Lernen in aussergewöhnlichen Zeiten
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Lernen in aussergewöhnlichen Zeiten

Lesedauer: 3 Minuten

Wie können Betreuungspersonen Kinder beim Lernen unterstützen, wenn Distanzunterricht notwendig wird? Die besten Tipps einer Entwicklungspsychologin und Mutter.

Text: Jelena Obradović
Bild: Rawpixel.com & zVg

Eltern müssen vieles unter einen Hut bringen können. Und nun kommt mit der COVID-19-Pandemie noch ein richtiger Hochseilakt hinzu. Es kann einen wirklich überfordern, neben allen anderen Aufgaben den Kindern auch noch beim Distanzunterricht helfen zu müssen. Ich hoffe aber, dass diese einfach zu merkenden Tipps die Belastung etwas verringern. Obwohl ich Entwicklungspsychologin bin und die Stressreaktion und Selbstregulierung von Kindern studiere, kämpfte auch ich damit, meine fünf- und achtjährigen Kinder zu unterstützen, als die Schulen im Frühjahr 2020 geschlossen wurden.

Wie viele andere Eltern markierte ich Artikel und Links zu Lernaktivitäten, die mein Gefühl der Überforderung nur noch verstärkten. Was ich wirklich brauchte, war ein Merkblatt für die Kühlschranktüre, das auf einer einzigen Seite einfache wissenschaftsbasierte Tipps auflistete, die unser Familienleben einfacher machten, nicht schwieriger. Als ich meinen Wunsch bei der Verwalterin der örtlichen Schule äusserte, ermutigte sie mich dazu, selbst ein solches Merkblatt zu gestalten. Das Merkblatt können Sie hier herunterladen, doch sollten Sie vorher einige der wichtigsten Punkte in diesem Artikel lesen.

Kinder blühen auf, wenn sie wissen, was von ihnen erwartet wird.

Es ist unrealistisch zu erwarten, dass Eltern die Zeit oder die Möglichkeiten haben, um für ihre Kinder aushilfsweise in die Rolle von Lehrpersonen zu schlüpfen. Mit einigen einfachen Massnahmen können sie aber sicherstellen, dass ihre Kinder die von den Lehrpersonen vorgegebenen Aufgaben erfolgreich bewältigen.

Kinder blühen auf, wenn sie wissen, was von ihnen erwartet wird, (dazu gehören auch die Zeit, der Ort und die Dauer der Aufgaben). Deshalb ist es wichtig, einen verlässlichen Tagesablauf zu haben und einen fixen ruhigen Platz zum Lernen. Stundenpläne und Erwartungen sollten flexibel sein und regelmässig besprochen werden, damit die Bedürfnisse aller berücksichtigt werden. Denken Sie daran, dass jüngere Kinder, die sich noch nicht so lange konzentrieren können, mehr Pausen brauchen.

Manche Kinder werden einige Fähigkeiten und Verhaltensweisen in dieser herausfordernden Zeit verlernen. Dennoch sollten Sie sich eher auf die Fortschritte fokussieren und sich weniger Sorgen über spezifische Leistungen machen.

Die Situation ist für alle Beteiligten anstrengend und der Stress kann schlussendlich auch unsere Beziehungen und unser Wohlbefinden beeinträchtigen. Damit Kinder lernen, ihre Sorgen und Frustrationen zu verstehen, können Eltern ihnen helfen, ihre Gefühle und deren Auslöser zu benennen. Wenn diese Gefühle zu gross werden, profitieren Erwachsene wie auch Kinder davon, tief durchzuatmen oder die Augen zu schliessen und auf zehn zu zählen. Das hilft dabei, die Stressreaktion des Körpers zu mildern. Damit sind wir besser in der Lage, mögliche Lösungen zu diskutieren.

Betonen Sie positive Erlebnisse

Positive Gefühle zu verstärken, kann ebenfalls Stress reduzieren. Wenn Sie Ihren Kindern Gelegenheit geben, wirklich hilfsbereit und unabhängig zu sein, unterstützen Sie ihre Selbstwirksamkeit und ihr Selbstvertrauen. Das ist besonders dann wichtig, wenn viele Probleme auftreten, die ausserhalb ihrer Kontrolle liegen.

Ein gemeinsames fröhliches Ritual am Morgen (z.B. eine besondere Begrüssung, ein Lied, ein lustiger Tanz, eine Geschichte, Witze) genauso wie die Betonung positiver Erlebnisse am Ende des Tages stärken das Gefühl von Freude und Zusammengehörigkeit. Eltern sollten auch daran denken, selbst Pausen einzulegen. Tanken Sie auf, gönnen Sie sich etwas, bitten Sie um Hilfe. Wenn Sie sich um Ihr eigenes Wohl kümmern, können Sie auch Ihre Kinder besser unterstützen.

In Zeiten sich überschneidender Krisen ist es manchmal schwierig, selbst an einfache Betreuungsstrategien zu denken.

Diese Tipps sind nicht neu und sie sind ganz gewiss kein Allheilmittel. Doch in Zeiten sich überschneidender Krisen ist es manchmal schwierig, selbst an einfache Betreuungsstrategien zu denken.

Vielleicht funktioniert dieses Merkblatt nicht sofort oder für jede Familie, doch es bietet einen Ausgangspunkt. Das Beste an der Betreuungsaufgabe ist, dass jeder Tag die Gelegenheit für einen Neuanfang bietet.

Dieser Text erschien zuerst in englischer Sprache auf BOLD – Blog on Learning and Development.

BOLD

Die Plattform BOLD, eine Initiative der Jacobs Foundation, hat sich zum Ziel gesetzt, einer weltweiten und breiten Leserschaft näherzubringen, wie Kinder und Jugendliche lernen. Spitzenforscherinnen wie auch Nachwuchswissenschaftler teilen ihr Expertenwissen und diskutieren mit einer wissbegierigen Leserschaft, wie sich Kinder und Jugendliche im 21. Jahrhundert entwickeln und entfalten, womit sie zu kämpfen haben, wie sie spielen und wie sie Technologien nutzen.

Mehr lesen: www.bold.expert

Jelena Obradović
ist ausserordentliche Professorin am Entwicklungs- und Psychologischen Wissenschaftsprogramm der Stanford Graduate School of Education. Ihre Forschung untersucht, wie bei Kindern das Zusammenspiel von physiologischer Stresserregung, Fähigkeiten zur Selbstregulation und der Qualität der Betreuungsumgebung zu Gesundheit, Lernen und Wohlbefinden über einen Zeitraum beitragen.

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