«Amyras Ängste schränkten unser Leben zunehmend ein»
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«Amyras Ängste schränkten unser Leben zunehmend ein»

Lesedauer: 2 Minuten

Familie Grundlehner lebt am Bodensee. Als die achtjährige Tochter Amyra immer ängstlicher wurde, holte sich das Paar professionelle Hilfe. Hier erzählen sie ihre Geschichte.

Aufgezeichnet von Katharina Hoch
Bild: Vera Hartmann / 13 Photo

Amyra war ein Schreibaby und von klein auf ängstlich und sehr sensibel. Wenn sie von uns getrennt war, bekam sie oft hohes Fieber und vermisste uns schrecklich. Als sie ungefähr vier Jahre alt war, merkten wir, dass ihre Ängste über das ‹Normale› hinausgingen. Sie fürchtete sich vor allem, was hoch und wackelig war: vor offenen Treppen, Rolltreppen, Aufzügen, aber auch vor Dunkelheit und Nebel. Und sie hatte grosse Angst, uns zu verlieren oder allein zu sein.

Anfangs hielt sie einfach inne, wenn sie Angst bekam, und wollte nicht weitergehen. Als sie etwa fünf Jahre alt war, fing sie an, auf Situationen, die sie ängstigten, stark körperlich zu reagieren. Sie begann zu schwitzen, bekam Herzrasen, hielt den Atem an und erstarrte. Sie wurde beinahe ohnmächtig. Das waren richtige Panikattacken.

Die Ängste schränkten unser Leben zunehmend ein. Ein normaler Alltag war irgendwann fast nicht mehr möglich. Sie wollte nicht in den Kindergarten gehen, wenn es nebelig oder dunkel war. Waren wir unterwegs, versuchten wir alle Rolltreppen und Lifte zu umgehen.

Irgendwann war klar, dass es so nicht weitergehen kann. Wir fragten unsere Kinderärztin um Rat. Sie verwies uns zum Psychologen, aber die Wartezeit betrug ein halbes Jahr. Also suchten wir nach alternativen Behandlungsmethoden und fanden eine Reit- und Traumapädagogin. Amyra war sechs Jahre alt, als sie dort eine Therapie begann. Zudem holten wir uns Hilfe im Bereich Körperenergetik.

Unsere Tochter musste lernen, sich durchzusetzen, klar und präzise zu kommunizieren.

Beim Heilpädagogischen Reiten baute unsere Tochter viel Selbstvertrauen auf. Das Wesen der Pferde und das Vertrauen, welches die Tiere Amyra entgegenbrachten, halfen ihr, die nötige Kraft aufzubringen, sich ihren Ängsten zu stellen.

Sie musste lernen, sich durchzusetzen, klar und präzise zu kommunizieren, sodass das Pferd sie verstand. Als ihr das Pferd zum ersten Mal im Parcours nachfolgte, war sie sehr stolz. Durch dieses und weitere Erlebnisse wurde sie immer mutiger. Später fing sie an, Klavier zu spielen und zu singen. Auch das half ihr, selbstsicherer zu werden.

Immer wieder begaben wir uns mit ihr in Angstsituationen, um diese zu überwinden. Wir fuhren hundert Mal Aufzug oder Rolltreppe. Gingen über wackelige und hohe Wege. Waren im Dunkeln unterwegs. Schritt für Schritt lernte sie, dass nichts Schlimmes passiert, wenn sie das macht. Nach einem Jahr war unser Leben wieder so wie früher.

Jetzt ist Amyra in der dritten Klasse und wir staunen, wie sich unsere Tochter verändert hat. Sie ist selbstsicher und mutig. Hat kaum noch Ängste. Der Schlüssel dazu war wohl, dass sie Selbstvertrauen aufgebaut und wir die Situationen mit ihr oft geübt haben.

Familie Grundlehner

Jessica und Christian Grundlehner, 36 und 39 Jahre alt, leben mit ihren Kindern Amyra, 8, und Joah, 4, in Romanshorn am Bodensee. Jessica arbeitet als Nordic-Walking- Instruktorin, Christian ist Informatiker.

Katharina Hoch
ist freischaffende Journalistin und lebt mit ihrer Familie in München.

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