Wie Medien das Körperbild eines Kindes beeinflussen
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Wie Medien das Körperbild eines Kindes beeinflussen

Lesedauer: 3 Minuten

Viele subtile Faktoren haben einen Einfluss darauf, wie zufrieden ein Kind mit seinem Körper ist. Medien spielen dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Doch auch wir Eltern müssen uns hinterfragen.

Text: Melissa Hogenboom
Bild: Adobe Stock

In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Dauer, die Kinder vor dem Bildschirm verbringen, drastisch zugenommen. Experten fürchten unter anderem, dass diese ausgedehnte Bildschirmzeit zu einem Mangel an Bewegung führt oder die Schlaf­qualität beeinträchtigen könnte. Ausserdem wird immer offensichtlicher, dass die gezeigten Bilder einen Einfluss darauf haben, wie Kinder ihren eigenen Körper sowie andere Menschen wahrnehmen.

Es ist mittlerweile erwiesen, dass die sozialen Medien bei Jugend­lichen und Erwachsenen Ängste in Bezug auf das eigene Körperbild schüren können. Die potenziell negativen Folgen des Medienkonsums auf das Körperbild von jüngeren Kindern sind jedoch bisher kaum beachtet worden. Offenbar können aber die Bilder, welche die Kinder unter anderem am Bildschirm konsumieren, ihre Weltsicht verändern.

Dies kann problematisch sein, wenn Kinder mit den Vorstellungen der Gesellschaft von einem idealen Körper konfrontiert werden. Bereits Dreijährige können solche Körperideale verinnerlicht haben. In einer Studie wurden drei- bis fünfjährigen Kindern Bilder von Kindern mit dünneren und fülligeren Körpern gezeigt. Die Kinder durften auswählen, mit wem sie am liebsten spielen würden.

Sie hatten bereits verstanden, dass ein überdurchschnittlich grosser beziehungsweise fülliger Körper weniger wünschenswert ist, weshalb sie sich eher für die dünneren Kinder als potenzielle Spielgefährten entschieden. Ihre Vorstellung davon, welche Körpertypen wünschenswerter sind, wurde vermutlich von verschiedenen Faktoren in ihrem Umfeld wie Eltern und weiteren sozialen Beziehungen geprägt.

Hoher Medienkonsum beeinflusst das Schönheitsideal

Ein kleiner, filigraner Körper werde aus gesellschaftlicher Sicht als positiv bewertet, sagt Rachel Rodgers, Psychologin an der Northeastern University in Boston im US-Staat Massachusetts. So machen sich manchmal sogar schon fünfjährige Kinder Gedanken über ihr Essverhalten.

In einer Studie wurde festgestellt, dass Medienbilder und negative Kommentare über das Aussehen die «stärksten Faktoren für Diätverhalten» darstellen. Hinsichtlich Körperbilder haben Jungs und Mädchen unterschiedliche Ängste: Jungs sorgen sich eher um Muskeln und Mädchen um ihr Gewicht, da unsere Gesellschaft klar signalisiert, dass Männer muskulös und Frauen dünn zu sein haben.

In einer 2017 veröffentlichten australischen Studie untersuchten Rodgers und ihre Kolleginnen die verschiedenen Effekte von Medien auf das Körperbild von dreijährigen Kindern. Sie stellten fest, dass Kinder, die mit drei Jahren mehr Medien konsumiert hatten, im Alter von vier und fünf Jahren Schlankheit positiver bewerteten. Nach Rodgers’ Verständnis bestärkt die vor dem Bildschirm verbrachte Zeit Kinder dabei, ein Schlankheitsideal zu verinnerlichen.

Die Ergebnisse bestätigen eine ähnliche Studie aus dem Jahr 2007, wonach sieben- bis neunjährige Kinder, die häufiger fern­sahen, eher ein Schlankheitsideal verinnerlicht hatten und ein sogenanntes «Restrained Eating» aufwiesen. Darunter verstehen Fachleute das bewusste Kontrollieren der Nahrungsaufnahme und Übersteuern von Hungersignalen und Appetit.

Den Einfluss von Werbung und Medien können wir nicht kontrollieren, aber wir können mit unserem Kind darüber sprechen.

Den Grund sieht Rodgers darin, dass das Fernsehen uns unrealis­tische Bilder zeige und positive Erwartungen zu bestimmten Körpertypen aufbaue. «Menschen mit einem bestimmten Aussehen sind immer erfolgreich, beliebt und er­reichen alles, was sie im Leben anstreben», sagt Rodgers. Gleichzeitig werden diese Ideale zusammen mit bestimmten Produkten vermarktet. Damit wird signalisiert, dass ein erfolgreicher Lebensstil erreicht werden kann, wenn man die Zeit und das Geld dafür aufwendet, um genau so auszusehen.

Das kann für Kinder negative Folgen haben, von psychischen Störungen im Zusammenhang mit dem Körperbild bis hin zu Essstörungen. Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper steht ausserdem im Zusammenhang mit Selbstmordgedanken. Aus diesem Grund ist es so wichtig, den Einfluss des Medienkonsums in jungen Jahren zu beobachten.

Wie können wir also Kinder darin bestärken, ein positives Bild ihres eigenen Körpers zu entwickeln? Eine Beschränkung der Bildschirmzeit kann helfen. Eltern sollten auch darauf achten, wie ihre Kinder unrealistischen Werbebildern ausgesetzt sind. Ausserdem spielt es eine Rolle, wie wir mit Kindern über Körperbilder allgemein und auch über unseren eigenen Körper sprechen.

Wie ist unser Verhältnis zum eigenen Körper?

So kann die Unzufriedenheit einer Mutter über ihren Körper beispielsweise einen Einfluss darauf haben, wie ihre Tochter ihren eigenen Körper betrachtet. Entsprechend leiden Kinder eher unter Körperunzufriedenheit und Essstörungen, wenn ihre Eltern regelmässig über Aussehen und Gewicht sprechen. Für Rodgers ist ebenfalls wichtig, dass sich der Fokus des Gesprächs vom Aussehen des Körpers, beispielsweise der Grösse, auf seine Fähigkeiten verlagert. Anstatt das Aussehen eines Kindes zu kommentieren, könnte man sagen, wie toll es ist, dass seine Beine so kräftig sind und es deshalb so schnell rennen kann.

Wir können den Einfluss der Werbung und die passive Aufnahme von Medienbildern im Alltag nicht völlig kontrollieren. Doch wir können steuern, was sich Kinder ansehen, und mit ihnen darüber sprechen. Das ist wichtig, um jedem Kind dabei zu helfen, ein gesundes Körperbild zu erhalten.

Dieser Text erschien zuerst in englischer Sprache auf der Plattform BOLD.

BOLD

Die Plattform BOLD, eine Initiative der Jacobs Foundation, hat sich zum Ziel gesetzt, einer weltweiten und breiten Leserschaft näherzubringen, wie Kinder und Jugendliche lernen. Spitzenforscherinnen wie auch Nachwuchswissenschaftler teilen ihr Expertenwissen und diskutieren mit einer wissbegierigen Leserschaft, wie sich Kinder und Jugendliche im 21. Jahrhundert entwickeln und entfalten, womit sie zu kämpfen haben, wie sie spielen und wie sie Technologien nutzen.

Mehr lesen: www.bold.expert

Melissa Hogenboom
ist eine mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalistin, Filmemacherin und Filmeditorin bei der BBC. Sie macht und kommissioniert Filme und schreibt Artikel über eine breite Palette von Themen. Dazu gehören Psychologie, Neurowissenschaften und die menschliche Evolution.

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