Neues Scheidungsrecht: «Die wirtschaftliche Realität sieht anders aus!»

Bild: Rawpixel.com (Symbolbild)
Mit Ende Vierzig und nach fast zwanzig Jahren Abwesenheit in ihrem Job, ist Claudia M. nach ihrer Scheidung damit konfrontiert, wieder ins Berufsleben einzusteigen. Als Mutter von zwei Teenagern ist ihr laut Rechtsprechung zuzumuten, 80 bis 100 Prozent zu arbeiten.
18 Jahre Ehe hat Claudia M. aus dem Kanton Zürich hinter sich, als ihr Mann vor zwei Jahren Knall auf Fall die Scheidung will. Claudia ist zu diesem Zeitpunkt 47 Jahre alt, die beiden Kinder im Teenager-Alter. Bis zum ersten Kind ist sie im kaufmännischen Bereich tätig, als sie Mutter wird, zieht sie sich erstmal aus dem Berufsleben zurück. Als der Sohn knapp einjährig ist, möchte Claudia wieder einsteigen. «Für meinen Mann war es allerdings keine Option, sein Hundertprozent-Pensum zu reduzieren.» Fremdbetreuung kann und will sich Claudia nicht leisten.
Mit viel Glück findet sie einen Job in einer privaten Kinderkrippe, wo sie ihre Kinder mit zur Arbeit nehmen kann. Gut zehn Jahre lang arbeitet sie dort Teilzeit. «Irgendwann fühlte ich mich nicht mehr gefordert, wollte etwas anderes machen.» Zurückkehren in den alten Job stellt sich als unmöglich heraus, zum einen wegen der Kinder, zum anderen wegen ihrer langen Abwesenheit. So engagiert sie sich jahrelang ehrenamtlich in ihrer Gemeinde.
«Etwas mit Sozialpädagogie hätte mich interessiert. Ich freute mich auf eine neue Herausforderung.»

Jobsuche und Erschöpfungsdepressionen
Claudia will arbeiten, 100 Prozent, will unbedingt auf eigenen Beinen stehen, unabhängig und frei sein . Aber auch jetzt sieht die Realität einmal mehr anders aus. Sie macht einen Rotkreuz-Kurs, jobbt als Pflegehelferin. «Damit verdiene ich knapp 3000 Franken im Monat, Vollzeit. Wie soll ich künftig davon leben? Die Vorstellung, in die Armut abzurutschen – wie so viele geschiedene Frauen – macht mir grosse Sorgen.» Die über Jahre andauernde Mehrfachbelastung, Existenzangst, hinterlassen bei ihr Spuren und es erfordert viel Kraft, sich nicht zu entmutigen lassen.
«Ich will nicht um Geld betteln müssen. Ich will arbeiten.»
Ihr grösster Wunsch: Irgendwann auch finanziell auf eigenen Beinen stehen. Aufgeben will Claudia diesen Traum nicht. Auch wenn es schwierig ist. «Ich wünsche mir wirklich nichts mehr, als dass mir dies eines Tages gelingt. Dann gehe ich endlich mal wieder in die Ferien. Ganz einfache Ferien. Aber nur für mich allein.»
* Name der Redaktion bekannt
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Sie machen täglich den Spagat zwischen Kindererziehung und Job: alleinerziehende Mütter und Väter. Im komplizierten Alltag kämpfen viele von ihnen mit finanziellen Schwierigkeiten. Und der Gewissheit, ihren Kindern nicht immer gerecht zu werden.