Welche Nachrichten darf mein Kind sehen? - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Merken
Drucken

Welche Nachrichten darf mein Kind sehen?

Lesedauer: 4 Minuten

Fake News sind gefährlich, bestätigt unser Kolumnist und sagt, welche Wirkung echte Nachrichten auf Kinder haben und wie Eltern sie ihnen vermitteln. Plus: 4 Tipps für Eltern für einen korrekten Umgang mit News.

Text: Thomas Feibel
Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren

Das Wichtigste zum Thema:

Die Nachrichtenflut übers Internet kann überfordern, auch Erwachsene. Im Unterschied zu Kindern und Jugendlichen können sie Gräuel auf Distanz halten oder richtig einordnen. 

Kindern fehlt dieser Selbstschutz. Schlechte Nachrichten machen ihnen Angst und sind für sie eine riesige Enttäuschung. Sie belegen, dass die Welt der Erwachsenen nichts anderes als ein Ort des Scheiterns ist. 

Kinder und Jugendliche müssen die Welt verstehen, in der sie leben. Erst wenn sie die Geschehnisse realistisch einschätzen und einordnen lernen, können sie sie auch verarbeiten. 

Erfahren Sie im vollständigen Artikel mit 4 konkreten Tipps, wie spezielle Kinder-Formate Orientierung bieten können.

Derzeit reden alle über Fake News. Diese besonders perfide Form der Manipulation droht die Gesellschaft zu spalten und gefährdet die Demokratie. Darum sind sich Eltern und pädagogische Fachkräfte einig, dass Kinder und Jugendliche heutzutage in der Lage sein müssten, falsche Nachrichten zu entlarven.

Die Sache hat nur einen Schönheitsfehler: Die letzte PISA-Studie bescheinigte Schülerinnen und Schülern aus der Schweiz und anderen Nationen eine mangelnde Fähigkeit, Meinung von Fakten unterscheiden zu können. Das klingt erst mal alarmierend und lenkt auch ein wenig von der Tatsache ab, dass selbst viele Erwachsene auf Lügenartikel reinfallen.

Zwar ist die Auseinandersetzung mit Fake News enorm wichtig, aber doch eher der zweite Schritt. Zunächst sollten wir uns Gedanken darüber machen, welches Verhältnis Kinder und Erwachsene grundsätzlich zu Nachrichten haben.

Nachrichtenflut im Internetzeitalter

Früher war die Vermittlung aktueller Geschehnisse Zeitungen, Radio und Fernsehen vorbehalten. Doch heute erreichen uns Nachrichten über das Internet praktisch im Sekundentakt. Nie war eine Gesellschaft besser informiert als heute – nur hat sie das auch ängstlicher gemacht. Berichte von Gewalttaten zum Beispiel beunruhigen uns stark, selbst wenn die Kriminalstatistik hierzulande vermutlich keinen Anlass dazu gäbe.

Zudem sind News aus aller Welt selten positiv, sondern meistens furchtbar: Autofahrer steuern gezielt in Menschenmengen, Diktatoren lassen ihr Volk verhungern und in fernen Regionen werden Andersgläubige brutal getötet.

Hören Kinder von Kriegen, Terroranschlägen und Naturkatastrophen, wollen sie sofort von ihren Eltern erfahren, ob so etwas auch in ihrer Region passieren könnte.

Würden wir das alles zu nah an uns heranlassen, würden wir unseres Lebens nicht mehr froh. Irgendwann haben wir bitter lernen müssen, all diese Gräuel auf Distanz zu halten.

Nachrichten machen Kindern Angst

Diese gesunde Verdrängung ist ein Selbstschutz. Doch jüngere Kinder sind dazu gar nicht in der Lage und Jugendlichen fällt es sehr schwer. Warum eigentlich? Weil Nachrichten oft die grausige Realität widerspiegeln und deshalb bei Kindern Ängste und Albträume auslösen.

Hören junge Mädchen und Buben von Kriegen, Terroranschlägen und Naturkatastrophen, wollen sie sofort von ihren Eltern erfahren, ob so etwas auch in ihrer Region passieren könnte.

