Wie steht es um die Kinderrechte in der Schweiz?
Vor rund 32 Jahren hat die Schweiz das Kinderrechtsabkommen der UNO angenommen. 3 Fragen an Regula Bernhard Hug von Kinderschutz Schweiz wie es um den Schutz der Kinder aussieht anlässlich des internationen Tag der Kinderrechte.
Am 20. November ist Tag der Kinderrechte. Wie ist die Situation in der Schweiz? Haben wir Grund zu Feiern oder eher das Gegenteil?
Dass es die Kinderrechtskonvention gibt und die Schweiz diese Konvention 1989 unterzeichnet hat, ist an sich schon sehr erfreulich. Damit sind schon viele Rechte genannt, welche die Kinder in der Schweiz haben sollen. Erfreulich ist auch, dass diese Rechte in einigen Bereichen schon eingeführt sind. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass die Umsetzung der Kinderrechtskonvention in der Schweiz noch nicht abgeschlossen ist: Es gibt noch Lücken und unzulänglich umgesetzte Forderungen der Konvention.
Der UN-Kinderrechtsausschuss schreibt beispielsweise in den Empfehlungen vom 30. September 2021, die Schweiz benötige einen Aktionsplan zur Prävention und Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Kinder, auch bezüglich sexueller Gewalt gegen Kinder im Internet. Hier setzt unsere neuste Kampagne gegen «Sharenting» an: Wir wollen Eltern und andere Bezugspersonen darauf sensibilieren, dass man äusserst vorsichtig mit Bildern von Kindern im Internet umgehen sollte.
Wie ist der Stand bei der Verankerung der gewaltfreien Erziehung im Gesetz?
Erziehen ohne Gewalt braucht auch ein starkes Signal von Gesellschaft und Politik. Das Recht auf gewaltfreie Erziehung im Gesetz schafft Klarheit für die Erziehenden und hat Signalwirkung. Ein positives Signal kam diesbezüglich in der aktuellen Herbstsession aus dem Nationalrat: dieser sprach sich erstmals klar für die gesetzliche Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch aus. Nun liegt der Ball beim Ständerat.
Sobald das Recht auf gewaltfreie Erziehung im Gesetzt verankert ist, gilt dies als das neue «Normal» und die Unterstützung betroffener Familien wird einfacher.
Bei unserem letzten Gespräch haben Sie gemeint, dass die Pandemie die Situation für Kinder generell verschlechtert hat. Wie ist der Stand hier in Bezug auf das Bestrafungsverhalten der Eltern?
Viele der heute bekannten Risikofaktoren für die Gewalt in der Erziehung haben in der Pandemie zugenommen. Ängste, Unsicherheiten, Job- oder Einkommensverlust und Einschränkungen (z.B. Quarantäne oder Isolation, aber auch generell beschränkte Kontakte) tragen dazu bei, dass Eltern belasteter oder gestresster sind – und da liegen die Nerven öfter blank, was sich auch im Bestrafungsverhalten zeigt.
Wir beziehen uns auf die Studie «Bestrafungsverhalten von Eltern in der Schweiz» der Universität Freiburg, welche belegt, dass körperliche und psychische Gewalt an Kindern Teil des Alltags ist. Jedes zwanzigste Kind wird zu Hause regelmässig körperlich bestraft. Gar jedes vierte Kind erleidet regelmässig psychische Gewalt. Kinderschutz Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, gegen Gewalt an Kindern vorzugehen. Die Studie wird weitergeführt und eine neue Erhebung ist für den Frühling 2022 vorgesehen. Da wird sich vielleicht zeigen, ob die Pandemie einen langfristigen Einfluss hat auf das Bestrafungsverhalten der Eltern.
Am 20. November 1989 wurde die Kinderrechtskonvention von der UNO-Generalversammlung einstimmig verabschiedet. Es ist die bisher erfolgreichste Konvention, da sie von allen Mitgliedsstaaten – mit Ausnahme der USA – ratifiziert wurde. Die Konvention umfasst 54 Artikel. Sie anerkennt ein Kind als eigenständiges Wesen mit eigenem Willen und fordert, dass das Wohl eines Kindes bei allen Entscheidungen vorrangig behandelt wird.