Was Teenager zum Lernen motiviert
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Was Teenager zum Lernen motiviert

Lesedauer: 4 Minuten

Beim Übertritt von der Primar- zur Sekundarstufe verlieren manche Schülerinnen und Schüler die Lust an der Schule. Drei Faktoren helfen ihnen, dranzubleiben und ihr Potenzial zu nutzen.

Text: Jennifer Meyer und Thorben Jansen
Bild: Adobe Stock

Wann fühlen sich Schülerinnen am meisten motiviert? Was bringt einen Schüler dazu, eine schulische Herausforderung in Angriff zu nehmen, anstatt mit Freunden Eis essen zu gehen? Warum sind einige Schülerinnen motivierter als andere, sich in der Schule zu engagieren? Diese Fragen stellen sich viele Eltern und Lehrpersonen – ganz besonders dann, wenn sie merken, wie der Ehrgeiz eines Kindes in der Schule über die Jahre nachlässt.

Dieses Nachlassen zeigt sich oft beim Übergang von der Primarschule in die Sekundarstufe, normalerweise im Alter von ungefähr elf Jahren. Das ist der Zeitpunkt, ab dem die Schule stärker auf die Leistung zu setzen beginnt und Schülerinnen vermehrt unter Druck geraten.

Soziale Beziehungen werden wichtiger

Dieses neue Umfeld wird den Bedürfnissen der Schüler nicht immer gerecht. Der Übergang zur Sekundarstufe kann sich auch auf soziale Beziehungen auswirken: Freundschaften enden, der Einfluss der Eltern nimmt ab und Schulklassen werden grösser, was die Beziehung zwischen Lehrperson und Lernenden negativ beeinflussen kann. Gleichzeitig wächst das Inte­resse der Schülerinnen und Schüler an sozialen Beziehungen.

Ausgehend von einer während dieser Phase häufig nachlassenden Motivation wollten wir die Faktoren identifizieren, die am engsten in Zusammenhang mit der schulischen Motivation stehen. Sodass wir Lehrpersonen und Betreuungspersonen dabei helfen können, Schülerinnen dazu zu motivieren, ihr gesamtes Potenzial zu nutzen.

Positive Beziehungen fördern eine glückliche Lernumgebung und führen zu motivierten Lernenden.

Über die letzten vier Jahrzehnte haben viele Studien anhand von Fragebögen die Motivation von Lernenden untersucht, und zwar sowohl in der Klasse als auch ausserhalb. Wir haben die Resultate dieser Studien systematisch analysiert und herausgefunden, dass Forschende bereits Daten aus über 5000 Studien und von mehr als 25 Millionen Schülerinnen und Schülern im Alter von 4 bis 20 Jahren zusammengefasst hatten.

Angesichts der hohen Zahl solcher Zusammenfassungen (wir haben 125 gefunden!) kann es schwierig sein, diese nach Antworten auf spezifische Fragen zu untersuchen. In einem ersten Schritt haben wir deshalb eine umfassende Übersicht über den aktuellen Wissensstand erstellt. Dabei haben wir drei Faktoren gefunden, die für die schulische Motivation am wichtigsten zu sein scheinen: Lernmöglichkeiten, Selbstbewusstsein und positive Beziehungen.

Drei Motivationsfaktoren

Gute Lernmöglichkeiten wie ein hochwertiger Unterricht fördern die Motivation. Je mehr Schüler lernen, desto motivierter sind sie, weiter zu lernen. Die Motivation ihrerseits führt auch wieder zu mehr Lernen. Damit bildet sich eine Rückkopplungsschleife zwischen Lernen und Motivation.

Qualitativ hochwertiger Unterricht erfordert eine wirksame Klassenführung. Dazu gehören eine effiziente Nutzung der Lektionsdauer und klare Regeln im Klassenzimmer. Weiter braucht es auch herausfordernde Aufgabenstellungen, welche die Schülerinnen dazu ermutigen, ihr Lernen aktiv mitzugestalten, sowie gleichzeitig eine Unterstützung der Schüler beim Lösen dieser Aufgaben. Lernmöglichkeiten sollten den Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler angepasst sein.

Das Lernen als Prozess sollte im Fokus stehen und nicht die Konkurrenz in der Klasse.

