7 Fragen zum Kindergartenweg
Alleine in den Chindsgi zu laufen, bedeutet für Mädchen und Buben ein wertvolles Stück Freiheit. Doch wann ist mein Kind so weit, diese Aufgabe zu meistern? Und was sollte ich als Mutter oder Vater dabei bedenken? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
1. Sollen Vier- oder Fünfjährige wirklich schon allein laufen?
Der Schulweg gehört zur Erfahrungs- und Lernwelt eines schulpflichtigen Kindes, heisst es. Was bereits Kindergärtler mit einschliesst. Auf dem Weg zum Kindergarten werden Freundschaften geschlossen, wichtige Dinge besprochen, Schnecken vor dem sicheren Tod durch Überfahren gerettet. Doch ab wann man sein Kind den Hin- und Rückweg alleine bewältigen lassen kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zu nennen sind hier die emotionale und kognitive Reife eines Kindes, die Länge des Weges und dessen Gegebenheiten.
Der kürzeste Weg ist nicht immer der beste.
So ist es ein Unterschied, ob die Tochter durch ein ruhiges Quartier oder an einer stark befahrenen Strasse entlanglaufen muss. Es lohnt sich auf jeden Fall, den Weg schon vor dem Kindergartenstart zu üben. Vielleicht kann dieses Üben zum Anlass genommen werden, mit dem Kind gemeinsame 1:1-Zeit zu verbringen und kommende Träume oder Sorgen für den Start im Chindsgi zu besprechen.
Der kürzeste Weg ist nicht immer der beste und je mehr feste Regeln, also Ampeln, Fussgängerstreifen usw. es gibt, desto besser. Es empfiehlt sich, sein Kind mit weiteren Artikeln auszustatten, die einen Unfall vermeiden können, beispielsweise Lichtreflektoren an Kleidung oder Rucksack.
2. Wie wird der Weg im Kindergarten geübt?
Schon in den ersten Wochen thematisieren die Kindergartenlehrpersonen die wichtigsten Verkehrsregeln im Unterricht, doch eines Mittags wird Ihr Sohn oder Ihre Tochter voller Ehrfurcht ankündigen: «Papi, morgen kommt der Polizist!» Und der oder die übt dann mit den Kindern die Weisung «Warte, luege, lose, laufe» im Strassenverkehr.
«Nähert sich den Kindern von rechts oder links ein Fahrzeug, instruieren wir sie, so lange am Strassenrand zu warten, bis das Rad stillsteht», sagt Marc Besson von der Kantonspolizei Zürich. Die Anweisung fusse in der Tatsache, dass kleine Kinder weder Geschwindigkeit noch Distanz eines heranfahrenden Gefährts verlässlich einschätzen können.
Verhalten sich die Eltern im Verkehr nicht korrekt, kopieren Kinder dieses Verhalten.
Marc Besson appelliert aber auch an die Eltern als die wichtigsten Bezugspersonen und Vorbilder der Kinder. Verhalten sich die Eltern nicht korrekt, würde das unerwünschte Verhalten von den Kindern imitiert. «Doch auch den Autofahrern ist meist nicht bewusst, welch wichtige Rolle sie im Zusammenhang mit Schul- und Kindergartenkindern spielen.»
Das Motto der Verkehrskampagne von TCS, Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) und Polizei, «Rad steht, Kind geht», würden viele Autofahrer nicht einhalten. «Viele wissen nicht, dass ein Kind in dem Alter keine Chance hat, die Geschwindigkeit oder die Entfernung eines Autos richtig einzuschätzen », so Besson weiter. Zudem würden viele Autofahrer den Fehler machen, dem Kind auf dem Fussgängerstreifen zuzuwinken. Das Kind befolge dann die nett gemeinte Aufforderung des Erwachsenen und überquere den Zebrastreifen, ohne noch einmal auf die Gegenfahrbahn zu schauen.
3. Was tun, wenn das Kind nicht alleine laufen will?
Wenn ein Kind nicht alleine zum Kindergarten oder heimlaufen möchte, sollten Eltern mit dem Kind darüber sprechen. Vielleicht wird es auf dem Weg gehänselt oder etwas erscheint ihm unangenehm. Auf jeden Fall ist Geduld angesagt, denn die Kinder sind klein und der Start in den Kindergarten ist allein schon eine grosse Anpassungsleistung. Vielleicht findet sich ja auch ein Gspänli, mit dem sich das Kind sicherer fühlt, oder es wird nur ein Stück weit begleitet und geht von Woche zu Woche ein grösseres Wegstück allein.
