Nur lästig? 7 erstaunliche Fakten über Wespen
Unnütz, aggressiv und gefährlich – unsere Meinung über Wespen scheint schnell gemacht. Doch trifft sie auch zu? Keineswegs, wie ein neues Buch zeigt, das Erwachsene wie auch Kinder begeistert.
Das bekannte Kinderlied zeigt es deutlich: «Summ, summ, summ, Bienlein summ herum. Ei, wir tun dir nichts zuleide, flieg nur über Wald und Heide. Summ, summ, summ, Bienlein summ herum.» Bienen, die mögen wir. Sie schenken uns Früchte und Honig. Wir singen nette Lieder über sie und küren sie mit Figuren wie der berühmten Biene Maja schon für die ganz Kleinen zu Filmstars.
Wespen dagegen sind nervig. Sie stechen uns, sobald sich ihnen die Gelegenheit dazu bietet, belästigen uns beim gemütlichen Picknick oder Grillfest, bauen ihre Nester an unsere Häuser oder im Garten und scheinen sich immer invasiver auszubreiten. So die gängige Meinung. Ein freundliches Wespenlied sucht man vergeblich. Redewendungen wie «Da hast du in ein Wespennest gestochen» spiegeln dagegen klar unsere Ablehnung diesen Insekten gegenüber.
Wespen bekämpfen Pflanzenschädlinge gezielter als jedes chemische Mittel – ganz ohne Nebenwirkungen.
Zu Unrecht, wie der Entomologe Eric R. Eaton in seinem neuen Buch «Wespen – Unterschätzte Insekten mit erstaunlichen Fähigkeiten» aufzeigt. Er nimmt uns mit auf eine spannende Reise durch die Welt der Wespen und öffnet die Augen für äusserst lehrreiche Erkenntnisse über diese verschmähte Insektengruppe. Wir haben für Sie sieben überraschende Fakten (es gäbe noch zig mehr) herausgesucht und mit vielen heiteren Tipps versehen.
1. Wespen sind wichtige Pflanzenbestäuber
Nicht nur Bienen, sondern auch Wespen sind wichtige Pflanzenbestäuber. Erstaunlich viele Pflanzen, insbesondere etliche Orchideen, werden ausschliesslich von Wespen bestäubt. Doch auch unter den Nutzpflanzen existieren Sorten, die sich nur von Wespen bestäuben lassen. So zum Beispiel alle Feigenarten. Sie leben in Symbiose mit winzigen Wespen der Familie Agaonidae.
Tipp: Überlegen Sie gut, bevor Sie einen Feigenbaum im Garten pflanzen. Sie wissen nun: Das wird ein Wespenfest.
- Nie barfuss gehen. Viele Wespen- und Hummelarten haben ihre Nester am Boden, und Bienen naschen gerne von Kleeblüten im Rasen und auf Wiesen.
- Nie direkt aus offenen Dosen oder undurchsichtigen Flaschen trinken. Bier, Cola- und Limonadengetränke ziehen Wespen und Bienen an. Diese können beim Trinken so unbeabsichtigt in den Mund geraten.
- Starke Düfte wie Parfüm, Haarspray usw., aber auch Schweiss locken Stechinsekten an. Deshalb besser darauf verzichten, häufiger duschen und bei sportlichen Aktivitäten in der Natur besonders vorsichtig sein.
- Süsse und eiweisshaltige Speisen ziehen Bienen und Wespen an. Deshalb Mahlzeiten im Freien meiden und Obst nicht mit blossen Fingern ernten.
- Hektische Bewegungen und fuchtelnde Schläge in der Nähe von Wespen und Bienen unterlassen, da sich die Tiere sonst bedroht fühlen und zustechen.
- Beim Fahrradfahren den Mund beziehungsweise beim Motorradfahren das Visier sowie Jacken und Shirts schliessen, um keine Tiere einzufangen.
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2. Wespen sind akustische Trickmeister
Wespen, die trommeln, rasseln oder quietschen? Da staunen Sie nicht schlecht, was? Doch genau so ist es. Wespen nutzen akustische Effekte, auch Vibrationen, für ganz unterschiedliche Zwecke. Akustische Signale dienen dem Auffinden von Wirten, der Partnerwerbung, der Verteidigung des Einzeltiers oder des Volkes, als Zeichen der Dominanz und zum Auffinden von Nahrung.
