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«Kinderrechte werden oft nicht umgesetzt»

Lesedauer: 2 Minuten

Irène Inderbitzin erklärt, warum es die Kinderombudsstelle braucht und wie sie hilfesuchende Kinder konkret unterstützen.

Text: Virginia Nolan
Bilder: Adobe Stock / zVg

Frau Inderbitzin, warum braucht es die Kinderombudsstelle?
Kinder sind verletzlicher als Erwachsene, wenn es darum geht, sich vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen. Die UNO-­Kinderrechtskonvention soll diesen Schutz sicherstellen. Leider kommt es immer wieder dazu, dass die Kinderrechte nicht oder ungenügend umgesetzt werden.

Bei Scheidungen werden nur zehn Prozent der Kinder angehört.

Etwa das Recht auf Meinungsäusserung, Information und Gehör. Bei Scheidungen beispielsweise werden nur zehn Prozent der Kinder angehört. Die Kinderombudsstelle vermittelt überall da, wo ein Kind mit dem Rechtssystem in Berührung kommt.

Irène Inderbitzin ist Geschäftsführerin der Kinderombudsstelle Schweiz.

Wer meldet sich bei Ihnen?
Kinder ab etwa sechs Jahren. Die Beratung ist immer telefonisch. Die Kinder befinden sich oft in konfliktreichen Situationen mit längerer Vorgeschichte. Häufig geht es um Kampfscheidungen oder Fremdplatzierungen. Wir decken alle Rechtsbereiche ab – vom Jugendstrafrecht bis zum Schulrecht.

Einst rief ein Mädchen an, das von der Schule ausgeschlossen wurde, weil es handgreiflich geworden war. Es hatte aber, wie wir erfuhren, nie Gelegenheit gehabt, seine Sicht der Dinge darzulegen. Die Schülerin hätte das Recht auf Anhörung bei der Schulleitung gehabt. Wir veranlassten, dass diese Anhörung nach­geholt wurde. Dabei kam heraus, dass das Mädchen schwer gemobbt worden war. Es durfte bleiben. 

Wie helfen Sie Kindern? 
Wir gehen immer gleich vor: Wir hören dem Kind zu und versuchen herauszufinden, worum es geht. Oft wurden seine Rechte auf Information und Gehör verletzt und man hat das Kind über Entscheidungen nicht richtig aufgeklärt: Es kann dann nicht nachvollziehen, warum es sich in der entsprechenden Situation befindet. Wir klären auf, helfen, die Lage einzuordnen. Oft reicht das nicht.

Oft werden die Rechte des Kindes auf Information und Gehör verletzt.

Wenn sich herausstellt, dass sich ein Kind zu einer Fremdplatzierung nicht äussern konnte, klären wir ab: Wurde eine Anhörung versäumt? Wer hätte diesen Schritt einleiten müssen? Wir wenden uns an involvierte Fachpersonen, stellen sicher, dass solche Versäumnisse nachgeholt werden. Ein Kind muss gehört werden. Das heisst nicht, dass sein Wille immer umgesetzt werden kann. Doch gerade dann ist es wichtig, dass es sich ernst genommen fühlt und nicht seiner Ohnmacht überlassen wird.

Kinderombudsstelle

Kinder haben Rechte – wir helfen dir dabei, sie zu nutzen

Fragst du dich, was deine Rechte sind? Hast du das Gefühl, dass dir niemand zuhört oder deine Bedürfnisse ernst nimmt? Oder erlebst du Gewalt und weisst nicht, was du tun kannst? Wir helfen dir!

Wir beantworten deine Fragen und besprechen miteinander, wie wir dich unterstützen können. Das Gespräch ist kostenlos und vertraulich. Ruf uns einfach an!

+41 52 260 15 55
info@ombud.ch

Telefonzeiten:
Montag bis Freitag
08:00 -17:30 Uhr

Adresse für Postversand:
Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz
Theaterstrasse 29
8400 Winterthur

Weitere Informationen findest du hier.

Virginia Nolan
ist Redaktorin, Bücherwurm und Wasserratte. Sie liebt gute Gesellschaft, feines Essen, Tiere und das Mittelmeer. Die Mutter einer Tochter im Primarschulalter lebt mit ihrer Familie im Zürcher Oberland.

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