«Klima-Demos haben Politiker für grüne Themen sensibilisiert»
Bernard van Dierendonck engagiert sich seit Jahrzehnten für den Klimaschutz. Der Protect-our-Winters-Botschafter über nachhaltiges Leben, die drei grössten Klimasünden von Schweizer Familien und was es mit dem 5R-Prinzip auf sich hat.
Herr van Dierendonck, haben Sie sich fürs neue Jahr einen Vorsatz genommen?
Das tu ich nie. Ich probiere lieber, die Dinge fortlaufend zu optimieren. Aktuell mache ich beim Veganuary mit und versuche, mich diesen Januar möglichst vegan zu ernähren.
Beteiligen sich Ihre Frau und die Teenager auch daran?
Nein, das mache ich für mich. Wir handhaben das locker und selbstbestimmt.
Was bedeutet für Sie nachhaltig leben?
Es heisst, enkeltauglich leben. Unser Verhalten soll sich nicht negativ auf zukünftige Generationen auswirken. Alles andere ist schlicht nicht fair – unseren Kindern und diesem wunderbaren Planeten Erde gegenüber. Daher steht für mich der Klimaschutz an oberster Stelle.
Das geht uns schliesslich alle etwas an.
Absolut. Es ist die grösste und drängendste Frage unserer Zeit. Darum gehe ich auch auf die Strasse an die Klima-Demos. Möchten Sie eine Episode hören?
Erzählen Sie.
Eine Radiomoderatorin fragte mich an einer Klima-Demo, was ich konkret für das Klima tue. Ich antwortete ihr: Dass ich hier bin und demonstriere. Das politische und soziale Engagement ist für mich absolut zentral.
Wie meinen Sie das?
Die Klima-Demos haben Politiker querbeet durch alle Parteien für grüne Anliegen sensibilisiert. Dank dieser Mobilisierung ist das Schweizer Parlament grüner geworden und wurde zum Beispiel der Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative angenommen.
Elektroautos verbrauchen dreimal weniger Energie. Und wie wäre es mit Auto teilen? Das verändert wirklich viel.
Die Demos bilden den Rückhalt für viele Beschlüsse und technischen Erneuerungen. Mit der direkten Demokratie haben wir in der Schweiz noch eine zusätzliche, grossartige Möglichkeit, uns als Bürgerinnen und Bürger zu engagieren.
Was sind für Sie die drei grössten Klimasünden von Schweizer Familien?
Erstens, nicht abstimmen gehen. Zweitens, zu viel herumfliegen. Schweizerinnen und Schweizer sind hier im europäischen Vergleich absolute Spitzenreiter. Der Kerosinverbrauch ist hierzulande verantwortlich für 25 Prozent der CO2-Emissionen aus der Verbrennung von Treibstoffen. Ich sage nicht, man soll überhaupt nicht mehr fliegen, doch bitte deutlich weniger und bewusster.
Und drittens?
Der Verkehr verursacht in der Schweiz den grössten CO2-Ausstoss. Wir haben hier ein unglaublich tolles ÖV-Angebot. Wenn eine Familie trotzdem ein Auto braucht, dann wenigstens ein elektrisches. Diese verbrauchen dreimal weniger Energie als Verbrenner und belasten das Klima bedeutend weniger. Und wie wäre es mit Auto teilen? Ich finde das grossartig. Gemeinsam mit Nachbarn habe ich in der Riedtli-Siedlung in Zürich ein E-Mobility und Sharing-Projekt initiiert.
Wie lautet die Kurzfassung davon?
Unser grosser Siedlungsparkplatz wurde nach langem Hin und Her mit Ladestationen für E-Bikes und Autos versehen. Zwei private Sharing-Teslas (einen davon habe ich angeschafft. Mein erstes Auto!) sowie vier Elektroautos von zwei Carsharing-Unternehmen und drei Elektro-Lastenvelos stehen nun dort zur Miete bereit. Es läuft grandios und ist ein tolles Pilotprojekt für weitere städtische Carsharing-Projekte.
Sie leben möglichst nach dem 5R-Prinzip. Können Sie das kurz erklären.
5R steht für refuse (ablehnen oder auch die Notwendigkeit überprüfen), reduce (reduzieren), reuse (wiederverwenden), recycle (wiederverwerten) und rot (kompostieren). Die Fragen dazu lauten: Brauche ich das wirklich? Brauche ich so viel? Gibt es das schon? Wozu kann dieser Rohstoff noch verwendet werden und kann dieser Abfall auf dem Gartenkompost oder in der Grünabfuhr landen?
Haben Sie dazu konkrete Beispiele?
Ablehnen kann man beispielsweise in Plastik verpackte Werbesendungen. Einfach die Adresse durchstreichen und refusée darauf schreiben. Dann hat man Ruhe. «Give aways», die mir am Bahnhof oder im Laden entgegengestreckt werden, lehne ich ebenfalls ab.
Brauche ich das wirklich? Mir gefallen die Sätze: Es ist gut, was ich habe. Es genügt mir.
Reduzieren kann man seinen Fleischkonsum. Muss es wirklich täglich sein oder reicht auch ein Stück Fleisch am Wochenende oder pro Monat? Es müssen nicht alle Vegetarier oder Veganer werden. Deutlich weniger Fleisch essen hilft Menschen, Tieren und unserer Umwelt aber enorm.
Und wiederverwenden?
Kann man kaputte Schuhe oder Kleider, indem man sie flickt anstatt wegschmeisst, secondhand einkauft oder gegenseitig tauscht.
- Naturseife anstatt Duschmittel aus Plastikbehältern benutzen.
- Waschstreifen oder ein Waschei verwenden.
- Ausgedienten Kissenbezug zum Einkauf mitnehmen und z.B. Brot damit einpacken.
- Wasser stets mit Deckel aufkochen oder im Wasserkocher kochen. Geht beides viel schneller und braucht weniger Energie.
- Kleider mit Nachbarn oder Freunden tauschen.
Nachhaltig leben fängt im Kopf an. Gibt es für Sie so etwas wie einen Kernsatz, dem Sie folgen?
Am ehesten wohl: Brauche ich das wirklich? Mir gefällt das Wort genügsam. Und auch die Wirkung von Sätzen wie: Es ist gut, was ich habe. Es genügt mir.
Also weg vom westlich geprägten «grösser, besser, schneller, mehr»?
Unbedingt. Diese Gier können wir uns nicht mehr leisten. Und lassen Sie diesen Satz wirklich auf der Zunge zerschmelzen: «Es ist gut und genug, was ich habe.» Es nährt auch die Seele.
ist die Stimme der Outdoor Gemeinschaft für den Klimaschutz. Die NGO ist eine Community aus Outdoor Enthusiast*innen, Athlet*innen, Wissenschafter*innen, Kreativschaffenden und engagierten Unternehmen, die an Lösungen arbeiten, um einen Wandel in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu bewirken.
Bekannte Vertreter*innen sind etwa die Skirennfahrer*innen Michelle Gysin und Daniel Yule, aber auch Unternehmen wie Mammut oder Transa und Wintersportdestinationen wie Andermatt.
Demnächst dokumentiert Bernard van Dierendonck als Fotograf eine POW-Skitour mit Parlamentarier*innen im Wallis. Grossartig ist, dass an diesem Event Politiker*innen vom ganzen politischen Spektrum teilnehmen – sie haben verstanden: Klimaschutz geht uns alle an!