Auch Eltern, die sonst sehr einfühlsam reagieren, können Gefühle ihres Kindes zum Teil dann nicht aushalten, wenn diese bei ihnen Schuldgefühle erzeugen.
Vielleicht war die Scheidung für die Eltern die richtige Entscheidung und sie haben viele gute Gründe für diesen Schritt. Das Kind wird trotzdem darunter leiden. Wahrscheinlich ist es traurig, dass die Eltern nicht mehr zusammen sind, vielleicht hat es Angst, dass es auch verlassen wird, oder ist wütend, dass seine Eltern es nicht geschafft haben, ihre Konflikte zu lösen.
Oder die Eltern haben für sich gute Gründe gefunden, um mehr zu arbeiten und ihr Kind häufiger extern betreuen zu lassen. Das Kind kann trotzdem traurig sein, weil es die Eltern vermisst, wütend, weil es sich abgeschoben fühlt, müde und erschöpft, weil es am Mittagstisch und in der ausserschulischen Betreuung zu wenig Rückzugsmöglichkeiten findet.
Gerade in solchen Situationen empfinden Eltern die Gefühle ihrer Kinder oft als Kritik an ihrer Lebensführung. Um Schuldgefühle abzuwehren, begründen sie ihre Entscheidung dem Kind gegenüber: «Wir haben uns doch sowieso nur noch gestritten. So ist es besser für alle.» Oder: «Wir nehmen uns dafür am Wochenende Zeit und machen etwas Schönes.»
Doch damit signalisieren sie dem Kind: Deine Gefühle sind für uns eine Belastung. Sie sind nicht angemessen und wir erwarten von dir, dass du dich anders fühlst.
Kinder reagieren teilweise sehr feinfühlig auf diese Signale. Sie hören auf, den Eltern ihre Gefühle anzuvertrauen. Vielleicht ziehen sie sich zurück, werden aggressiv oder suchen Trost und Verständnis bei Freunden oder anderen Erwachsenen.