In Afrika bewahrten Wespen die Menschen vor einer Hungersnot, indem sie das Grundnahrungsmittel Maniok von einer Laus-Plage befreiten.
Ein paar Beispiele gefällig? Nehmen wir eine Bockkäferlarve, die sich im Holz versteckt. Um die Larve zu finden, trommeln gewisse Wespenarten mit den Antennen auf das Holz. Mit Organen in ihren Vorderbeinen spüren sie die reflektierten Schallwellen und schwupps, haben sie ihren Wirt gefunden.
Andere Wespen, zum Beispiel Weibchen der primitiv sozialen Faltenwespe, reiben ihren Hinterleib rasselnd gegen ihr Nest, um es gegen feindliche Übernahmen durch fremde Weibchen zu verteidigen. Oder Ameisenwespen: Sie quietschen bei Bedrohung hörbar. Bei dieser Art kommt sogar noch eine Ultraschallkomponente dazu.
Die Lauterzeugung beschränkt sich aber nicht nur auf erwachsene Wespen. Die Larven vieler Sozialer Faltenwespen kratzen mit den Kiefern an den Wänden ihrer Brutzellen, um Nahrung zu fordern.
Tipp: Wir wissen: Sterne und Planeten, das ganze Universum singt und klingt. Wespen trommeln, rasseln und quietschen. Wie klingen Ihre eigenen Töne? Ihre Stimme? Haben Sie den Mut, sie zu zeigen?
3. Wespen bekämpfen erfolgreich Schädlinge
Wo chemische Gifte versagen, helfen Wespen weiter: Aus Profitgründen sind grossflächige Monokulturen stark verbreitet. Diese begünstigen nur wenige Arten und schliessen die meisten anderen aus. Ein leichtes Spiel für Schädlinge. Forscher haben herausgefunden, dass winzige parasitische Wespen, die mit blossem Auge kaum zu erkennen sind, erfolgreich für die Schädlingsbekämpfung von Nutzpflanzen eingesetzt werden können. Sie bekämpfen Pflanzenschädlinge gezielter als jedes chemische Mittel – und das ganz ohne Nebenwirkungen.
Wespen wurden schon in den Weltraum geschickt und helfen in der Krebsforschung.
Die grösste dieser Erfolgsgeschichten stammt aus Afrika: Maniok, ein dortiges Grundnahrungsmittel, wurde 1973 von Schmierläusen heimgesucht und bedrohlich dezimiert. Eine Wespensorte aus Paraguay eliminierte die Laus-Plage in den 1990er-Jahren erfolgreich und brachte mehr als 95 Prozent der Maniok-Schmierläuse unter Kontrolle. Dadurch bewahrte sie die Menschen vor einer Hungersnot und verhinderte einen wirtschaftlichen Schaden von mindestens 200 Millionen Franken.
Tipp: Setzen Sie als Konsumentin ein Zeichen gegen Monokulturen und kaufen Sie nur regionalen Honig. Der Vermerk «Herkunft aus Lateinamerika und Europa» weist darauf hin, dass es sich um ein Mischmasch aus Monokulturen handelt. Dieser Honig ist zwar deutlich günstiger, schmeckt dafür aber deutlich schlechter und schadet der Umwelt. Lieber weniger und teurer, dafür lecker und nachhaltig. Es lohnt sich.
4. Wespen können Raben- oder Helikoptermütter sein
Der Mutterinstinkt von Wespen umfasst die ganze Bandbreite und reicht von praktisch nicht vorhanden bis zur Betreuung rund um die Uhr. Bekannt sind zehn Gattungen von Pflanzenwespen, bei denen die Weibchen ihre Eier und Larven bewachen. Auch unter den parasitoiden Stechwespen beschützen viele Arten ihren Nachwuchs. Bei den sozialen Faltenwespen sorgen Töchter der Königin für ihre jüngeren Geschwister. Väter spielen, abgesehen von der Besamung der Weibchen, praktisch keine Rolle.
Tipp: Sie fragen sich manchmal, ob Sie eine gute Mutter, ein guter Vater sind? Entspannen Sie sich und machen Sie es wie die Wespen: Sie sind wie wir – mal gluggerig, mal kratzbürstig.
