Angst vor Mathe und die Folgen
Neuere Forschungen zeigen, dass die meisten Kinder mit starker Angst vor Mathematik keine schlechte Leistung in diesem Fach bringen. Lehrer und Eltern sind in der Verantwortung, solche Ängste zu lindern und für ein grösseres Interesse an Mathematik zu sorgen.
Mathematik gilt als ein besonders schwieriges Fach und viele Kinder und Erwachsene berichten von damit verbundenen Ängsten. Ein Zusammenhang zwischen der Angst vor Mathe und schlechteren Leistungen ist ausreichend belegt: Wer Angst hat, schneidet in Mathematik in der Regel auch schlechter ab.
Es ist unklar, was zuerst kommt, die Angst oder die schlechte Leistung, doch man geht von einem Teufelskreis aus: Die Angst vor Mathe führt zu einer Vermeidung von Mathematikaufgaben, was sich negativ auf die Noten auswirkt und dann wiederum die Ängste verstärkt.
Aus einer kürzlich durchgeführten Studie der University of Cambridge geht allerdings hervor, dass sich der Zusammenhang zwischen der Angst vor Mathe und der Leistung in diesem Fach nicht ganz so einfach darstellt, wie wir vielleicht denken. Es sind nicht nur die Schülerinnen und Schüler mit den schlechtesten Noten, die Angst vor dem Fach haben. Vielmehr zeigte die Studie, dass 77 Prozent der Kinder mit starker Angst vor Mathe im Unterricht durchschnittlich bis sehr gut abschnitten. Das ist besorgniserregend, bedeutet es doch, dass Kinder um ihre Leistung fürchten, obwohl das gar nicht nötig ist.
Angst vor Mathe tritt bei Mädchen konsistent häufiger auf als bei Jungen, obwohl es in der Leistung wenige bis gar keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Es könnte mit Geschlechterstereotypen und einem daraus resultierenden Gefühl der Bedrohung zusammenhängen, wenn die Mädchen das Vorurteil verinnerlicht haben, dass die Jungen in Mathematik angeblich besser sind als sie. Dieses Klischee wird möglicherweise von Eltern und Lehrpersonen noch geschürt, die davon ausgehen, dass Jungen sich in Mathematik leichter tun als Mädchen.
Auch auf Kinder mit durchschnittlicher oder hoher Leistung in Mathematik kann sich die Angst vor Mathe negativ auswirken. So vermeiden sie möglicherweise Mathematikaufgaben, obwohl das Fach zu ihren Stärken gehört, und entwickeln ihre Fähigkeit in diesem Bereich nicht in dem Masse, wie sie es eigentlich könnten.
In der Sekundarschule müssen sich die Schüler für Schwerpunktfächer entscheiden. Sie geben Mathematik dann möglicherweise wegen einer unbegründeten Angst, die man vielleicht hätte lindern können, auf, anstatt ihre Fächer aufgrund von Kompetenzen auszuwählen. Eventuell verschliessen sie sich damit gar Zukunftsoptionen in Berufen, die ein Mathematikverständnis oder relevante Qualifikationen voraussetzen.
Eltern und Lehrer sollten darauf achten, keine Ängste zu schüren, und Kommentare wie ‹Ich habe Mathe immer gehasst› vermeiden.
Gegen die Angst vor Mathe anzugehen, ist eine Herausforderung, besonders da sich in vielen westlichen Ländern hartnäckig die Einstellung hält, Mathematik sei ein schwieriges Fach. Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern sollten bewusst darauf achten, Ängste nicht ungewollt zu schüren, indem sie zum Beispiel Kommentare wie «Ich habe Mathe immer gehasst» und «Ich kann einfach keine Mathe» vermeiden. Ausserdem könnten sie während des Übergangs von der Grund- auf die Sekundarstufe mehr Hilfestellung leisten, wenn die Mathematikaufgaben schwieriger erscheinen und eine Angst vor Mathe entstehen kann.
Über eine Behandlung dieser Ängste ist bislang wenig bekannt, allerdings gibt es einige vielversprechende Strategien. So hat man beispielsweise damit Erfolge erzielt, die Schülerinnen und Schüler ihre Befürchtungen vor einem Test aufschreiben zu lassen. In einem anderen Ansatz soll der Druck im Mathematikunterricht unter anderem dadurch reduziert werden, dass man bei Tests keine Zeitvorgaben macht.
Erste Forschungen zeigen ausserdem, dass eine elektrische Stimulation des Gehirns manche Symptome lindern kann. Weitere Studien sind nötig, um herauszufinden, wie man Angst vor Mathe am besten vorbeugt. Angst vor Mathe verhindert, dass Kinder mit durchschnittlicher oder hoher Leistung einen Zugang zur Mathematik finden. Eine positivere Haltung gegenüber dem Fach vonseiten der Lehrpersonen und Eltern könnte dazu beitragen, dass die Schülerinnen und Schüler weniger Angst davor haben, was wiederum zu besseren Leistungen und einem grösseren Interesse an Mathematik und mathematischen Berufen führt.
Dieser Text erschien zuerst in englischer Sprache auf BOLD – Blog on Learning and Development.
Die Plattform BOLD, eine Initiative der Jacobs Foundation, hat sich zum Ziel gesetzt, einer weltweiten und breiten Leserschaft näherzubringen, wie Kinder und Jugendliche lernen. Spitzenforscherinnen wie auch Nachwuchswissenschaftler teilen ihr Expertenwissen und diskutieren mit einer wissbegierigen Leserschaft, wie sich Kinder und Jugendliche im 21. Jahrhundert entwickeln und entfalten, womit sie zu kämpfen haben, wie sie spielen und wie sie Technologien nutzen.
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