieren, auch wenn die Vorbereitungswettkämpfe des Nationalteams dies zum Zweck hatten. «Trotz der langen Tage an den SwissSkills hatten wir alle Mühe zu essen und zu schlafen, so gross war die Spannung, unter der wir standen», beschreibt sie die Stimmung.

Wer fährt an die Weltmeisterschaften?

Am Samstagabend, Stunden nach Ende des Wettkampfs ist es soweit: Die Sieger der Disziplinen Möbel und Massivholz werden ausgerufen. Die drei besten Möbelschreiner werden nach vorne gerufen. Laura gehört nicht dazu. Als sie die Rangliste sieht, steigt nochmals Enttäuschung hoch: Mit 63,19 Punkten fehlt ihr weniger als ein Punkt auf den dritten Platz und damit die Bronze-Medaille als Andenken an ihre Zeit als Nationalmannschaftsmitglied.

Laura Leimgruber verpasst mit ihrem Werk haarscharf den dritten Platz.

Diese ist für sie mit den SwissSkills vorbei. Nur die Sieger in den beiden Disziplinen reisen an die WorldSkills, die Weltmeisterschaften. Wie die anderen träumte auch Laura davon. «Ich realisiere noch nicht ganz, dass es vorbei ist. Ich bin auch noch nicht glücklich damit, was ich erreicht habe. Im Moment kann ich nur sagen: Es war mega schön, die Zeit im Team war toll.»

Die nächsten sechs Wochen hat Laura unbezahlte Ferien genommen, danach wird sie in ihrem Lehrbetrieb Vollzeit arbeiten. Dabei will sie herausfinden, wie es beruflich weitergehen soll, ob sie eine Weiterbildung oder ein Studium anfangen will. «Fürs erste freue ich mich darauf, normal zu arbeiten und nicht mehr den Kopf voller komplizierter Pläne zu haben.»

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Stefan Michel
ist freier Journalist und Texter und lebt mit seiner Partnerin und zwei Kindern in Zürich.

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