Der Umgang mit News – 4 Tipps für Eltern

  • Schauen Sie mit Ihren Kindern regelmässig Kindernachrichten und stehen Sie für Rückfragen zur ­Verfügung. Helfen Sie einordnen.
  • Es ist keine Schwäche, nichts gegen die Widrigkeiten der Welt ausrichten zu können. Aber wir müssen dennoch alles tun, um unseren Kindern weiterhin das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.
  • Die PISA-Auswertung hat auch darauf aufmerksam gemacht, dass Kinder, die Druckerzeugnisse lesen, besser mit der Welt klarkommen. Im Gegensatz zum schnellen Fernsehen können sie in Magazinen und Büchern dem eigenen Tempo folgen und immer wieder nachschlagen.
  • Es gibt keine Sicherheit. Nirgends.

In solchen Momenten wünschten wir uns alle, Kinder so lange wie möglich vor den düsteren Seiten dieser Welt zu bewahren. Nur funktioniert das leider nicht.

Zu Beginn der Pandemie beispielsweise mussten schon die Kleinsten begreifen, dass sie ihre Grosseltern nicht besuchen durften, weil sie die Senioren unwissentlich mit dem möglicherweise tödlich endenden Corona-Virus anstecken könnten. Allein schon das zu verstehen, ist für Kinder schmerzhaft und schwer.

Meistens bekommen sie aber Neuigkeiten eher beiläufig mit, wenn etwa im Autoradio Kurznachrichten das fröhliche Musikgedudel unterbrechen oder wenn sich Eltern beim Essen über ein aktuelles Geschehnis unterhalten, das sie bewegt. Ohnehin beobachten Kinder uns, wie wir mit Nachrichten umgehen. Wie reagieren wir? Betroffen, schockiert oder scheinbar gelassen und gleichgültig?

Schlechte Nachrichten sind eine Enttäuschung

Meiner Meinung nach gibt es allerdings einen weiteren Grund, warum Kinder auf Nachrichten nur zu gerne verzichten würden. Dazu ist es notwendig, einmal kurz unsere Erwachsenensicht zu verlassen und sich noch einmal die strengen moralischen Massstäbe junger Kinder vor Augen zu führen. 

Ihre Vorstellungen folgen einer optimistischen Logik: Würden beispielsweise alle Menschen Geld zusammenlegen, müsste niemand mehr auf der Welt Hunger leiden. Und wenn sich alle Menschen mehr liebhätten oder zumindest respektierten, bräuchte es keine Kriege mehr.

Zugegeben, das mag naiv klingen, ist aber keineswegs ein falsches Ideal. Deshalb sind schlechte Nachrichten für Kinder vor allem eine riesige Enttäuschung. Sie belegen Tag für Tag, dass die Welt der Erwachsenen nichts anderes als ein Ort des Scheiterns ist. 

Sobald die Kinder die Machtlosigkeit ihrer Eltern spüren, erwacht in ihnen der Zweifel, ob Mama und Papa sie tatsächlich vor jeder Gefahr beschützen können. Und weil es die Erwachsenen anscheinend noch nicht einmal hinbekommen, dem Klimawandel ernsthaft etwas entgegenzusetzen, gehen jetzt schon Teenager demonstrieren, um ihrer Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen.

Wie spezielle Kinder-Formate Orientierung bieten können

Kinder und Jugendliche müssen die Welt verstehen, in der sie leben. Erst wenn sie die Geschehnisse realistisch einschätzen und einordnen lernen, können sie sie auch verarbeiten. Nur Kinder und Jugendliche, die sich im Besitz der notwendigen Informationen befinden, sind auch dazu fähig, sich ihre eigene Meinung zu bilden. 

Dazu gehört auch, undurchsichtige Zusammenhänge zu begreifen und zu erkennen, welche weitreichenden Folgen es etwa für sie und uns selbst hat, wenn am anderen Ende der Welt die Wälder brennen.