5. Auch Wespen leiden unter Wohnungsnot
Sie wollen die Welt retten? Dann fangen Sie in Ihrem Garten an. Wie wärs, wenn Sie mit Ihrem Kind ein Insektenhotel bauen oder kaufen? Einfache Holzblöcke mit Bohrlöchern verschiedener Grössen oder Bündel aus hohlen Pflanzenstängeln sind am besten.
Tipp: Bringen Sie das Gehäuse mindestens einen Meter über dem Boden an, nach Osten oder Süden ausgerichtet. Mit etwas Glück siedeln sich Solitärbienen an, die die Pflanzen bestäuben und parasitoide Stechwespen, die den Garten von gefrässigen Raupen und anderen unerwünschten Insekten befreien.
6. Wespen bringen die menschliche Zivilisation voran
Wussten Sie, dass Wespen für die Wissenschaft schon in den Weltraum geschickt wurden? So geschehen mit einer Hornissenkolonie, die 1992 leider umkam. Wespen kommen auch in der Medizin und Pharmazie zum Einsatz. Eine Substanz aus dem Gift einer brasilianischen Wespenart zum Beispiel greift Tumorzellen an, indem sie an tumorspezifischen Stellen der Zellmembran andockt, woraufhin diese undicht wird. Und sie haben sogar Eckdaten in Verhaltensforschung (Ethologie) und chemischer Ökologie geliefert.
Wespen dienten als Vorbilder bei Erfindungen oder Verbesserungen bereits existierender Produkte. René-Antoine Ferchault de Réaumur, ein französischer Physiker und Naturforscher, inspirierten 1719 die Papiernester von Wespen zur kommerziellen Papierproduktion, sodass er – angeblich als Erster – den Einsatz von Holzbrei vorschlug.
Die gelb-schwarz gestreiften Insekten liefern auch kulturelle Inputs: So zum Beispiel das weibliche Schönheitsideal der Wespentaille oder den beliebten italienischen Motorroller – die Vespa.
Tipp: Hören Sie auf Fachleute und vertrauen Sie ihnen. Aus Angst oder Abneigung werden Wespen von vielen Menschen oft falsch bestimmt oder nicht richtig verstanden. Vorschnell greifen viele auf Gift zurück. Dabei gäbe es stets vorbeugende Schritte oder alternative Kontrollmassnahmen. Je mehr wir über Wespen wissen, desto effizienter können wir das Zusammenleben mit diesen letzten Endes für uns so wichtigen Insekten gestalten.
Bei einem Fall in Tennessee (USA) ging es um einen Schädel, der im Inneren ein Feldwespen-Nest enthielt. Anhand von Entwicklungszustand und Alter des Nests konnten die Forensiker zurückrechnen und den Todeszeitpunkt bestimmen; dieser fiel mit dem Verschwinden des Opfers zusammen.
7. Wespen sind unentbehrlich für intakte Ökosysteme
Insekten sind ganz allgemein von grossem Nutzen für uns Menschen. Das gilt auch für Wespen. In Ökosystemen können sie fast jede vorstellbare Rolle übernehmen. Zu ihren Leistungen zählen:
- Bestäubung von Nutz- und Wildpflanzen
- Funktion als Beute für andere Wildtiere
- Recyclen von tierischen Abfallprodukten und sich zersetzendem organischem Material. Holzwespen verjüngen zum Beispiel die Wälder, indem sie zur Zersetzung von Totholz beitragen
- Schädlingsbekämpfung in Agrar- und Forstökosystemen
- Symbiose mit Milben, Pilzen, Viren oder Bakterien. Bei einer Symbiose profitieren beide Arten von der Beziehung. Der Verbund einer Wespe und ihrer mikrobiellen Partner stellt selbst ein Ökosystem dar, das als Holobiont bezeichnet wird
Tipp: Sie möchten noch weiter staunen? Im Wespen-Buch von Eric R. Eaton erfahren Sie noch viel mehr Wissenswertes über unsere neuen Freunde. Das klar und verständlich gegliederte Werk überzeugt auch mit zahlreichen imposanten Bildern von wow, bis wäki.
Eric R. Eaton studierte Entomologie an der Oregon State University. Er ist Autor und Mitautor zahlreicher Bücher über Insekten und betreibt den Blog «BugEric». Mit «Wespen» hat er es sich zur Aufgabe gemacht, Angst und Abneigung gegenüber diesen Insekten in Faszination und Bewunderung zu verwandeln.
Das Buch kostet 40 Franken 80 und ist hier erhältlich.