«Kinder müssen üben, eigene und fremde Gefühle zu erkennen» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Merken
Drucken

«Kinder müssen üben, eigene und fremde Gefühle zu erkennen»

Lesedauer: 2 Minuten

Ich erzähle

Die 33-jährige Journalistin Janine Schönenberger hat mit ihren ­Söhnen Joan, 6, und Yanis, 4, schon früh darüber geredet, welche ­Gefühlszustände es gibt und wie sie sich zeigen. Auslöser waren ­Emotionskarten, die ihr Mann David, 47, von seiner Arbeit als Psychologe mitgebracht hatte. Die Familie lebt in Emmen im Kanton Luzern. 

«Wir haben vorab nicht geplant, dass es jetzt an der Zeit ist, mit unseren Söhnen über Gefühle und Empathie zu reden. Unser Ältester war damals schliesslich erst knapp vier, der Jüngere zwei Jahre alt. Aber David brachte von seiner Arbeit Emotionskarten mit. Auf diesen Karten waren Illustrationen von kleinen Mäusen ­abgebildet. Jede Karte zeigte ein anderes Gefühl: Eine Maus präsentierte zum Beispiel das Gefühl von Selbstsicherheit, indem sie mit einem Stab auf einer schmalen Mauer ­balancierte. Eine andere Karte zeigte, wie eine Maus sich vor jemandem mit einer Maske sehr erschreckt. Das Gefühl von Freude und Energie wurde mit einer Maus dargestellt, die einen ­Purzelbaum schlug. Diese Bilder fand Joan so herzig, dass er sich die Karten ganz lange angesehen hat.

«Dadurch, dass unser Sohn so viele Gefühle benennen kann, ist er auch im ­Umgang mit anderen sehr feinfühlig.»

Wir haben dann etwa 20 Karten bei uns in der Küche aufgehängt und daraus ein Spiel gemacht. Anfangs haben wir Eltern viel ­vorgemacht. Ich habe zum Beispiel gesagt: ‹Guckt mal, ich fühle mich gerade wie diese kleine Maus. Ich strahle und lache gerade so sehr, weil ich mich sehr freue.› Wir haben das Kartenset dann noch mit Fotos von unserer Familie ergänzt: Jeder konnte dann eine Wäscheklammer mit seinem Porträt drauf einer bestimmten Maus zuordnen. Für die Kinder war diese bildliche Komponente sehr wichtig. Es fehlten ihnen ja manchmal die Wörter, um ihre Emotionen beschreiben zu können.
 
Inzwischen merken wir, was für einen ­positiven Effekt unsere Sessions auf die ­sprachliche Kompetenz unserer Söhne hat. Unser Sechsjähriger kann seine Gefühle sehr gut beschreiben. Dadurch, dass er so viele Gefühlsnuancen kennt und benennen kann, ist er auch im Umgang mit anderen sehr feinfühlig. Kürzlich kam er aus dem Kindergarten nach Hause und hat beschrieben, dass er beobachtet hat, wie ein Kind ein anderes bedrängt hat. Er hat erkannt, wie der andere sich gefühlt hat: ‹Der hatte Angst und war traurig, Mama.› Er hat mich dann darum gebeten, diesem Jungen zu helfen und mit seiner Mutter zu reden. Das hat mich sehr beeindruckt.

Auch mich hat dieser bewusste Umgang mit den Gefühlen unserer Kinder geprägt. In meiner Kindheit wurde nicht so explizit über Emotionen geredet. Mir ist erst als Erwachsene bewusst geworden, wie elementar es ist, Zugang zu seinen Gefühlen zu haben. Das ist die Basis, um andere verstehen zu können.»

Online-Dossier:

Dieser Artikel gehört zum
Dieser Artikel gehört zum Online-Dossier Empathie Lesen Sie mehr zu Fragen, wie: Was können Eltern tun, damit Kinder die grundlegende Fähigkeit der Empathie entwickeln?


Lesen Sie mehr aus dem aktuellen Dossier «Empathie»:

  • Ein gutes Gefühl: Wie lernt man Empathie?
    Die Fähigkeit zur Empathie steckt in ­unseren Genen. Doch nur in einer ­Umgebung, in der Gefühle und Mitgefühl vorgelebt werden, kann sie sich entwickeln. Wie lernen Kinder, andere zu verstehen, ihre Gefühle zu lesen und entsprechend zu handeln?
  • «Meine Kinder haben keine Angst, ihr Mitgefühl zu zeigen»
    Petra Ribeiro, 49, ist Pflegefachfrau und arbeitet derzeit als Betreuerin mit randständigen Menschen. Ohne Empathie für deren Schicksale könnte sie ihren Beruf nicht ­ausüben. Das vermittelt die alleinerziehende Mutter auch ihren Kindern Zoe, 11, und Jordan, 8. Die Familie lebt in Zürich.
  • «Emojis können kein ­Gespräch ersetzen»
    Sarah Pel, 45, und ihrem Mann Oliver, 50, ist es wichtig, dass ihre Kinder auch im Netz respektvoll und empathisch mit anderen umgehen. Schon in der frühkindlichen ­Erziehung haben sie darauf ­geachtet, dafür die Grundlagen zu legen. Die Heilpädagogin und der Wirtschaftsinformatiker leben mit Jan, 19, Lars, 14, und Marie, 10, in Zürich.