Schüler, die ihre schulischen Fähigkeiten höher einstufen, berichten, auch stärker motiviert zu sein. Wie die Schülerinnen ihr Lernen wahrnehmen – also ihre Selbstwahrnehmung in Bezug auf schulische Aufgaben –, könnte also genauso wichtig sein, wie die Qualität der Lernmöglichkeiten. Lehrpersonen können Schülern dabei helfen, sich als kompetent wahrzunehmen und ihre Motivation zu stärken, indem sie Feedback geben. Dabei zeigen sie Wege auf, wie jeder Lernende individuell die grössten Fortschritte machen kann, was wiederum das Lernen steigert.

Lehrpersonen können motivierende Ziele für ihre Schülerinnen vorgeben, wobei das Lernen als Prozess im Fokus stehen sollte und nicht die Konkurrenz in der Klasse. Die Beziehung zwischen Lernenden und Lehrperson wirkt sich ebenfalls signifikant auf die Motivation aus: Schulen, in denen positive Beziehungen herrschen, schaffen eine glückliche Lernumgebung und führen zu motivierten Lernenden.

Welche Aspekte der Motivation sind wann wichtig?

In der Pubertät werden soziale Beziehungen ausserhalb der Familie (insbesondere mit Gleichaltrigen) immer wichtiger. Unterstützende Lernumgebungen können dabei helfen, die emotionalen Bedürfnisse der Schülerinnen zu adressieren, und geben ein Gefühl der Zugehörigkeit und Verbindung zu Mitschülern und Lehrpersonen. Ein solches Umfeld beeinflusst die Motivation positiv.

Es braucht weitere Forschung zur Frage, ob einige Aspekte der Motivation in bestimmten Kontexten wichtiger sind als andere. In unserer Übersicht konnten wir das Zusammenspiel der verschiedenen Lernaspekte im Klassenzimmer nicht berücksichtigen.

Wichtig ist die gleichzeitige Förderung von schulischen Fähigkeiten, Beziehungen und Selbstbewusstsein.

Diese Aspekte sind wichtig, wenn wir individuelle Klassen, Lehrpersonen und Schülerinnen betrachten. Wir wissen zum Beispiel nicht, ob bestimmte Unterrichtsmethoden bei Schülern mit unterschiedlichen Hintergründen und Lernvoraussetzungen unterschiedlich erfolgreich sein können. Und wir wissen wenig über den Zusammenhang zwischen der Nutzung von Technologien im Klassenzimmer und der schulischen Motivation.

Die Resultate unserer Studie unterstreichen allerdings, wie wichtig die gleichzeitige Förderung von schulischen Fähigkeiten, positivem Selbstbewusstsein und Beziehungen ist. Wenn Schülerinnen feststellen, dass sie Fortschritte machen, in der Schule und ihrer Klasse willkommen sind und eine Verbindung zu ihren Lehrpersonen und zu Gleichaltrigen haben, dann könnten sie gerade motiviert genug sein, auf das Eis mit Freunden zu verzichten und stattdessen eine schulische Herausforderung in Angriff zu nehmen.

Dieser Text erschien zuerst in englischer Sprache auf der Plattform BOLD.

BOLD

Die Plattform BOLD, eine Initiative der Jacobs Foundation, hat sich zum Ziel gesetzt, einer weltweiten und breiten Leserschaft näherzubringen, wie Kinder und Jugendliche lernen. Spitzenforscherinnen wie auch Nachwuchswissenschaftler teilen ihr Expertenwissen und diskutieren mit einer wissbegierigen Leserschaft, wie sich Kinder und Jugendliche im 21. Jahrhundert entwickeln und entfalten, womit sie zu kämpfen haben, wie sie spielen und wie sie Technologien nutzen.

Mehr lesen: www.bold.expert

Jennifer Meyer

Jennifer Meyer
ist Postdoktorandin und leitet die Nachwuchsforschungsgruppe Format am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik an der Universität Kiel in Deutschland. Ihre Forschung fokussiert auf den Einsatz von individualisiertem Feedback mittels künstlicher Intelligenz in digitalen Lernumgebungen, die das Lernen fördern und Schülerinnen zum Lernen motivieren.

Thorben Jansen

Thorben Jansen
ist Postdoktorand am ­Leibniz-­Institut für die Pädagogik der Natur­wissenschaften und Mathematik an der ­Universität Kiel in ­Deutschland. Er leitet eine interdisziplinäre Nachwuchs­forschungsgruppe, die den digitalen Argumentationsunterricht in den Naturwissenschaften untersucht.

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