(Fern-)Unterrichten in Zeiten von Corona
Bild: Rawpixel.com / zVg
Innerhalb von nur einem Wochenende im März hat sich das Unterrichten radikal verändert. Grundsätzlich findet Lernen in und durch Beziehungen statt. Was bedeutet es, wenn man als Sekundarlehrer gezwungen ist, diese Lernbeziehung über das Telefon oder über Videokonferenzen zu pflegen und aufrechtzuerhalten?
Was es für mich als Lehrperson bedeutet, aus der Ferne zu unterrichten, habe ich nachfolgend aufgeschrieben.
«Im Fernunterricht fühlte ich mich oftmals mehr als Buchhalter denn als Lehrperson.»
Ein Produkt eines Schülers ist um 23 Uhr im Posteingang eingetroffen
Also kontrolliere ich das Produkt und schreibe auf Teams eine Rückmeldung, erkläre, was noch verbessert werden muss. Eine Tätigkeit, der ich sonst direkt vor der Abgabe im Klassenzimmer oder gar während des Entstehungsprozesses nachgehen kann und die mich nun zehn Minuten kostet. Eine schriftliche Rückmeldung, die vom Lernenden möglichst genau so verstanden wird, wie ich mir das vorstelle, braucht Zeit – Rückfragen und Missverständnisse würden nämlich noch mehr Zeit brauchen. Ich lade die Lösungen und Hilfsmittel auf Teams hoch und schreibe noch einige Starttipps für die Klassen in die Klassenchats. Um 7.30 Uhr bin ich bereit.
Drei Minuten dauerte in der Regel ein telefonischer Kontakt zwischen Schüler und Lehrperson. Eine Herausforderung für beide.
Was haben meine Schülerinnen und Schüler verstanden, was nicht? Wo muss ich noch genauer erklären? Wo braucht es mehr Unterstützung und Tipps? Die Zeit rast; schon ist es 12.15 Uhr. Offiziell hätten die Schülerinnen und Schüler nur bis 11.30 Uhr Unterricht.
Mein Job hat sich seit Beginn der Corona-Krise gefühlsmässig stark verändert. Meine Kernaufgabe als Lehrperson ist die Gestaltung einer Lernbeziehung – im Fernunterricht fühlte ich mich oftmals mehr als Buchhalter. Wer hat den Auftrag eingereicht und wie wurde er gemacht? Wie viele unterschiedliche offene Aufträge habe ich in der Klasse Z? Viel lieber würde ich folgenden Gedanken nachhängen: Schülerin X hat heute super gearbeitet und einen fröhlichen Eindruck gemacht. Offenbar haben sich die Streitigkeiten unter den Mädchen beruhigt.
Es sind Kompetenzen in den Fokus geraten, welche die Kinder sonst kaum in dieser kurzen Zeit erworben hätten.
Es gibt noch Investitionsbedarf in der digitalen Transformation
Die Fernlernphase hat aber auch gezeigt, dass digitale Werkzeuge ein pädagogisches Mittel sein können, um gewisse Inhalte individualisierend zu gestalten. Die Struktur der Schule hilft, die Chancengerechtigkeit möglichst hoch zu halten. Nicht nur die technischen Barrieren, sondern auch das Umfeld (zum Beispiel kleinere Geschwister, enge Platzverhältnisse in der Wohnung) haben einen Einfluss, wie gut jemand dem Fernunterricht folgen kann.
Für die Schule erhoffe ich mir längerfristig einen positiven Effekt dieser Phase. So wurde klar aufgezeigt, wo die digitale Transformation noch Investitionen bedarf, sowohl bei den technischen Voraussetzungen und den Lehrmitteln als auch in der Aus- und Weiterbildung der Lehrerschaft.
Es bleibt noch so einiges zu tun.
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