4. Und wenn einem der Chindsgiweg unzumutbar erscheint?
Schulwege sind in der Schweiz im Durchschnitt weniger als 1,5 Kilometer lang, über 40 Prozent sind sogar kürzer als 400 Meter. Die Organisation Fussverkehr Schweiz nennt in ihrem Faktenblatt einen Kindergartenweg von bis zu 500 Metern als zumutbar, bis ein Kilometer unter bestimmten Umständen. Ist der Weg unzumutbar, ist die Schule verpflichtet, einen Schul- oder Pedibus (eine Gruppe Kinder wird durch einen Elternteil angeführt) zu organisieren. Bei stark befahrenen Strassen und Kreuzungen sind Lotsendienste oder Ähnliches im Einsatz. Keine Lösung sind Eltern-Taxis, also Mütter oder Väter, die ihre Kinder per Auto vor das Schulhaus beziehungsweise in den Kindergarten kutschieren.
Ermahnen Sie Ihr Kind nicht zur Eile. Es wirkt meist kontraproduktiv.
Fabian Grolimund, Psychologe
5. Nicht nur der Verkehr, auch Konflikte mit anderen Kindern sind auf dem Kindergartenweg ein Thema. Wie sollen Eltern reagieren?
Der Kindergartenweg wie auch der Pausenplatz sind Orte für soziale Erfahrungen. Meinungsverschiedenheiten gehören dazu. Kommt ein Kind aber regelmässig in Bedrängnis, wird schikaniert oder kann den Konflikt nicht alleine lösen, können Eltern Unterstützung geben: Vielleicht nützt es, mit den involvierten Gspänli und deren Eltern zu reden. Oder die Eltern suchen das Gespräch mit der Lehrperson. Ein Kind hat das Recht, sich auch auf dem Hin- und Rückweg sicher zu fühlen. Fordern Sie dieses Recht ein.
6. Das Kind trödelt auf dem Kindergartenweg und kommt zu spät zum Unterricht. Was tun?
Es gibt Kinder, die sind resistent gegenüber jeglicher Hetzerei. Das ist normal und altersgerecht, denn Kinder haben keine Vorstellung von abstrakten Zeitbegriffen. Diese bilden sich mit den Alltagserfahrungen und der kognitiven Reifung erst aus. Psychologe Fabian Grolimund rät Eltern von trödelnden Kindern deshalb, konsequent auf Ermahnungen wie «Beeil dich!» zu verzichten. Er empfiehlt, die Eile wegzulassen, da sie meist kontraproduktiv wirke.
Mehr Struktur könne helfen: abends die Kleider heraussuchen und morgens in einem Parcours bereitlegen. Vielleicht findet sich auf dem Kindergartenweg eine Glocke, die man immer zur selben Zeit läuten hören sollte? Oder man erfindet mit dem Kind zusammen einen Kindergartenwegparcours, um es spielerisch von einem Punkt zum anderen zu bewegen. Wenn gar nichts mehr geht, darf das Kind auch mal spüren, was es verpasst, wenn es trödelt. Dann reicht die Zeit vielleicht nicht mehr, um auf den Spielplatz zu gehen oder Ähnliches.
7. Was haben Trottis und Co. auf dem Weg zu suchen?
In der Kindergartenzeit: gar nichts! «Kleine Kinder sind oft viel zu schnell unterwegs auf ihren Velos oder Tretrollern, sie können noch nicht alles kombinieren und gleichzeitig reagieren», so Polizist Marc Besson. Entwicklungsbedingt realisieren Kinder erst ab etwa sechs Jahren, was eine Gefahr ist. Und im Verkehr gilt: Lieber einmal zu viel Vorsicht walten lassen.
Wenn Eltern den Weg zum Kindergarten für ihre Kinder unzumutbar finden, sollten sie zuerst das Gespräch mit der Schule (dem der Kindergarten angegliedert ist) beziehungsweise der Gemeinde suchen. Grundsätzlich sind die Eltern verantwortlich für den Kindergartenweg. Doch es gibt gewisse Richtlinien, aufgrund derer sich einordnen lässt, wie zumutbar ein Schulweg ist. So können Schulen beispielsweise verpflichtet werden, einen Lotsendienst einzurichten. Findet sich keine Lösung, bleibt der Rechtsweg.