«Ich mag es nicht, wenn meine Eltern streiten»
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«Ich mag es nicht, wenn meine Eltern streiten»

Lesedauer: 2 Minuten

Der 10-jährige Nico wendet sich an unsere Expertin Sarah Zanoni, weil er nicht will, dass seine Eltern miteinander streiten.

Text: Sarah Zanoni
Bild: Adobe Stock

«Frag doch mal Sarah»

Wenn meine Eltern streiten, sage ich ihnen immer, dass sie aufhören sollen. Aber sie antworten dann, dies sei kein Streit, sondern nur Diskutieren. Doch wenn mein Bruder und ich streiten, werden sie gleich sauer, obwohl unser Streit meistens gar nicht schlimm ist.
Nico, 10

Lieber Nico
Du fühlst dich unwohl, wenn deine Eltern streiten. Das verstehe ich gut, denn wenn Menschen, die man liebt, miteinander streiten, löst dies Stress und ein unangenehmes Gefühl aus. Kein Wunder also, dass du willst, dass deine Eltern damit aufhören. Denn auch wenn es nur eine Diskussion oder eine Meinungsverschiedenheit ist, spürst du, dass eine negative Stimmung herrscht. Du merkst das an ihren Gesichtern, am Tonfall und an der gesamten Stimmung im Raum.

Dein Bruder und du, ihr streitet auch manchmal. Das ist normal. Geschwister streiten im Durchschnitt alle 20 Minuten, wenn sie zusammen sind. Das hat die Forschung herausgefunden. Und weisst du, weshalb Brüder und Schwestern so oft streiten? Es liegt daran, dass wenn man viel Zeit miteinander verbringt, es automatisch zu Konflikten kommt. Der eine will dies, der andere das.

Oder man nervt sich über den andern. Dann fällt ein Schimpfwort oder man wird handgreiflich: Mit Schubsen, Spucken, Schlagen. Beides ist nicht okay, weder beleidigende Worte, noch körperliche Gewalt. Denn beide Dinge werden im Gehirn als richtige Verletzung – also etwa wie ein Boxhieb – wahrgenommen. Es wäre also besser, wenn man den Konflikt auf eine andere, bessere Art und Weise austrägt.

Streiten will gelernt sein

Streiten hat aber eine ganz wichtige Funktion und gehört zum Grosswerden dazu. Streiten ist dazu da, dass man lernt, wie man mit Problemen zwischen Menschen klarkommt und eine Lösung findet. Gut Streiten will also gelernt sein! 
Wie das geht? Zuerst einmal ist es wichtig, dass du für dich herausfindest, was deine Bedürfnisse sind: Überlege dir, was du dir wünschst, wenn du mit deinem Bruder spielst. Sollten beide die Regeln richtig einhalten? Sollten beide beim Aufräumen helfen? Oder sollte das Spielzeug fair abgewechselt oder geteilt werden?

Wenn du das für dich geklärt hast, kannst du dies deinem Bruder sagen. Er weiss dann, was dir wichtig ist. Und er hat ebenfalls die Möglichkeit, seine Wünsche zu äussern. So kommt es zu weniger Missverständnissen und damit zu weniger Streit. Wenn es dann trotzdem zu einem Problem kommt, solltet ihr also nicht gleich losschreien und den andern beschuldigen oder schlagen. Sondern sagen: «Sei nicht sauer, dass ich gewonnen habe. Lass uns nochmals spielen, vielleicht gewinnst du dann auch.»

Wenn Eltern streiten, besprechen sie ein Problem und suchen gemeinsam nach einer Lösung.

Vielleicht bist du und dein Bruder aber trotzdem ganz wütend und ihr braucht eine Pause (jeder in seinem Zimmer oder draussen), um runterzukommen. Wenn ihr euch beruhigt habt, könnt ihr entweder nochmals über das Problem reden und eine Lösung fürs nächste Mal finden. Oder ihr sagt einfach: «Strich drunter, es war nicht so wichtig. Lass uns weiterspielen.»

Frag doch mal Sarah

In unserer Rubrik «Frag doch mal Sarah» beantwortet Jugendcoach Sarah Zanoni Fragen von Kindern und Jugendlichen.

Hast du auch eine Frage, die du ihr gerne stellen würdest? Dann sende eine E-Mail an online@fritzundfraenzi.ch oder kontaktiere uns auf unseren Social-Media-Kanälen.

Wenn also deine Eltern manchmal streiten oder laut diskutieren, ist das nichts anderes. Sie besprechen ein Problem und suchen nach einer Lösung. Und idealerweise finden sie diese und können wieder normal zueinander sein. Sag ihnen das nächste Mal, dass du dich freust, wenn sie eine Lösung finden und wieder friedlich miteinander sind.

Das könnten du und dein Bruder auch ausprobieren – Frieden schliessen. Dann fühlt sich das Weiterspielen gleich besser an.

Jugencoach Sarah Zanoni

Sarah Zanoni
arbeitet als Jugendcoach mit Kindern und Jugendlichen aller Altersstufen. Sie hält Vorträge und Seminare rund ums Thema Kind und Jugend und hat Bücher dazu publiziert. Mit dem 3-Schritte-Konzept «Verstehen-Fördern-Fordern» hat sie das Jugendcoaching vor rund 20 Jahren aufgebaut. Ihr Motto: «Nur wenn sich ein Kind wohlfühlt, kann es an seinen inneren und äusseren Themen arbeiten.» Sarah Zanoni ist Mutter von zwei erwachsenen Töchtern und lebt im Kanton Aargau. Ihre Hobbys sind ihre Hunde, Krimis, Reisen und Schreiben.

Alle Texte von Sarah Zanoni

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