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«Die Verantwortung liegt bei den Eltern, nicht bei der Schule»

Lesedauer: 2 Minuten

Berufswahl-Expertin Ruth Sprecher über die optimale Rollenverteilung zwischen Eltern, Schule und Berufsberatung bei der Lehrstellensuche.

Interview: Stefan Michel
Bild: Rawpixel

Frau Sprecher, was ist die Aufgabe der Schule bei der Berufswahl?

Lehrpersonen begleiten die Ju­gendlichen in ihrem Reifeprozess hin zu einer Anschlusslösung nach der Oberstufe. Die Schule vermittelt im Unterricht die erforderlichen Kompetenzen, um in die Berufsbildung oder eine weiterführende Schule eintreten zu können.

Ist die Schule oder eine einzelne Lehrperson dafür verantwortlich, dass Schülerinnen und Schüler eine Lehrstelle finden oder in eine ­Mittelschule aufgenommen werden?

Die Verantwortung liegt klar bei den Eltern. Entscheidend ist die Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrpersonen und der Berufs­beratung. Mangelnde Kenntnis des schweizerischen Bildungssystems und falsche Vorstellungen über berufliche Chancen sind oft das grösste Problem, insbesondere bei Eltern mit Migrationshintergrund.

Ruth Sprecher ist Lehrperson bei der BFF Bern ­und Präsidentin der Fachkommission berufliche ­Orientierung des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH).

Oft werden Lehrpersonen daran gemessen, wie viele ­Schülerinnen und Schüler sie in einer guten ­Ausbildung unterbringen. Was ­halten Sie davon?

Ich erlebe immer wieder, dass Lehrpersonen in gewissen Ge­meinden an diesem Parameter gemessen werden. Offiziell trägt die Schule keine Verantwortung dafür, und ich finde es falsch, eine Lehrperson für den Berufswahl­erfolg ihrer Schülerinnen verantwortlich zu machen.

Häufig stellen wir fest, dass jemand innerlich noch nicht bereit für die Berufswahl ist.

Wenn es mit der Berufswahl nicht auf Anhieb klappt, hat das in den wenigsten Fällen mit einer mangelnden fachlichen Begleitung durch die Lehrperson zu tun. Häufig stellen wir fest, dass jemand innerlich noch nicht bereit für die Berufswahl ist, sich nicht entscheiden kann. Oder die Eltern haben zu hohe Erwartungen.

In sieben Schritten den eigenen Weg finden

Die Wahl der passenden Ausbildung nach der Sekundarschule lässt sich in sieben aufeinanderfolgende Aufgaben einteilen:

Wie beschreiben Sie die optimale Rollenverteilung zwischen Eltern, Schule und Berufsberatung?

Die Eltern informieren, fördern und ermuntern ihr Kind. Die Berufsberatung ist in der Schule präsent, tauscht sich mit der ­Lehrperson aus. Die individuelle Berufsberatung ist gefordert, wenn es vertiefte Abklärungen braucht oder Fachwissen, welche Anforderungen eine bestimmte Ausbildung mit sich bringt. Die Lehrpersonen begleiten und motivieren Jugendliche, wenn es angezeigt ist, individuelle Berufsberatung in Anspruch zu nehmen. Ein gutes Zusammenspiel dieser drei Player ist von grosser Bedeutung.

Welches Engagement der Eltern ist aus Sicht der Schule sinnvoll?

Die Berufswahl ist ein gemeinsamer Entscheid der Eltern und ihres Kindes. Die Eltern sollen unterstützen, aber nicht Druck aufsetzen. Mit Unterstützung ist nicht gemeint, dass sie ihren Kindern Aufgaben wie die Suche nach einer Schnupperlehre abnehmen. Wichtig ist, dass die Eltern, die Lehrpersonen und die Berufsberatung den gleichen Informationsstand haben, ansonsten können sie gegeneinander ausgespielt werden. Darum müssen Eltern, Lehrpersonen und Berufsberatung in engem Kontakt zueinander sein und offen und transparent miteinander kommunizieren.

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Stefan Michel
ist freier Journalist und Texter und lebt mit seiner Partnerin und zwei Kindern in Zürich.

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