Und wer nicht weiss, dass es in fernen Ländern militärische Auseinandersetzungen gibt, vermag auch nicht nachzuvollziehen, warum Familien fliehen und der neue Klassenkamerad nicht unsere Sprache spricht. Doch wer soll diese Mammutaufgabe verrichten?

Weil Fernsehen ein schnelles Medium ist, brauchen Kinder weiterhin Erwachsene, die sich mit ihnen zu diesen Themen austauschen.

Kindernachrichten im Fernsehen zum Beispiel sind unter anderem ein sehr empfehlenswertes Medium. In der Schweiz bieten die «SFR KinderNews» gute Orientierung.

Tages-aktuelle Nachrichten werden darin kurz und kindgerecht vermittelt. Erklärfilme erläutern zudem anschaulich weitere Hintergründe. Dabei verstehen es die Macher bestens, ihre junge Zielgruppe zu informieren, ohne sie mit schlechten Gefühlen zurückzulassen.

Kindernachrichten leisten so einen Beitrag, mit dem Weltgeschehen umzugehen. Weil aber Fernsehen ein schnelles Medium ist, brauchen Kinder weiterhin Erwachsene, die sich mit ihnen zu diesen Themen austauschen.

In der Erziehung bleibt dies allerdings ein heikler Balanceakt, weil wir ehrlich und authentisch bleiben, aber die Kinder nicht ängstigen wollen. Diese konkrete Auseinandersetzung ist der erste Schritt, um sie und sich später auch vor Falschnachrichten zu schützen.

Thomas Feibel
ist einer der führenden ­Journalisten zum Thema «Kinder und neue Medien» im deutschsprachigen Raum. Der Medienexperte leitet das Büro für Kindermedien in Berlin, hält Lesungen und Vorträge, veranstaltet Workshops und Seminare. Zuletzt erschien sein Elternratgeber «Jetzt pack doch mal das Handy weg» im Ullstein-Verlag. Feibel ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

Alle Artikel von Thomas Feibel

Weitere Artikel zum Thema Medienkompetenz:

Thomas Feibel Medienexperte
Familienleben
Mit einer guten Recherche zu besserem Wissen
Im digitalen Zeitalter ist das Suchen, Überprüfen und Einordnen von Informationen eine ­Schlüsselqualifikation für das ganze Leben. Wie Kinder und Jugendliche sie sich aneignen können.
KI ist ein Hilfsmittel kein Allerheilmittel
Mediennutzung
«KI ist ein Hilfsmittel, kein Allerheilmittel»
«KI ist ein Hilfsmittel, kein Allerheilmittel» Philippe Wampfler, Gymnasiallehrer und Medienexperte, lehrt seine Schülerinnen und Schüler einen kritischen Umgang mit digitalen Medien. Er sagt, wo die Schule an ihre Grenzen stösst und was mit der küns
Familienleben
«Kinder wollen mitreden können»
Sollen Eltern ihre Kinder vor der Flut an schlechten Nachrichten abschirmen? Bloss nicht, sagt Sozialwissenschaftlerin Gisela Unterweger.
Medien
Medienerziehung
Medien: 10 Fragen zu Handy, Tablet und PC
Ihr Kind von den digitalen Medien konsequent fernzuhalten, gelingt längst nicht mehr? Das ist völlig in Ordnung. Elektronische Medien gehören heute zum Alltag.
Blog
Was Kinder beim Gamen fürs Leben lernen
Gamen hat einen schlechten Ruf – zu Unrecht, wie unser Kolumnist findet. Er verdankt viele seiner schönsten Kindheitserinnerungen dem Zocken.
Erziehung
Was habe ich denn zu verbergen?
Viele Kinder nutzen Apps und Websites, ohne ihre Daten zu schützen. So sagen Sie ihnen, warum sie dies tun sollten.
Suchtwirkung von sozialen Medien
Gesundheit
«Der Algorithmus schaltet das Denken aus»
Anders als bei Computergames wurde die Suchtwirkung von sozialen Medien lange unterschätzt, sagt Kinder- und Jugendpsychiater Oliver Bilke-Hentsch.
«Buben müssen einen gesunden Umgang mit ihrer Aggression erlernen»
Erziehung
«Buben müssen einen gesunden Umgang mit ihrer Aggression erlernen»
Jungs-Coach Anton Wieser über raufende Jugendliche und Eltern, die darin gefordert sind, ihre Söhne zu stärken.
Elternbildung
Was tun, wenn das Kind ständig am Handy klebt?
Die 15-jährige Anna verbringt viel zu viel Zeit am Handy, finden ihre Eltern, die deshalb Rat beim Elternnotruf suchen.
Künstliche Intelligenz
Mediennutzung
Nie wieder selber einen Aufsatz schreiben?
Was sind die Chancen und Risiken von Chat GPT? Kann man den  Antworten des Textroboters blind vertrauen? 7 Fragen – 7 Antworten.
Elternbildung
Was tun, wenn der Freund des Sohnes ungefiltert im Netz surft?
Wie gefährlich sind Pornos für Teenager? Ein Elternpaar macht sich Sorgen, weil der beste Freund des Sohnes freien Zugang zum Internet hat.
Cybermobbing
Medienerziehung
Wie schützen wir unsere Kinder vor Online-Übergriffen?
Sexuelle Belästigung und Cybermobbing sind unter Jugendlichen inzwischen so weit verbreitet, dass Eltern und Schulen handeln müssen. 
Video
Jetzt pack doch mal dein Handy weg!
Wie sollen Eltern mit dem ausufernden Medienkonsum ihrer Kinder umgehen? Der Medienexperte Thomas Feibel gibt wertvolle Tipps.
War früher wirklich alles besser?
Medien
War früher wirklich alles besser?
Wie lange sassen wir einst selbst vor TV und Radio? Um den Medienkonsum unserer Kinder zu verstehen, hilft ein Rückblick.
Grenzen setzen beim Handygebrauch
Medien
Grenzen setzen beim Handygebrauch – aber wie?
Die Handynutzung ist in vielen Familien ein ständiger Streitpunkt. Dabei gewinnt, wer einen Schritt auf sein Kind zugeht.
Medienerziehung
Cybergrooming als Todesfalle
Eine Teenagerin wird tot aufgefunden. Der Fall Ayleen zeigt, dass Eltern die Games ihrer Kinder kennen sollten.
Grenzen setzen beim Handygebrauch
Medien
Wie Influencer unsere Kinder beeinflussen
Leitfiguren aus dem Internet prägen Werte und Verhalten Jugendlicher, daher sollten Eltern sie kennen.
Medienerziehung
Wie digitale Bildung gelingt
Wie digitale Bildung gelingt streiten Experten. Doch eins ist klar: In der Schule braucht es vor allem pädagogische Konzepte.
Medien
Es muss nicht immer pädagogisch wertvoll sein
Wir Eltern entspannen gerne vor dem Bildschirm. Bei unseren Kindern sehen wir dasselbe aber oft gar nicht gerne. Warum?
Medien
Gamen ist nicht so schlimm, wie Sie denken
Computerspiele sind in vielen Familien verpönt oder gar verboten. Dabei können Kinder beim Gamen einiges lernen.
Medien
Was ist wichtiger: die reale oder virtuelle Welt?
Eltern sehen es lieber, wenn sich ihre Kinder im realen Leben statt online treffen. Jugendliche sind da wesentlich entspannter.
Elternbildung
Einen Rüffel fürs Schnüffeln?
Ein Vater entdeckt auf dem Laptop zufällig ein Bild seiner Teenagerin in aufreizender Pose. Was soll er nun tun? Das sagt unser Expertenteam.
Medien
Wie fest sollen Eltern das Handy ihres Kindes kontrollieren?
Mit dem eigenen Handy steigt die Gefahr, dass ein Kind auf ungeeignete Inhalte stösst. Dann braucht es Gespräche.
Mediennutzung
Was Eltern über Snapchat wissen sollten
80 Prozent der Schweizer Jugendlichen nutzen die App Snapchat mehrmals ­täglich. Was Eltern darüber wissen sollten.